Handwerk Special Nr. 94 vom 12. Juni 2003 - page 13

Franz Wierschem feierte 70. / Modellversuch „AzubiMentoring“
12. Juni 2003
Nr. 94
Aus Liebe zum Beruf
und zum Schiefer
Dachdeckermeister Franz Wierschem feierte 70. Geburtstag
Dominik Maurer
Tischlermeister aus
Höhr-Grenzhausen
„Ich habe die Meister-
prüfung gemacht, um
etwas dazuzulernen,
um meine Fähigkeiten
zu erweitern. Als
Handwerksmeister
hat man ein fundier-
tes Wissen erworben
und die Fähigkeit,
dieses weiterzuge-
ben. Das ist ein gutes
Gefühl“, sagt er. Sein
Meisterstück ist ein
Weinschrank aus
Ahorn. Integrierte Klimaschränke sorgen für die optimale
Lagertemperatur des Rebensaftes. Beleuchtung und Ver-
schluss der einzelnen Elemente funktionieren über eine
Fernsteuerung.
Ich bin Meister und habe etwas erreicht!
„Ein Mensch, der nichts zu
tun hat, ist ein armer
Mensch, wer nichts tun will,
ist noch ärmer“, so die Le-
bensphilosophie von Dach-
deckermeister Franz
Wierschem aus Mayen-
Alzheim. Der rüstige
Handwerkssenior feierte
kürzlich seinen 70. Geburts-
tag. Fast täglich trifft man
Franz Wierschem in der
Dachdeckerfachschule in
Mayen an.
„Die Schule ist mein Hobby.
DieArbeit mit denLehrlingen,
Gesellen und Meistern hält
mich jung“, sagt er. Und er
sagt es nicht ohne Stolz. Weiß
er doch,wiebegehrt seine fach-
lichen und menschlichen Rat-
schläge auch heute noch sind.
Nicht wenige Fortbildungs-
lehrgänge fürDachdecker, bei-
spielsweise die Ornament-
deckung, hat er ins Leben ge-
rufen und gibt auch heute noch
ab und zu Unterricht. „Jetzt
rücken aber Jüngere nach und
das ist gut so“, schätzt er ein.
Liebe zum Beruf
Blickt er zurück auf sein Le-
ben, muss er gestehen, dass die
„Liebe zu seinem Beruf und
zum heimischenSchiefer“ sei-
nen Lebensweg stark beein-
flusst hat. Angefangen hat al-
les mit einer Dachdeckerlehre.
„Ich bin einWaisenkind und in
einerPflegefamilieaufgewach-
sen. Mein Pflegevater war
selbstständiger Dachdecker-
meister. SeineVerwundung im
Krieg machte das weitere Ar-
beiten im Beruf unmöglich.
Trotzdem ist er im Herzen im-
merDachdecker gebliebenund
hat diesen Berufsethos wohl
später auf mich übertragen“,
erzählt er. Mit 30 Mark Wai-
senrente im Monat finanzierte
er die Lehrjahre von 1949 bis
1952. Es folgen die Gesellen-
jahre, die ihn bis nach Süd-
deutschland führen. 1957 be-
ginnt er seine Arbeit in der
Firma„RathschekSchiefer und
Dachsysteme“ in Mayen-
Katzenberg. Hier bleibt er 35
Jahre, arbeitet sich zum Ge-
schäftsführer hoch.
Wissen weitergeben
1972 legt er die Meisterprü-
fung imDachdeckerhandwerk
ab. „Der Meisterbrief eröffnet
jedem viele berufliche Mög-
lichkeiten. Für mich war er die
Befähigung, mich sowohl in
der Innung, im Schiefer-
ausschuss des Zentralverban-
des, in der Meisterprüfungs-
kommission der Handwerks-
kammerKoblenz, inderDenk-
malpflegeundalsSachverstän-
diger für das Dachdecker-
handwerk ehrenamtlich zu en-
gagieren und mein Wissen
weiterzugeben“, erzählt er.
„Das Wort des Meisters gilt!“
Der Werkstoff Schiefer hat es
ihm dabei besonders angetan.
„Die rheinische Tradition der
Schiefergewinnung und -ver-
arbeitung reicht bis in die rö-
mische Zeit zurück, Funde von
Dachschiefer belegen das. Der
Trend „zurück zurNatur“ führ-
tedazu,dassSchieferinDeutsch-
land wieder als Baumaterial
entdeckt wurde“, so Wier-
schem. Er arbeitet mit beim
Erstellen der „Regeln für De-
ckungenmitSchiefer“,schreibt
Artikel in Fachzeitschriften,
führt Spezialseminare über
Dachdeckungen mit Schiefer.
„Ich wollte immer mitreden,
Neues kreieren, beraten, Wis-
sen aneignen und Wissen wei-
tergeben. Diese Einstellung
treibtmichan, auchheutenoch.
Sie ist meinMotor“, erzählt er.
Plädoyer für den Meister-
brief
Wie einst seinPflegevater ihm,
so hat auch Franz Wierschem,
seine Liebe zum Beruf seinen
Söhnen weitergegeben. Beide
sindDachdeckermeister.„Meis-
terarbeit steht für Qualitätsar-
beit.Aus der ganzenWelt kom-
men Experten nach Deutsch-
land, um unser duales Aus-
bildungs- und Meisterprü-
fungssystem zu studieren und
dieÜbertragung auf heimische
Verhältnisse zu prüfen. Es fin-
det überall Anerkennung. Als
Regulator für die Wirtschaft
gibt es nichts Besseres als den
Meisterbrief“, so sein Plädoy-
er. „Man sägt doch den Ast,
auf dem man sitzt, nicht ab“,
kommentiert er die gegenwär-
tige Diskussion.
Schmuckornamente aus Schiefer liegen heute wieder im Trend. Franz Wierschem hat
seinumfangreiches Wissen über diese Kunst an zahlreiche Lehrlinge weitergegeben.
Lehrstellenabbruch
verhindern
„AzubiMentoring“ als Modellversuch
Das Projekt „AzubiMen-
toring“ wird mit Mitteln des
rheinland-pfälzischenMinis-
terium für Arbeit, Soziales,
Familie und Gesundheit und
des Europäischen Sozial-
fonds gefördert und vom
Lehrstuhl für Wirtschafts-
und Gründungspädagogik
sowieGründungsdidaktikder
Universität Wuppertal wis-
senschaftlich begleitet.
Gegenwärtig sind zwei Aus-
bildungsberater der HwK als
Mentoren tätig. Sie führten
im vergangenen Jahr in den
LandkreisenNeuwied,Alten-
kirchen, Rhein-Lahn und in
Koblenz 1.200 Beratungen
durch. Dabei konnte eine er-
hebliche Anzahl an Aus-
bildungsverhältnissen stabi-
lisiert und durch konstante
Betreuung fortgeführt wer-
den.
ZentralesThema desModell-
versuchs ist vor allem die
Vernetzung und Prävention
aller mit der Ausbildung von
Jugendlichen befassten Insti-
tutionen. Wichtigste Aufga-
be ist deshalb, ein funktio-
nierendesFrühwarnsystemin
Kooperation mit den Berufs-
schulen zu entwickeln. Bei
AuffälligkeitenimLeistungs-
bereich sollten Lehrer die
Mentoren sofort informieren.
Nicht selten sind schlechte
Schulnoten und mangelnde
Lernbereitschaft, vor allem
in den allgemeinbildenden
und fachtheoretischen Fä-
chern, Gründe für einenAus-
bildungsabbruch. Unzurei-
chendes Leistungsvermögen
der Lehrlinge ist wiederholt
die Basis für Konflikte in der
Ausbildung.
Hier greift die Arbeit der
Mentoren. Sie befassen sich
intensiv mit der jeweilig ge-
gebenen Situation und ste-
hen von Anfang an sowohl
Lehrlingen als auchBetriebs-
inhabern beratend zur Seite.
Informationen zum Mo-
dellversuch
Tel.: 0261/ 398-223
Fax: 0261/ 398-994
E-Mail:
Internet:
Im Durchschnitt lösen 7000 Jugendliche in Rheinland-Pfalz
ihren Ausbildungsvertrag. Schwierigkeiten im Ausbildungs-
verhältnis frühzeitig zu erkennen, zu klären und damit das Lösen
von Lehrverträgen im Handwerk zu verhindern, ist Ziel des Mo-
dellversuchs “AzubiMentoring” bei der Handwerkskammer Ko-
blenz. Darüber hinaus gilt es, negative Folgen einer Vertrags-
lösung für die jungen Leute in neue Chancen umzuwandeln.
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