Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 35

Vettelschoß, ein kleines Dorf
inmitten desWesterwaldes, et-
liche Kilometer von Linz am
Rhein oder Neustadt an der
Wied entfernt. Kaum einer
würde hier unbedingt einenOrt
vermuten, andemaktuelleMo-
de entsteht. Und doch ist dem
so, gibt es hier in der Michael-
straße, nun schon in der dritten
Generation,einkleinesSchnei-
deratelier, aus demebensoqua-
litätvolle wie modische Maß-
arbeit kommt und in dem noch
dazu in den vergangenen Jahr-
zehnten ungewöhnlich viele
Lehrlinge das Einmaleins der
Damenschneiderei lernten.
35, um genau zu sein, eine
beachtliche Zahl, für deren
Ausbildung Schneidermeiste-
rin Käthe Limbach aus der
Hand des Neuwieder Landrats
Rainer Kaul die Verdienstme-
daille des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland
in Empfang nehmen konnte -
aber nicht nur dafür, sondern
auch für ihr bemerkenswertes
ehrenamtliches Engagement.
„Die Leute haben sich immer
gefragt, wo ich all die Zeit her-
genommen habe,“ erzählt Käthe
Limbach lachend. „Wir sind halt
immer früh aufgestanden und
haben manchmal auch bis in die
Nacht gearbeitet, wenn irgend-
ein Auftrag fertig werden muss-
te.“ Auf diese Art undWeise hat-
te sie nicht nur genug Zeit für
Arbeit und Ausbildung („Aus
der Werkstatt ist kein einziges
Teil herausgegangen, dass ich
nicht zugeschnittenundamEnde
noch mal kontrolliert hatte!“),
sondern auch für die Tätigkeit
als Obermeisterin der Innung
(von 1982 bis 95), im Vorstand
derKreishandwerkerschaftNeu-
wied, als Gesellenprüfungsvor-
sitzende und Kreislehrlingswar-
tin, in der Vollversammlung der
HwKKoblenz,amFinanzgericht
Neustadt und im Sozialgericht
Koblenz.
Goldener Start
1927hatte derVater, einHerren-
schneidermeister, dieSchneider-
werkstatt eingerichtet. Zu Be-
ginn der 50er Jahre folgte Toch-
ter Käthe den väterlichen Spu-
ren, absolvierte inLinz eineLeh-
re alsDamen- undHerrenschnei-
derin und heiratete 1954 auch in
der Branche, ihren Mann Mat-
thias, einen Herrenschneider-
meister.1963machteKätheLim-
bach ihren Meister als Damen-
schneiderin und übernahm, zu-
sammen mit ihrem Mann, ein
Jahr später die Werkstatt - mit
gehörigem Ehrgeiz.
Der zeigte sich schon darin, dass
sie sich ab 1967 regelmäßig an
landes- und bundesweitenWett-
bewerben der Schneiderzunft
beteiligte, alljährlich beispiels-
weise an dem Wettbewerb des
Innungsverbandes des Damen-
schneiderhandwerks in Nord-
rhein-Westfalen teilnahm.
„Gleich beimerstenMal ernte-
te ich eine Silbermedaille, und
ab den folgenden Jahren gab’s
dannnurnochGoldmedaillen,”
erzählt die heute 67-jährige,
zeigt auf eine ganze Serie von
goldenen Urkunden an den
Wänden des Anproberaumes.
Das, meint sie, habe ihrer
Werkstatt nicht allein viel Re-
nommee, sondern stets auch
einen erfreulich großen Kun-
denstamm aus demKöln-Bon-
ner Raum eingetragen, „man-
che Modelle haben die Kun-
den dann gleich beim Wettbe-
werb, vom Laufsteg weg, ge-
kauft, und das war auch gut so,
denn von den Leuten hier auf
dem Land hätten wir natürlich
nicht leben können“.
Kein bisschen hausbacken
Mode vomLand, die kein biss-
chen ländlich oder hausbacken
ist. „Ganz im Gegenteil,“ ar-
gumentiert Hiltrud Limbach,
die seit 1996 den Betrieb der
Mutter fortführt, „wir sind bei
denStoffkollektionenderkom-
menden Modesaison immer
mindesten ein halbes Jahr vor-
aus und bei den Schnitten ganz
genau so.“Deshalb, erklärt sie,
habe sich ihrKundinnenstamm
auch erfreulich verjüngt. „Die
zu mir kommen, die suchen
halt das Besondere, das, was
auf ihre Person und ihren Typ
zugeschnitten ist.“
Dass Hiltrud Limbach, die mit
gerade einmal zwanzig Jahren
(!) ihren Meister machte, ne-
benbei die Wettbewerbstradi-
tionderMuttererfolgreichfort-
setzt, zeigen ihre eigenen, be-
reitsbeachtlichzahlreichenUr-
kunden. 2000 möchte sie dann
auch, wie die Mutter, einen
Damenschneiderlehrling aus-
bilden. „Bisher habe ich noch
darauf verzichtet, weil es viel
Zeit in Anspruch nimmt, wirk-
lich gut auszubilden.“
Zeit, die sich Käthe Limbach
immer genommen hat, und das
mit Erfolg. „Die Prüfung ha-
ben alle 35 Lehrlinge beim er-
sten Anlauf bestanden. Einige
haben ihren Meister gemacht
und sind jetzt selbständig oder
indenAteliers großer Firmen.“
Immer modern: 1967 präsentierte Käthe Limbach ihre Mode in
einem Bonner Hotel. „Die Kleider wurden direkt vom Laufsteg
weggekauft!“
Auch die fünfte Jahreszeit hat ihre Mode: Käthe Limbach und Toch-
ter Hiltrud Limbach, die seit 1996 den Betrieb fortführt, bei der
Arbeit an einem der Kostüme.
Gegenwärtig lernen 20 Jugendliche, darunter zwei männliche
Lehrlinge, im nördlichen Rheinland-Pfalz den Beruf des Damen-
maßschneiders. Drei Lehrlinge befinden sich in der Ausbildung
zum Herrenmaßschneider. Im Bezirk der HwK Koblenz haben 11
Lehrlinge im August 1999 eine Ausbildung als Damenmaß-
schneide und ein Lehrling als Herrenmaßschneider begonnen.
Der nächste Meistervorbereitungskurs der HwK Koblenz für Edel-
steingraveure beginnt im September 2000 in Herrstein (Teilzeit).
Infos und Anmeldung bei der HwK-Meisterakademie, Tel.: 0261/
398-400, Fax: -990, e-mail:
ternet:
Die Entwicklung der
Schulentlassjahrgän-
ge und die Notwen-
digkeit, in struktur-
schwachen Regionen
des Kammerbezirks
präsent zu sein, füh-
ren zur Einrichtung
des HwK-Berufsbil-
dungszentrums in
Bad Kreuznach: Für
überbetriebliche
Lehrlingsunterwei-
sung, Weiterbildung,
Sondermaßnahmen.
1982 – Berufsbildungszentrum Bad Kreuznach eröffnet
1...,25,26,27,28,29,30,31,32,33,34 36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,...50
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