Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 34

„Innungen (...) können zu Verbänden zusammentreten“ - so die
Reichsgewerbeordnung von 1897. Die Innungsverbände hatten die
Aufgabe, die fachlichen Interessen der in ihnen vertretenen Gewerbe
wahrzunehmen. Ihre Bezirke reichten vom Bezirk der Handwerks-
kammer bis zum ganzen Reichsgebiet. 1934/35 wurden alle Innungen
zu Reichsinnungsverbänden mit Bezirksstellen in den einzelnen
Landesteilen zusammengeschlossen. Gegen Ende des Zweiten Welt-
krieges brach auch die Fachorganisation des Handwerks zusammen.
Ab 1947 wurden die Innungsverbände wieder neu errichtet.
Heute ist der Landesinnungsverband der Zusammenschluss von
Innungen des gleichen Handwerks oder sich fachlich oder wirtschaft-
lich nahestehender Handwerke im Bezirk eines Landes. Er ist eine
juristische Person des privaten Rechts unter der Aufsicht des Wirt-
schaftsministeriums Rheinland-Pfalz. Der Landesinnungsverband hat
die Aufgabe, die Interessen des Handwerks wahrzunehmen, für das er
gebildet ist. Er unterstützt die angeschlossenen Innungen bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben. Er kann Tarifverträge abschließen und für
den gemeinschaftlichen Einkauf Genossenschaften gründen.
HinterKlostermauernmussnie-
mand vordringen, der dieGold-
und Silberschmiede in Schön-
statt besuchen möchte. Die
Werkstatt und der ihr ange-
schlossene Laden liegen in ei-
nem flachen Betonbau „ganz
normal“ gleich an der Straße,
die von Vallendar nach Höhr-
Grenzhausen führt.
Nicht nur an kirchlichen Feier-
tagen ist Schönstatt Ziel von
Pilgern undBesuchern aus aller
Welt, ideale Zielgruppe für die
Devotionalien, Kreuze und Ro-
senkränze, die in der Gold- und
SilberschmiedederSchönstätter
Marienbrüder zu haben sind.
Preiswerte Massenware, die
natürlich nicht die Ursache ist
für das hohe Ansehen, das die
Werkstatt auch international ge-
nießt.
Im Jahre 1950 wurde sie von
Paul Rotgerber, Marienbruder
und gelernter Gold- und Silber-
schmied, gegründet; Träger ist
das 1993 vom Trierer Bischof
als Säkularinstitut diözesan-
rechtlichanerkannteSchönstatt-
Institut Marienbrüder; die Ge-
schäftsleitung liegt in den Hän-
den dreier Brüder. Alle 16 Mit-
arbeiter aber sind Laien.
Freiraum für Qualität
Lebt die Werkstatt in einem
ständigen Spagat zwischen Ide-
ellem und Ökonomischem?
Michael van Ooyen, seit einem
Jahr Werkstattleiter, verneint.
In der Notwendigkeit, die bei-
den Komponenten zusammen-
zubringen, sieht er eher eine
Erleichterung.„DerideelleHin-
tergrund gewährt uns einiges
an Freiheit, weil wir nicht auf
einen so hohen Profit abzielen
müssen wie ein Unternehmen
auf dem freien Markt.“ Trotz-
dem müssten Kostendeckung
und Rücklagenbildung genau-
so gewährleistet sein wie not-
wendige Investitionen.
Auch wenn sich in den Vitrinen
ganz profane Schmuckstücke
finden,Ringe,Armbänder,Bro-
schen, Colliers: Wichtigstes
Standbein der Schönstätter
Gold- und Silberschmiede sind
Arbeiten sakraler Natur, bis
hin zur kompletten Kirchen-
innenausstattung.
Rund 90 Prozent dessen, was
die Werkstatt verlässt, ist im
Kundenauftrag gefertigt; 80
Prozent im Auftrag von Kir-
chen. „Wenn wir einen Auftrag
für einenKelch erhalten, sind zu
dessenAusführung vielleicht 40
Werkstattstunden erforderlich.
Vorausgegangen aber sind min-
destens schon zehn, fünfzehn
Stunden intensiver Kunden-
gespräche und Beratungen“, er-
zählt van Ooyen. Zeit, die man
sich nehmen müsse, seien doch
dieseGerätschaftnfüreinenganz
bestimmten Raum und Zweck
gedacht.
Mehr als Handwerk
Obwohl die Klientel der Werk-
statt eher konservativ ausgerich-
tet ist, bleibt noch Spielraum für
eigeneGestaltung.Genaudaaber
liegt eine gewisse Problematik
für sakrale Gold- und Silber-
schmiedearbeiten. Ohne Ver-
ständnis für christliche Symbo-
lik und Inhalte lässt es sich nur
schwer als Kirchengoldschmied
arbeiten. Das, gesteht Michael
van Ooyen, der selber vor 25
Jahren in Schönstatt seine Lehre
absolvierte, offen zu, sei heute
nicht mehr unbedingt gegeben,
so dass die Werkstatt ein biss-
chen „in der Luft“ hänge.
„Es reicht für einen Kirchen-
goldschmied nicht, rein hand-
werklich als Gold- oder Silber-
schmied gut zu sein - im Ideal-
fallsollteerohnehinbeideskön-
nen -, um als Silberschmied die
große Fläche, als Goldschmied
das kleine Ornament gleicher-
maßen überzeugend zu gestal-
ten.“Nicht umsonst gibt es bun-
desweitnurnochsechsKirchen-
goldschmiede, die sichganz auf
diesen Bereich spezialisiert ha-
ben. Schuld daran ist auch die
begrenzte Nachfrage. Kirchen-
gemeinden müssen ebem heute
mit dem Steuer- und Spenden-
pfennig rechnenundgreifen auf
Massenware zurück.“
Keine Massenware sind die hi-
storischenStücke, die inSchön-
statt restauriert werden. Eine
Arbeit, die ebensoviel Finger-
spitzengefühl wie Fachkennt-
nis verlangt, unterscheiden sich
beispielsweise schon frühere
Silberlegierungen in ihrer Zu-
sammensetzung erheblich von
den heute eingesetzten, haben
sich die Techniken des Vergol-
dens geändert. Einst wurde da-
bei ohne Rücksicht auf die Ge-
sundheit der Handwerker (viele
von ihnen starben deshalb be-
reits mit 30 Jahren!) mit hohem
Quecksilbereinsatz feuerver-
goldet, haltbar und risikoreich.
Das aber könne man sich, er-
klärt van Ooyen, selbst bei Ein-
satzvonaufwendigen, kostspie-
ligen Sicherheitseinrichtungen
und Rückgewinnungsanlagen
nicht mehr leisten.
Bleibt also immer dann, wenn
eine neueVergoldung erforder-
lich ist, die Galvanisierung in
der eigenen Galvanisierwerk-
statt, selbst wenn puristische
Denkmalschützer dies kritisch
sehen mögen.
Im Untergeschoss der Werk-
statt werden Entwürfe gezeich-
net, Modelle gebaut, wie dasje-
nige für dieUmgestaltung einer
neogotischen Kapelle in einem
psychiatrischen Krankenhaus.
Eines jener Projekte, die Zeit
brauchen, viel Zeit, dieman sich
in Schönstatt noch zu investie-
ren leistet.
Begehrte
Lehrstellen:
Die qualita-
tiv hochwer-
tige Arbeit
der Gold-
und Silber-
schmiede
findet bei Ju-
gendlichen
großes Inter-
esse - vor al-
lem, wenn es
um eine re-
nommierte
Werkstatt
geht.
Feinarbeit: Bei der Neuvergoldung einer alten Monstranz sind Ge-
fühl und technisches Know how gefordert.
Am 18. Oktober 1982
feiert das HwK-
Bauzentrum Richt-
fest. 1979 hatte man
mit den Planungen
für das Projekt
begonnen, das der
1974 beschlossenen
Neuregelung der
Berufsausbildung
für die Bauwirtschaft
Rechnung trägt, die
der zunehmend
wichtigen überbe-
trieblichen Ausbil-
dung eine erhebliche
Rolle zuweist.
1982 – Richtfest im neuen Bauzentrum der Handwerkskammer
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