Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 36

FleischermeisterEduardSchoe-
nau aus Simmern arbeitete 40
Jahre in der Fleischerei Colmi
in Urbar. Ende des Jahres trat
der 63-jährige in den Ruhe-
stand. Zeit für einenRückblick.
Eduard Schoenau weiß, dass er
1951 bewusst einen Beruf ge-
wählt hat „von dem man satt
wurde“. Fleischer oder Bäcker
- ein ‘Brotberuf’ sollte es sein.
Fleischer wurde er schließlich
auch deshalb, weil die „in der
Weihnachtszeit mit Schmalz-
schrift beschriebenen Schinken
in den Auslagen der Fleische-
reien“ ihn besonders faszinier-
ten. Auch, weil er sich „wohl-
fühlte“, wenn er in der Wurst-
küche von Würsten umgeben
war und ihr Duft ihm um die
Nase strich.
NachLehre undGesellenjahren
in Ahrweiler, legte er 1959 sei-
ne Meisterprüfung vor der
Handwerkskammer Koblenz
ab. Im gleichen Jahr begann er
bei Fleischermeister Heinz
Colmi. „PerAnnoncewurde von
einemangesehenenFamilienbe-
trieb, der sich vergrößern woll-
te, ein junger dynamischer Flei-
schermeister gesucht. Das hat
mir gefallen. Ein traditioneller
Handwerksbetrieb, der nach
vorn strebt und dafür auch inve-
stieren will“, sagt Schoenau.
Er hat seine Entscheidung nie
bereut. Sein Rat war immer ge-
fragt, sei es in der Lehrlingsaus-
bildung oder auch bei der Ver-
marktung der Produkte. So war
es unter der Leitung von Heinz
Colmi und so blieb es, als der
Junior Stefan 1981 in Vaters
Fußstapfen trat. Er führt den
1934gegründetenBetriebindrit-
terGeneration. „DenStefanhabe
ich als Kind aufwachsen sehen.
Er hat neben der grundsoliden
handwerklichen Ausbildung
auch das erforderliche betriebs-
wirtschaftliche Denken, um ein
Unternehmenerfolgreich führen
zu können“, lobt Schoenau sei-
nen jungenChef. Inzwischenhat
der Betrieb 30 Mitarbeiter und
Das Jahr 1949 in Deutschland.
Es herrschtHunger, Elendund
Hoffnungslosigkeit. In dieser
Zeit legt der Fleischergeselle
Wilhelm Heimann seine Mei-
sterprüfungvorderHandwerks-
kammer Koblenz ab. Im selben
Jahr gründet er in seinem El-
ternhaus in Freiendiez eine
Fleischerei.
Wilhelm Heimann und seine
Frau Lieselotte erinnern sich an
das „Abenteuer“ derGeschäfts-
gründung noch gut. „Damals
war es sehr schwer, überhaupt
eine Genehmigung zu bekom-
men und das notwendige Geld
aufzutreiben. In den ehemaligen
Stallungen richteten wir die
Wurstküche ein.DerLadenwur-
de bescheiden hergerichtet. Im-
provisation war gefragt. In den
ersten Monaten waren Fleisch-
undWurstwarenohnehinnur auf
Marken erhältlich.“ Heimann
erzählt, dass er morgens schon
um vier Uhr aufgestanden ist,
um beim Bauern das Schlacht-
vieh zu holen. „Wir haben die
Schweine auf der Strasse vor
uns her nach Hause getrieben.
Das muss man sich heute mal
vorstellen.“
1952 verwirklichte Fleischer-
meister Heimann bereits Neu-
baupläne und ließ ein Schlacht-
haus mit Wurstküche errichten.
Nach und nach modernisierte er
auch den Laden, baute neue
Kühlräume und erneuerte den
Maschinenpark. „Ich habe die
Selbständigkeit nie bereut“, sagt
er und bedauert, dass den jungen
Meistern heute oft der Mut dazu
fehlt.
Undwieder schweift der 81-jäh-
rige Wilhelm Heimann in Ge-
danken zurück. „Drei Jahre nach
meiner Lehre kamder Krieg. Ich
musste andieFront.Als ich1945
zurückkehrte, stand ich vor dem
Nichts und wusste nicht so recht
wie es weitergehen sollte. Vor-
wärts schauen und weiterma-
chen, habe ich mir damals ge-
sagt, am besten mit etwas Eige-
nem.“ Seine Frau Lieselotte, mit
der er inzwischen 58 Jahre ver-
heiratet ist, unterstützte ihn da-
bei tatkräftig. „Sie war immer
die Seele des Geschäfts.“
Seit 1952 engagiert sich Hei-
mann ehrenamtlich in der Be-
rufsorganisation. Zuerst als stell-
vertretender Obermeister, spä-
ter als Obermeister der Innung
Unterlahn und als Landes-
lehrlingswart. Ein intaktes
Innungsleben und die Ausbil-
dung der Jugend lag ihm immer
am Herzen. Im Laufe seiner ak-
tiven Zeit bildete er 14 Lehrlin-
ge aus. „Ich bin ein harmonie-
bedürftiger Mensch und liebe
die Geselligkeit“, sagt er. Die
gute Zusammenarbeit unter den
Kollegen, gegenseitigeAchtung
und Hilfe waren ihm immer
wichtig.
Gern erinnert er sich an vielfälti-
ge Veranstaltungen, so eine gro-
ßeNikolaus-Bratwurst-Party für
alle Kinder aus der Umgebung,
die er arrangiert hat: „Der
Fleischerberuf ist heute vielsei-
tiger denn je. Wurden früher
hauptsächlich Fleisch und
Wurst verkauft, gehören heute
kalte und warme Büffets sowie
der Partyservice in vielen Flei-
schereien zum Angebot. Gera-
de im Rahmen einer gesunden
Ernährung ist der Fleischer ge-
fragter Fachmann. Fleisch wird
immer gegessen, deshalb ist
unser alter Handwerksberuf
auch ein Beruf mit Zukunft.“
Fleischermeister Wilhelm
Heimann aus Freiendiez.
Ein Bild aus der Gründungszeit: Fleischermeister Wilhelm Heimann
mit Frau Lieselotte in ihrem Betrieb in Freiendiez.
beliefert über 200 Großküchen
vonKrankenhäusern, Gastrono-
mie und Warenhäusern über die
Grenzen von Rheinland-Pfalz
hinaus.
„Eduard Schoenau war kein stu-
pider Arbeiter. Er war sehr en-
gagiert, machte sich ständig Ge-
danken, wo und wie wir etwas
optimieren können. Er hat sich
mit unserem Familienunter-
nehmen imLaufe der Jahre iden-
tifiziert. Die Fleischerei Colmi
ist auch s e i n Betrieb. Hier hat
er seine Ideen eingebracht. Oft
kam er morgens und sagte: ‘Du,
Stefan, ich habe nochmals nach-
gedacht und ...’“, erinnert sich
Fleischermeister Stefan Colmi.
Auch kommunalpolitisch hat
sich Eduard Schoenau stets en-
gagiert. „Er hat morgens schon
Plakate geklebt, bevor er um 4
UhrinderFleischerei erschien“,
so sein Chef. Mittlerweile ist
der rüstige Handwerksmeister
bereits in der fünften Legisla-
turperiode im Verbandsge-
meinderat Montabaur in ver-
schiedenen Ausschüssen tätig.
Als Vorsitzender des Ortsver-
eins Simmern setzt er sich für
die Belange seiner Mitbewoh-
ner ein. Für seine politische
Arbeit wurde er mit der Ehren-
nadel des Landes Rheinland-
Pfalz ausgezeichnet.
Zwei Fleischermeister in ihremVorratskämmerchen: Stefan Colmi (l.)
und Altmeister Eduard Schoenau, der jetzt in den Ruhestand trat.
Schon rein äußerlich
wird beispielhaft die
Verbindung von
Tradition und
Moderne hergestellt:
im repräsentativen
Neubau der HwK-
Akademie am
Friedrich-Ebert-
Ring, unmittelbar
neben dem neoklas-
sizistischen Hauptge-
bäude, Ort für
Weiterbildung, die
modernsten Ansprü-
chen genügt.
1984 – HwK-Akademie bringt Bildung auf moderne Art
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