Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 29

Ortskern von Heimersheim an
der Ahr. Am kleinenMarktplatz
steht das alte Pfarrhaus von
1789, das schon vor längerer
Zeit eine neue Nutzung als Ge-
schäft gefundenhatte. Seit April
1999 ist hier Augenoptikerin
Alice Steins mit ihrem Meister-
betrieb zu Hause.
Vorangegangen war eine fünf-
monatige Umbau- und Sanie-
rungsphase, die einige Überra-
schungen ans Tageslicht brach-
te. EineWandverkleidung brach
mit dem ersten Hammerschlag
vollständig zusammen. Heute
ansprechend imLadenbereich in
Szene gesetzt: Die freigelegte
und neu verfugte Bruchstein-
wand mit Fensternische, um-
funktioniert zu einer „Leucht-
box“, die als exklusive Auslage
dient. Schon rein äußerlich wird
deutlich: Alice Steins hat ihren
Weg in die Selbständigkeit gut
vorbereitet und geplant.
Planung & HwK-Beratung
Einer der ersten Schritte dazu
bestand im Gespräch mit HwK-
BetriebsberaterUweKaufmann,
der an jedemerstenDienstag des
Monats im Haus der Kreis-
handwerkerschaft Ahrweiler ei-
nen betriebswirtschaftlichen
Sprechtag anbietet: Wo liegen
Chancen und Risiken, wie ge-
lingt das Finanzierungskonzept,
welche Standort- undMarktfak-
toren sind zu berücksichtigen ...
WeitereTerminemit demHwK-
Betriebsberater folgten.
Die Landkarte weist zwischen
Bad Neuenahr-Ahrweiler und
Sinzig/Remagen in Sachen
Augenoptik nur weiße Flecken
auf. Auf das Haus in der
Heimersheimer Bachstraße hat-
te die 33jährige Meisterin be-
reits ein Auge geworfen. Auch
wenn sie sich nicht gerade an
einer Hauptverkehrsader ansie-
delte, verspricht das Umfeld ge-
nügend Kundenpotential. Re-
cherchen zu Einwohnerzahlen
und Struktur erfolgten größten-
teils übers Internet.
Für den Heimatort ihrer Familie
sprach außerdem, dass Alice
Steins sich nicht ihrem Ausbil-
dungsbetrieb in der Ahrweiler
Innenstadt „vor die Nase“ set-
zen wollte, bei dem sie - mit
Unterbrechung 1992/93 für den
Vollzeitmeisterkurs an der
„Optonia Meisterschule für
Augenoptik und Optometrie“ in
Diez - immerhin 13 Jahre gear-
beitet hat.
Eigene Gesundheitsreform
Vor neun Monaten eröffnete
Alice Steins ihren eigenen Be-
trieb. Ihre erste Bilanz: Sie ist
mit dem Geschäftsverlauf sehr
zufrieden, individuelleBeratung
und Dienstleistung werden von
denAhrtalernangenommen.Mit
Beginnder Selbständigkeit stell-
te sie gleich Augenoptiker-
gesellin Marion Fabritius ein.
Außerdem hat sie unter
rund um die Uhr im Internet
geöffnet.
Dort präsentiert sie als clevere
Marketingstrategie auch ihre
„Antwort auf die Gesundheits-
reform(en)“, das Brillenspar-
buch: Alice Steins bietet ihren
Kunden ein Treuhandkonto an,
auf das diese regelmäßig klei-
nere Beträge einzahlen. Wäh-
rend die Kassenleistungen für
Sehhilfen sinken, wächst auf
dem Brillensparbuch mit Ver-
zinsung und ständiger Verfüg-
barkeit – alles von Finanz-
juristenabgeklopft–derGrund-
stock für die nächste Brille oder
neue Gläser. Ihre Kunden brau-
chen weder technisch noch op-
tischKompromisseeinzugehen,
damit sie nicht nur gut sehen,
sondern auch echt gut ausse-
hen.
Das Augenoptikerduo von Heimersheim: Meisterin Alice Steins (l.)
und Gesellin Marion Fabritius. Durch die Verbindung von alten und
neuen Einrichtungselementen gewinnt das Geschäft an Atmosphäre.
Blickfang im neuen Augenoptikergeschäft von Alice Steins ist die
freigelegte Bruchsteinwand aus dem 18. Jahrhundert.
DamitderStartalsHandwerks-
unternehmer gelingt, muss er
gut geplant werden - mit den
zehn Schritten in die Selbstän-
digkeit von der HwK-Betriebs-
beratung:
1. IdeezurGründungoderGe-
legenheit zur Übernahme.
2. Bestandsaufnahmeder per-
sönlichenVerhältnisse, vor
allem der Finanzierung.
3. Relevante Informationen be-
schaffen und auswerten.
4. Alternative: Neugründung
oder Übernahme?
5. Mögliche Betriebsstätten
und Standorte sondieren.
6. Auflagen und gesetzliche
Vorschriften früh klären.
7. Ermittlung des Kapitalbe-
darfs für Investitionen und
Warenausstattung.
8. Finanzierungskonzepte und
Förderprogramme ausloten.
9. Analyse der Tragfähigkeit
und Liquiditätsplanung.
10. Abschließende Entschei-
dung zur Firmengründung.
Bei diesen Schritten helfen die
HwK-Betriebsberater.
Informationen
, Tel.: 0261/
398-241, Fax: -994, e-mail:
Seit fast zehn Jahren engagie-
ren sich Augenoptikermeister
GünterEngelsundseineFrau,
Geschäftsführer von Optik
Handke,fürNotleidendeMen-
schen rund um den Globus.
Einen Schwerpunkt bildet da-
bei das „3. Kinderkranken-
haus“ in Plovdiv / Bulgarien,
eine Anlaufstelle für die ärm-
sten Menschen im Land.
Zwei Mal reiste er bereits mit
jeweils 1.500Brillen imHand-
gepäck, die seineKundennicht
mehr brauchten, dorthin. Zu-
vor waren sie in seinen Werk-
stätten aufgearbeitet worden.
Nach Reinigen und Polieren
ergänzten und reparierten sei-
ne Mitarbeiter die Brillen, um
sie anschließend zu vermessen
und zu kategorisieren. Partner
bei seinenBesuchen inPlovdiv
war der frühere Chefarzt in der
Augenklinik des Bundes-
wehrzentralkrankenhauses in
Koblenz, Prof. Dr. Günter
Andrée. Gemeinsam legten sie
selbst Hand an, um sicher zu
gehen, dass die Brillen ihre
Empfänger auch fachgerecht
erreichten.
Eine Begebenheit von dort:
Einer extrem weitsichtigen
Frau passten sie eine Brille an,
die denSehfehler nur einesAu-
ges einigermaßen korrigierte.
Was in Deutschland undenk-
bar, empfand die Frau als Ret-
tung: Endlich konnte sie ihren
Kindern wieder die Socken
stopfen - seit Jahren hatte sie
nicht so ‘klar’ gesehen.
Bis zu 3.000 aufgearbeitete
Brillen liegen in den Zweig-
stellen von Optik Handke in
Adenau, Andernach, Koblenz,
Mayen, Münstermaifeld oder
Neuwied auf Lager - und wer
zu Hause sein altes Nasen-
fahrrad noch liegen hat, darf es
gerne vorbeibringen. Schon
bald kann es in Bulgarien oder
anderswo auf der Welt einem
der Ärmsten helfen zu sehen.
Augenoptikermeister Günter
Engels (l.) von Optik Handke
in Mayen und der Chefarzt
des Kinderkrankenhauses in
Plovdiv, Dr. Bojilow.
Nach dem Berufs-
bildungszentrum in
der St. Elisabeth-
Straße eröffnet die
HwK Koblenz in der
David-Röntgen-
Straße eine weitere
modern ausgestattete
Bildungsstätte für die
überbetriebliche
Lehrlingsausbildung
in den handwerkli-
chen Ausbildungsbe-
rufen, deren Bedeu-
tung sich zunehmend
herauskristallisiert.
1974 – Neues Berufsbildungszentrum der HwK eingerichtet
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