Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 45

Karl-Heinz Scherhag, Präsi-
dent der Handwerkskammer
Koblenz und Bundestagsabge-
ordneter, hat als selbständiger
Unternehmer und Kfz-Mecha-
nikermeister aus Koblenz eine
sehr enge Verbindung zum
handwerklichen Mittelstand
und seine tägliche Praxis in
denUnternehmen.Erkennt den
Stellenwert des Meisterbriefes
auf nationaler und internatio-
naler Ebene.
HS:
In Deutschland wird im
Zusammenhang mit der Dis-
kussion über Beschäftigungs-
und Wirtschaftspolitik mitun-
ter der Meisterbrief als Hürde
genannt. Warum hält das
Handwerk am Meister fest ?
Scherhag:
InDeutschland und
Europa wird seit Jahren über
Qualitätsmanagement undZer-
tifizierungdiskutiert.DerMeis-
terbrief als Voraussetzung für
dieAusübungeinesHandwerks
ist eine Zertifizierung der Per-
son. Der Meisterbrief garan-
tiert dem Kunden hohe Quali-
tät der handwerklichen Lei-
stung.
HS:
Das Handwerk beein-
druckt durch eine vergleichs-
weise niedrige Insolvenzrate.
Besteht hier ein Zusammen-
hang zur Notwendigkeit der
Ablegung der Meisterprüfung
vor einer Existenzgründung
in einem Handwerk ?
Scherhag:
DieHandwerksord-
nungverlangt, dass jederHand-
werksunternehmer über eine
fachliche und eine unterneh-
merischeQualifikationverfügt.
Diese Voraussetzung ist eine
Ursache dafür, dass Hand-
werksunternehmenüberdurch-
schnittlicherfolgreichsind.Das
Er ist ein Stück Qualität mit Tradition: Der Meisterbrief im Hand-
werk. 1849 als „Voraussetzung für die Ausübung eines Hand-
werks“ durch die Preußische Regierung im nördlichen Rheinland-
Pfalz eingeführt, ist er Garant für eine eindrucksvolle und erfolg-
reiche Entwicklung des Handwerks in der Region bis zum heutigen
Tag, Garant auch für hohe Qualität bei der Ausführung von Arbei-
ten und eine erstklassige Ausbildung Jugendlicher. Nicht zuletzt
verbirgt sich hinter dem Meisterbrief als Schlüssel zur Selbständig-
keit die Wirtschaftskraft von allein im Kammerbezirk 17200 Hand-
werksbetrieben. Eine Erfolgsstory – die nicht durch alle erkannt
wird. Deshalb macht die Frage nach Sinn und Zweck des Großen
Befähigungsnachweises immer wieder die Runde – ausgerechnet in
einem Land, das in Sachen Meisterbrief seinen europäischen
Nachbarn als Paradebeispiel dient und laut Europäischer Union
„zur Nachahmung empfohlen“ wird.
Handwerk trägt durch die Ver-
pflichtungzumMeister dazubei,
die regionale Wirtschaft zu sta-
bilisieren,insbesonderehinsicht-
lich der Schaffung und dem Er-
halt von Arbeitsplätzen.
HS:
Ist der Meistertitel einzig-
artig in Europa ?
Scherhag:
Nein. In Österreich
und in Luxemburg hat der Mei-
stertitel dengleichenStellenwert
wie in Deutschland. Das heißt,
er ist die wichtigste Vorausset-
zung für die selbständige Aus-
übung eines Handwerks. Aber
auch z.B. in Frankreich und in
der Schweiz kann der Meisterti-
tel als Nachweis besonderer
Qualifikation erworbenwerden.
Dort ist er zwar nicht Vorausset-
zung für die Selbstständigkeit,
aber auch da zeichnen sich
Meisterbetriebe durch besonde-
re Wettbewerbsfähigkeit aus.
HS:
Warum entschließen sich
nicht mehr Länder dazu, die
Vorteile der Meisterqualifi-
kation zu übernehmen?
Scherhag:
Die EuropäischeKom-
mission hat in einer best-prac-
tice-Empfehlung das deutsche
„Wer den Meisterbrief in Frage stellt, stellt die Erfolge, die erfolgreiche
Entwicklung eines der stärksten deutschen Wirtschaftsbereiche - des
handwerklichen Mittelstandes - in Frage.“
System des Großen Befähi-
gungsnachweises herausgestellt
und zur Nachahmung empfoh-
len. Aber aufgrund von Tradi-
tionen lassen sich solch grund-
sätzlichen Dinge nicht von heu-
te auf morgen ändern. Aus unse-
„Der Meistertitel wird seinen Stellenwert in
Deutschlandbehalten.Gleichzeitigwirdes eine
immer engere Verzahnung mit anderen hoch-
wertigen Qualifikationen in Europa geben.“
ren vielfältigen Kontakten zu
anderen europäischen Staaten
wissen wir, dass z.B. in Irland
oder auch in Griechenland das
Handwerk daran interessiert
wäre, das deutsche System zu
übernehmen, da auch dort die
Vorteile gesehen werden. Irland
hat seit rund fünf Jahren gleich-
falls eine Art Duales Beruf-
sbildungssystem eingeführt und
wir hoffen, dass auch der Mei-
ster seine Verbreitung finden
wird.
HS:
Welche Entwicklung wird
der Meistertitel in Deutschland
im Zuge des zusammenwach-
senden Europa nehmen ?
Scherhag:
DerMeistertitel wird
seinen Stellenwert in Deutsch-
landbehalten.Gleichzeitigwird
es eine immer engere Verzah-
nung mit anderen hochwerti-
gen Qualifikationen in Europa
geben.
Ein Ausdruck hierfür ist die
Diskussion umdie Zusammen-
arbeit zwischen Handwerks-
kammern und Hochschulen,
insbesondere den Fachhoch-
schulen,beiderdieHandwerks-
kammer Koblenz eine Vor-
reiterrolle in Deutschland ein-
nimmt.Denn auch indenHoch-
schulen läuft eine Diskussion
um neue, internationale Ab-
schlüsse wie z.B. den Bachelor
und hier wird es in Zukunft
eine engere Beziehung zwi-
schenberufsbildendenundaka-
demischenAbschlüssengeben.
Silke Kranz, Notargehilfin aus Koblenz,
ist die jüngste Mitarbeiterin der Hand-
werkskammer Koblenz. Seit Februar ’99
verstärkt die 21-jährige das Referat
Handwerksrolle. An ihrem neuen Arbeits-
platz fühlt sie sich wohl. “Die Büroarbeit
macht mir Spaß. Sie ist sehr abwechs-
lungsreich.” Besonders gern hat die junge
Frau auch mit Menschen zu tun, sie findet
dann immer den richtigen Ton. „In der
Handwerksrolle ist immer Leben, so dass
es nie langweilig ist.“
„Silke ist sehr wissbegierig und allem
Neuen gegenüber aufgeschlossen. Sie hat
sich schnell und gut in das Team einge-
fügt“, so das Urteil der Kollegen. Auch in
ihrer Freizeit gibt Silke den Ton an. Im
Musikverein Koblenz-Güls spielt sie die
Klarinette.
Geboren am 5. Mai 1936 in
Koblenz; verheiratet, Vater
von zwei Kindern. Lehre,
Gesellen- und Meisterprü-
fung im Kfz-Mechaniker-
handwerk, 1960 Betriebs-
gründung in Koblenz-Güls,
1972 Innungsobermeister,
später Kreishandwerks-
meister der KHW Mittel-
rhein, langjähriges Mitglied
des Koblenzer Stadtrates,
seit 1988 Präsident der
Handwerkskammer Ko-
blenz, seit 1994 Mitglied
des Deutschen Bundestages
und zahlreicher Ausschüsse,
engagiert besonders in
Handwerks- und Mittel-
standspolitik.
Kein Baum muss
weichen, als im
Sommer der Bau des
HwK-Zentrums für
Umwelt und Arbeits-
sicherheit begonnen
wird. Gebaut wird
ein Niedrigenergie-
haus . Das neue
Zentrum erweitert
das Dienstleitungs-
angebot der Kammer
für ihre Mitglieds-
betriebe, berät von A
wie Abfallkonzept bis
Z wie Zukunftstech-
nologie.
1996 – Bau des Zentrums für Umwelt undArbeitssicherheit
1...,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44 46,47,48,49,50
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