Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 24

Zehn mal hört man den Kuk-
kuck rufen. Raus kommt er lei-
der nicht mehr aus seiner ural-
ten Schwarzwälder Uhr. Die
kleinen Türen klemmen. In der
Ecke schnauft die Kaffeema-
schine. Von den Regalen blik-
ken typische Familienfots aus
den letzten 80 Jahren auf die
gemütliche Kulisse, die mit ih-
rer Einrichtung irgendwann
Ende der 70 Jahre eingeschla-
fen ist. Das alles strahlt ein Ge-
fühl von „Heimat“ aus. Mitten-
drin sitzt Werner Baumann,
Fotografenmeister aus Höhr-
Grenzhausen. Für viele einer
der deutschen Top-Fotografen.
Er erzählt über seine Arbeit,
sein Leben. Und der Zuhörer
hat Probleme, Grenzen zwi-
schenbeidemzu erkennen. Sein
Leben ist seine Fotografie. Und
andersherum.
Dabei passt die Art, mit der er
erzählt, so gar nicht zu der Ein-
richtung, in der er sich befindet,
die er selbst geschaffen hat.
Spritzig ist er, schlagfertig und
auch der Humor meint es gut mit
ihm, dem 55jährigen Hand-
werksmeister. Ein agiler Wel-
tenbummler, der tagelang durch
denWesterwald fahrenkann, um
die optimaleKulisse für einFoto
zu suchen. Der auf einer Land-
straße in Irland drei Kinder foto-
grafiert, die ihm eben mal so
über den Weg laufen, stehen-
bleiben, ihn beobachten, wie er
sie beobachtet, mit den Augen
eines Fotografen.
Fotogene Sahneseiten
Oft genug spielt sich die ganze
Welt der Baumann´schen Foto-
grafie jedoch in seinerWerkstatt
ab. Dann baut er Kulissen auf,
macht ein einfaches Glas zum
Superstar. Schatten hier, Licht-
punkt da. EinTeil seines Studios
liegt gleich links hinter der
Schwarzwälder Kuckucksuhr,
die kurioserweise das krasse
GegenteilzumtechnischenStand
imbenachbartenRaumdarstellt.
Mit High-Tech entlocken Bau-
mann und seine fünf Mitarbei-
ter, darunter ein Lehrling, den
Objekten ihre fotogenen Sahne-
seiten. Per Digitalkamera geht
die Kulisse an den Computer,
der alles „online“ zeigt, was sich
vor der Linse tut. Riesige Blitz-
lichtkästen hängen fast bedroh-
lich über den oft bizarren Foto-
modellen:Gläser, Schmuck,Ke-
ramiken. Das ist die Zukunft.
Doch auch die Vergangenheit
hat bei Werner Baumann ihren
festen Platz. Da sind eine Etage
tiefer alteApparate, auf dieBau-
mann trotz aller Technik nicht
verzichten kann und will. Da ist
das Verhältnis einesWesterwäl-
der Urgesteins zu seinen Kun-
den. Da ist der Vater, von demer
immer wieder erzählt. Fotogra-
fenmeister, „und was für einer“,
der vor drei Jahren starb. Da ist
seine Kindheit, die er hier ver-
brachte, in eben dieser Kulisse,
einem Konglomerat aus Woh-
nung und Arbeitsplatz mit Seele.
„Mit vier Jahren habe ich meine
erste Kamera bekommen, eine
Leica.“ Damit der Knirps mit
demApparatfotografierenkonn-
te, malte ihm Vater Wilhelm
Baumannauf dieRinge zumEin-
stellen von Blende und Ver-
schlusszeit gelbe, blaue und rote
Punkte. „Die standen für Son-
nenschein, Nacht und Tag. Die
musste ich dann nur über einan-
der drehen.“
Kariere-Schnappschüsse
Mit diesem nötigen Rüstzeug
ausgestattet, „musste“ Werner
Baumann nun Fotograf werden.
Von 1962 bis 64 war er Lehr-
ling, sein Ausbildungsmeister
natürlich der Vater. Als Bundes-
sieger imPraktischenLeistungs-
wettbewerb war er bester deut-
scher Nachwuchsfotograf. Eine
„Pole-Position“, die für ihn im-
merMaßstab seinerArbeit war –
bis heute. Wer sich mit der
Baumannschen Titelflut ausein-
andersetzt, ist gut beschäftigt:
Handwerkshmeister, Dipl.-Ing.
für Fotografie, Dipl.-Designer
(FH). Mehrfacher Förderpreis-
und Staatspreisträger des Lan-
des Rheinland-Pfalz. Erster Fo-
tograf desBundesverbandesBil-
dender Künste. Geschäftsführer
in der Arbeitsgemeinschaft des
Deutschen Kunsthandwerks.
Lehrtätigkeit an Berufs- und
Hochschule. Sachverständiger
für Fotografie bei der HwK Ko-
blenz. Zahlreiche Austellungen
und Veröffentlichungen.
Militärspion Baumann
AndereKulisse. Frühjahr 1989.
Einreise in die DDR. Auftrag
vom „Stern“: Was tut sich im
Osten? Baumann steht am Sta-
cheldrahtzaun eines militäri-
schen Sperrgebiets und foto-
grafiert „so gar nicht heimlich“
einen russischen Flugplatz.
Kampfjets donnern über ihn
hinweg, „und noch ehe die auf-
setzten, stand plötzlich hinter
mir ein Militärjeep.“ Ein junge
Offizier fordert dieFilme, droht
mit der Beschlagnahme der Ka-
mera. „Manch einer hätte sich
in die Hosen gemacht“, doch
Baumann beginnt –mit der ihm
typischen Art – eine Unterhal-
tung. Der rege Meinungsaus-
tausch endet mit einemHände-
schütteln. Kurz danach druckt
der Stern die Bilder.
Das der Name Baumann auch
künftigfürguteFotografiesteht,
das wünscht sich der Familien-
vater von zwei Kindern. Hoff-
nungsträgerin ist Tochter Ka-
tharina, 17 Jahre. „Sie will an
der Hochschule für Grafik und
Buchkunst studieren - ausge-
rechnet in Leipzig.“ Baumann
muss herzhaft lachen.
Eine Landstraße in Irland, auf der Werner Baumann drei Kinder fo-
tografiert, die ihm „über den Weg laufen“, stehenbleiben, ihn beob-
achten, wie er sie beobachtet, mit den Augen eines Fotografen.
Fotografenmeister Werner Baumann.
Glas, so Baumann, sei eines der kompliziertesten Fotoobjekte. Mit
seinen Reflexionen, seiner Transparenz, seiner Reinheit fordert es
ein hohes Niveau der Fotografie.
Ohne digitale Daten geht nichts mehr, nicht in der Fotografie,
schon gar nicht im Internet. Die erstmals von der HwKKoblenz
angebotene Weiterbildung zum Internet-Assistenten reagiert
auf den schnell wachsenden Internetmarkt, der qualifiziertes
Fachpersonal erfordert, um seine Darstellungs- und Kommu-
nikationsformen möglichst effektiv nutzen zu können. Der mit
einem Zertifikat endende Lehrgang gliedert sich in 10 Module
mit insgesamt 390-Unterrichtsstunden und startet mit dem
Modul „Datensicherung im Netz“ am 10. März 2000. Weitere
Informationen unter Tel. 0261/398-112, Fax -990, e-mail
ternet
Trümmer, Woh-
nungsnot, Lebens-
mittelknappheit und
eine zerstörte Infra-
struktur prägen das
Bild. Wiederaufbau-
wille regt sich - auch
im Handwerk. Im
Sommer wird die
HwK Koblenz neu
begründet und Bäc-
kermeister Jakob
Ollig mit der Einbe-
rufung eines kom-
missarischen Vor-
standes beauftragt.
1945 – Nach der Zerstörung kommt der Wiederaufbau
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,...50
Powered by FlippingBook