Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 15

sich in den Klöstern der Region, die nicht nur kulturelle, sondern immer auch gewerbliche Zentren waren.
tete Stühle - aus Eisen lässt sich
vieles schmieden. Sogar Vogel-
käfige. „Neulich kam ein Ehe-
paar zu uns, die zwei Papageien
hatten. Die beiden waren ihr ein
und alles, und da wollten sie halt
auch einen besonderenKäfig für
die Tiere haben.“ So froh seien
sie über das Endergebnis dann
gewesen, dass sie freiwillig ei-
nen höheren Preis als den ange-
setzten gezahlt hätten.
ALTE TECHNIKEN
In der Werkstatt wird noch über
dem offenen Steinkohlefeuer
gearbeitet. Zwei Mitarbeiter -
insgesamt gibt es acht, darunter
zwei Lehrlinge - schmieden ge-
rade die Stäbe für ein Tor, die
nicht miteinander verschweißt,
sondern durchgesteckt werden.
Das erfordert Zeit und Finger-
spitzengefühl, sieht dafür aber
auch schöner aus. Alleswirdvon
Hand geschmiedet, Fertigteile
werden nicht eingesetzt.
Metallgürtler- oder -drücker-
arbeiten, bei denen ein Motiv
plastisch aus einem Blech her-
Unter den kunsthistorischen
Kostbarkeiten der idyllisch am
Ufer des Laacher Sees gelege-
nen Benediktinerabtei Maria
Laach finden sich auch einige
Musterbeispiele spätroma-
nischer Steinmetzkunst und
Bildhauerei.
Dazu gehört dasAtriumvor dem
mächtigenWestwerk der Abtei-
kirche, das Paradies. Eine der
ausgeformt wird, in den 60er
Jahren noch ein wichtiger Ar-
beitsbereich, gehörenheute auch
in Maria Laach eher zu den Sel-
tenheiten; an die sich Valentin
selber mit seinem Stellvertreter
Norbert Simon einmal macht.
EIN BAUM AUS EISEN
Was hier entsteht, kann sich mit
dem, was Kunstschmiede frühe-
rer Jahrhunderte schufen, durch-
aus messen. Wie das Gitter, das
die Laacher Schmiede und
Metallbildhauer für die Anto-
niuskapelleimniederrheinischen
Wallfahrtsort Kevelaer schufen:
Eine symbolische Darstellung
der Wurzel Jesse, der Abstam-
mung Jesu in Gestalt eines Bau-
mes. Mächtig, ausladend ist sei-
ne schmiedeeiserne Wurzel,
Basis für einenBaum, dennichts
erschüttern kann, dessen Krone
sich auf dem sicheren und so
solide wie meisterhaft von den
Laacher Schmieden gefertigten
Fundament prächtig und viel-
ästig verzweigen kann.
meisterlichstenSchöpfungender
deutschen Romanik, die symbo-
lische Darstellung des himmli-
schenGartenEden, dessenHerz-
stück der ‘Brunnen des Lebens’
ist. Unermüdlich steigt derWas-
serstrahl inder flachenBrunnen-
schale empor, die auf dem Rük-
ken von vier Löwen ruht, und
fällt leise plätschernd wieder in
sie herab, Bildunerschöpflicher,
nie versiegender Lebenskraft.
Christliche Symbolik, die auch
heute bei den Arbeiten aus der
1930/31 eingerichteten Stein-
metz- und Bildhauerwerkstatt
des Klosters eine erhebliche
Rolle spielt, und das nicht allein
beidenGrabsteinen,diedenWeg
des Besuchers säumen. Trotz-
demmarkieren sie einen Haupt-
aufgabenbereich, stellen unge-
fähr 60 Prozent der gesamten
Produktion; in die restlichen 40
Prozent teilen sich private und
kirchliche Aufträge.
Am Ende des Hofes liegt das
Atelier vonWerkstattleiterHans
Gerhard Biermann. Von seinem
Vater hat er die Werkstatt über-
nommen, die ganz bewusst an
eine Person und deren Stil ge-
bunden ist. Überall stehen und
hängen Modelle, fertige Arbei-
ten, Entwürfe für Altartische,
Brunnen, Plastiken, aus Holz,
Bronze oder Stein. Alle tragen
die Handschrift Biermanns, ten-
dieren eher zum Figurativen als
zum Abstrakten, erinnern in ih-
rer Kraft an die bildhauerischen
Arbeiten des Expressionismus.
Hans Gerhard Biermann ging
von 1950 bis 1953 bei seinem
Vater als Steinbildhauer in die
Lehre („Ich bin ein alter Laacher
vonKindesbeinenan!“), studier-
te dann an der Werkkunstschule
in Münster bei Professor Kurt
Schwippert und ab 1958 in Ber-
lin bei Karl Hartung, wechselte
später zur Architektur. Als er in
den 60ern die Werkstatt über-
nahm,warendieZeitenfürStein-
metze und Bildhauer günstig.
Aufträge gab es genug, verlang-
te doch die vom II. Vatikani-
schen Konzil 1964 beschlosse-
neLiturgiereformdieUmgestal-
tung vieler Kirchen.
Als Steinbildhauer und Archi-
tekt dafür geradezuprädestiniert,
nutzteBiermanndieChance, ge-
staltete Kirchen in Bassenheim
oder Niederzissen genauso um
wie Gotteshäuser in Berlin oder
Bremen, schuf neue Altartische,
Tabernakel, Ziborien. Gerade
jetzt arbeitet er wieder, unter-
stützt von drei Gesellen und ei-
nem Lehrling, an einem Altar-
tisch für die katholische Pfarr-
kirche in St. Goar. Ein wuchti-
ger, aus hellem Westerwälder
Trachyt gemeißelter Block, um-
geben von einem Fries mit den
zwölf Aposteln. „Der Pastor
wollte sie nicht mit den typi-
schen ikonographischen Attri-
buten dargestellt haben, sondern
in einer Gesprächssituation“,
kommentiert Biermann. Dass er
sich auch bei dieser Arbeit mit
teilweise sehr konkreten Vor-
stellungenderAuftraggeber aus-
einandersetzenmuss, empfindet
er nicht als Beschränkung, son-
dern als Anregung. „Für mich
war es nie ein Problem, dass ich
nicht als freier Künstler gear-
beitet habe.“ Genauso wenig
schwer fiel es ihm, sich intensiv
mit der religiösen Thematik zu
beschäftigen: „Ich lebe in dem,
was ich gestalte, und daraus wir-
ke und schaffe ich.“
NACHFOLGEPROBLEM
Das Profanere kommt trotzdem
zu seinem Recht, etwa bei einer
jüngst vor der neuen Veranstal-
tungshalle inKottenheimaufge-
stellten Stelenplastik. Oder bei
dem für einen Garten gedachten
Brunnen, an dem draußen der
Lehrling arbeitet, eineMuschel-
schale, in die ein Fisch Wasser
hineinpustet. Entwurf: Hans
Gerhard Biermann. Dass diese
Fixierung einer Werkstatt auf
eine Person nicht unproblema-
tisch ist, zeigt sich jetzt, da sich
der 65jährige mit dem Gedan-
ken trägt, „in ein oder zwei Jah-
ren die Werkstattleitung abzu-
geben“. EinenNachfolger zu fin-
den. sei nicht einfach.Vielleicht,
meint er nachdenklich und ein
bisschen wehmütig, werde die
Werkstatt, seit ihrer Gründung
praktisch ein Familienbetrieb,
sogar eine völlig andere Gestalt
und Struktur annehmen - auch
mit anderen künstlerischen und
handwerklichen Akzenten.
Eines der
jüngsten
Werke aus
dem Atelier
von Hans
Gerhard
Biermann
und seiner
Mitarbeiter
ist dieser Al-
tar für die
Pfarrkirche
in St. Goar.
Dargestellt
sind die
zwölf Apo-
stel im Ge-
spräch mit-
einander.
Umgeben von Entwürfen undBildern seiner Arbeiten gibt
Hans Gerhard Biermann der Bronzearbeit für eine
Tabernakelstele den letzten Schliff.
Westwerk der romanischen Abteikirche Maria Laach.
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