Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 9

Existenzgründer:
DerMeisterbrief ist der erste Schritt zur Selbständigkeit; ihmfolgen die in denMarkt.
„Als Angestellter war ich auf den prakti-
schen Bereich, auf die Arbeit auf den
Baustellen festgelegt. Jetzt, als selbstän-
diger Meister ist meine gesamte Qualifi-
kation gefragt.“ Und das ist der Haupt-
grund,warumsichDachdeckermeisterAl-
fredZethmeier-Karbach imSommer 1998
selbständig gemacht hat.
Er will sich fordern lassen: Von der
Kundenakquisition über die Angebotser-
stellung bis zur Ausführung der Hand-
werksarbeit. Sein Weg: „Über die Ser-
viceleistung will ich in den Markt kom-
men, nicht über den Preis.“ Das erste Jahr
ist gut gelaufen, seine abgeschlossenen
Arbeiten empfehlen ihn weiter: „Das fer-
tig gestellte Dach ist ein Stück von mir;
wenn ich nicht damit zufrieden bin, muss
es wieder runter!“, lautet seine Devise.
DieEndabnahmeerfolgtfürihnnichtdurch
die Bauleitung, er nimmt sie mit dem
Kunden gemeinsam vor.
Auf den intensiven Dialog mit dem Kun-
den zu achten, ist einer der wichtigsten
Lernerfolge aus dem „Betriebswirt des
Handwerks“, den der Dachdecker dieses
Jahr bei der HwK abgeschlossen hat. Pa-
rallel zum Start in die Selbständigkeit
setzte er sich imTeilzeitkurs hin und lern-
te – nach demMotto: Mit demTun kommt
dieNeugier.EineErfahrung,diesichdurch
seine ganze Berufskarriere zieht: Über
einen Job kam er zur Lehre, und wie er
selbst sagt, über die Lehre zum Lernen.
Damals lebt der heute36-jährigebeiWürz-
burg. Von 1988 bis 1993 besuchte er
abends die Meisterschule - inzwischen in
Kassel zu Hause -, während er als Geselle
erste Erfahrungen mit seinem Spezialge-
biet „Dachbegrünung“ sammelte. Seit
1994 lebt er mit seiner Familie imKoblen-
zer Stadtteil Güls, arbeitete zunächst als
Angestellter – nach seinen Vorstellungen
zu einseitig im Bereich der Baustellen.
17.200Handwerksbetriebe imBezirk der
HwKKoblenz. Das sind 22 Prozent mehr
als noch vor 25 Jahren. Im gleichen
Zeitabschnitt stiegendieMitarbeiterzah-
len um 30 Prozent. Heute beschäftigen
die Handwerksbetriebe hier 142.000 Ar-
beitnehmer und bilden 12.000 Lehrlin-
ge aus.
DieseGesamtzahlenverdecken jedochun-
terschiedliche Entwicklungen in den ein-
zelnen Branchen. Überdurchschnittliche
Wachstumsraten indenBetriebsbeständen
verzeichnen die Augenoptiker (165 %),
die Kfz-Betriebe (82 %), Elektroinstalla-
teure(59%),Heizungsbauer (47%),Dach-
decker (47 %) und Maschinenbauer (38
%). In diesen Handwerken stiegen die
Beschäftigten jeweils weniger stark als
die Betriebszahlen, so dass hier eine Ten-
denz zu kleineren Betrieben vorliegt. Eine
andere Entwicklung verzeichnen die
Nahrungsmittelhandwerke. Seit 1975 hat
sich die Anzahl der Bäckereien auf 612
Existenzgründer Alfred Zeth-
meier-Karbach ausKoblenz-Güls.
Aus dem Ein-Mann-Betrieb soll
einmal mehr werden.
Bis er sich sicher und langfristig
am Markt etabliert hat, wird er
noch manches Solo auf den Dä-
chern der Region geben und sich
über seine Arbeit empfehlen.
Jetzt arbeitet er im Komplettprogramm,
optimiert sein Büro mit allen Schikanen
der EDV, die ihm, wie er versichert, viel
Arbeit abnimmt.Was Zethmeier-Karbach
in der Praxis alleine nicht schafft, dafür
beschäftigt er Aushilfen: „Wenn ich je-
mand fest einstelle, will ich wissen, dass
er auch langfristig bleiben kann.“ Er weiß,
dass ermit seinemHandwerksbetriebnoch
am Anfang steht. Und das Thema Ausbil-
dung: „In meiner eigenen Lehre nahm
sich mein Chef wenig Zeit für uns. Ich
weiss, dass ich in einen Lehrling erst mal
investierenmuss.Das kann ichdann,wenn
das personelle Polster vorhanden ist.“
So bleiben dem Existenzgründer noch
genug Ziele. Er ist gut vorbereitet, wenn
die Nachfrage nach Dachbegrünungen
oder Solardächern steigt, und sieht hier
für sein Handwerk große Chancen in der
ZusammenarbeitmitanderenBerufen,wie
etwa dem Dachgärtner.
halbiert, gleichzeitig erhöhte sich dieMit-
arbeiterzahl um 25 Prozent, so dass Bäk-
kereien heute im Schnitt mehr als doppelt
so groß sind wie vor 25 Jahren. Vergleich-
bares trifft auf die Fleischereien zu. Die
Unternehmen des Baugewerbes folgten
überwiegend der eingangs beschriebenen
Entwicklung des Handwerks: Mehr und
größere Unternehmen.
Was ist in der Zukunft zu erwarten und
wie stehen die Chancen für Existenz-
gründer? Das Handwerk hat ein ausge-
prägtes Gründungsverhalten. Zuletzt stie-
gen pro Jahr rund 1.000 Meister in Betrie-
be ein, wobei Übernahmen und Neugrün-
dungen sich die Waage hielten. Marktsi-
tuation und Kapitalbedarf sind bei der
Entscheidung zwischen Neugründung
oder Übernahme ausschlaggebend. So
kommen beispielsweise Neugründungen
im Nahrungsmittelhandwerk wegen des
hohen Kapitalbedarfs und der Marktent-
wicklung nur selten vor. Dies wird auch in
der Zukunft durch die Tendenz zur Tren-
nung zwischen Produktion und Verkaufs-
stellen nicht anders werden.
Die bereits sichtbaren Marktveränderun-
gen im Kfz-Sektor - Konzentrationen, di-
rekt und indirekt erzwungen durch die
Hersteller - werden sich verstärkt fortset-
zen. Die von der europäischen Union be-
triebene Aufhebung der Markenbindung
wird daran nichts ändern. Für Gründungs-
willigeverbleibenRäumeimnichtmarken-
gebundenen Service, bei Gebrauchtwa-
gen oder Spezialisierungen auf Teilberei-
che. Für die metallverarbeitenden Hand-
werke ergeben sich hingegen gute Chan-
cen. Metallgestaltung im und am Haus
liegt im Trend. Die Konzentration der
Großunternehmen auf ihre Kerngeschäfte
eröffnet ebenfalls gute Ansätze für Zulie-
ferleistungen.Dies trifft auchauf diehoch-
technisierten Handwerke im Bereich der
Maschinen- und Aggregatsherstellung,
Wartung und Reparatur zu. In den haus-
technischen Handwerken erwartet die
HwK in Zukunft eine steigende Wett-
bewerbssituation. Technologische Ent-
wicklungen, steigenderKapitalbedarf und
Konzentrationstendenzen lassendieSpiel-
räume für Neugründungen enger werden.
Neugründer sollten ihre Vorbereitungen
auf die Selbständigkeit intensivieren. Die
Planungsphase ist die Basis für den späte-
renErfolg. DieHwKbietet allenExistenz-
gründern ihre Beratungseinrichtungen
kostenfrei an:
Tel.: 0261/398-241, Fax: -994,
e-mail:
Internet:
Schritt für Schritt
in die Selbständigkeit
Der Traum vom eigenen Betrieb be-
schäftigt Jungmeister: Eigene Ideen
umsetzen, Kunden und Partner gewin-
nen, selbständig arbeiten. Damit der
Start als Handwerksunternehmer ge-
lingt, muss er gut überlegt und geplant
werden. Die HwK-Betriebsberatung
zeigt die notwendigen Schritte auf:
1. SCHRITT:
Idee zur Gründung oder Gelegenheit,
etwa zur Übernahme.
2. SCHRITT:
Bestandsaufnahme der persönlichen
Verhältnisse, v.a. der Finanzierung.
3. SCHRITT:
Relevante Informationen müssen be-
schafft und ausgewertet werden.
4. SCHRITT:
Alternative zwischen Neugründung
und Übernahme entscheiden.
5. SCHRITT:
AngebotevonStandortenundBetriebs-
stätten sondieren.
6. SCHRITT:
Auflagen und gesetzlicheVorschriften
frühzeitig erfragen und klären.
7. SCHRITT:
Ermittlung des Kapitalbedarfs für In-
vestitionen und Warenausstattung.
8. SCHRITT:
Finanzierungskonzepte, staatlicheHil-
fen und Förderprogramme ausloten.
9. SCHRITT:
Analyse der Tragfähigkeit und Liqui-
ditätsplanung.
10. SCHRITT:
Entscheidung für oder wider eine
Firmengründung.
Bei allen diesen Schritten stehen die
HwK-Betriebsberater zur Seite:
Tel.: 0261/398-241, Fax: -994,
e-mail: beratung@hwk-koblenz
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,...30
Powered by FlippingBook