Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 11

The Race is on...
Drei Meister in der Supertourenwagenmeisterschaft / Meisterkurs für Kfz-Techniker
Benzingeruch hängt in der Luft. Filmkameras surren, Moderatorenmit ihrenMikros habenAnschluss an die
ganzeWelt. Die Reichen und Schönen sind da. Blitzeblanke Rennwagen stehen vor ihrenBoxenwie römische
Streitwagen, die Gladiatoren sitzen leger in ihren Sitzen und geben Interviews: Der
Wagen läuft super, die letzte Schwäche und da haben wir gefunden und beseitigt. Vielen Dank an die
Mechaniker. Die sitzen auf einemReifenstapel, rauchen locker ihre Feierabendzigarette und freuen sich über
die nur mit dem allernötigsten bekleideten Schönen der Boxengasse. Abends
dann rein in das Nachtleben, alle 14 Tage woanders. So muss es sein,
das wundervolle Leben eines Rennmechanikers...
Foto mit drei Meistern:
Jörg Albes, Martin Rose
und Team-Chef Ernst
Moser (v.l.)
Kfz-Techniker
auf Meisterkurs
DienächstenMeistervorberei-
tungskurse der HwK Koblenz
für Kfz-Techniker starten im
November ´99 (Vollzeit) und
Dezember ´99 (Teilzeit). Info-
Tel.:0261/398-400,Fax:-990.
Kfz-Mechanikermeister Jörg Baldes ist für
den mehr als 300 PS starkenMotor zuständig.
Ein Schreinermeister und sein Rennwa-
gengetriebe: Martin Rose.
die Selbständigkeit durch den
Kopf. Aber dieErschließung da-
mals ging nicht recht voran und
seine Arbeit heute als „Ange-
stellter ist absolut in Ordnung.“
Wer weiß, irgendwann gibt es
da eine Freundin, vielleicht Kin-
der. Dann ist die Reiserei – jedes
zweite Wochenende findet ein
Rennen irgendwo inEuropa statt
– vielleicht nicht mehr zeitge-
mäß und die Pläne für die Selb-
ständigkeit werden wieder aus
der Schublade geholt. Mit dem
Meisterbrief hätte er die Voraus-
setzung dafür.
TRAUM ERFÜLLT SICH
Rausgeholt hat diese Pläne be-
reits Ernst Moser, 38 Jahre, ver-
heiratet, zwei Kinder, Kfz-Me-
chanikermeister und Geschäfts-
führerdesRennteams„Phoenix“.
Zu Jahresbeginngründete er sein
Unternehmen – ein Traum ging
in Erfüllung. In den vergange-
nen Monaten hat man einiges
auf die Beine gestellt: zwei Wa-
gen wurden angeschafft, zwei
renommierte Fahrer und zah-
lungskräftigeSponsorengewon-
nen. Zur Zeit fahren die Wagen
mit den PilotenMichael Bartels
und Arnd Meier
auf den
Mei-
sterschaftsplätzen sieben und
acht, „bis auf Platz fünf ist noch
alles möglich“, so der Hand-
werksmeister. Nicht zuletzt die
neue, hochmodern eingerichtete
Halle zeugt vomWillenunddem
Erfolg des 38jährigen. Seine
Biografie steht, wie auch die des
dritten Team-Meisters Martin
Rose, für dieungewöhnlicheVa-
riantedes„HandwerkersmitMei-
sterbrief“: sie gründeten nicht
direkt den eigenen Betrieb, son-
dern gingen auf Wanderjahre
durch die Welt. Chef Moser
lernte auch Irak und Jorda-
nien kennen. Was hat ihn,
den Renn- sportspezia-
listen bewogen, den
Meisterbrief abzule-
gen? „Das bewerte
ich als persönli-
chen Erfolg, so-
zusagenalshohes
Ziel einer beruf-
lichen Ausbil-
dung.“ Auch die
Philosophie, die
sichmit demMei-
sterbrief verbindet,
sei Inhalt seiner Ar-
beit: Saubere, akkura-
te Handwerksleistung,
keine Improvisation, kein
Pfusch. „Bei Tempo 260 und
mehr als 300 PS Leistung kön-
nen wir uns so etwas nicht lei-
sten”, erklärt Kfz- Mechaniker-
meister Ernst Moser.
Den ungewöhnlichsten Berufs-
weg schlugMartinRose ein:Der
33jährige ist Schreinermeister.
WerdasinderNachteines Renn-
wochenendes in einer Boxen-
gasse äußert, dem sei der Raus-
schmiss gewiss. Zwischen Trai-
ning, Qualifikation und Rennen
werden der Motor gewechselt,
Schäden behoben. Alles muss
schnell gehen, alles muss
stimmen. Was sind das für
Leute, die tage-, oft nächte-
lang ein Rennauto auf-
bauen, abstimmen, war-
ten und pflegen, das im
schlimmsten Fall in der
ersten Kurve im Kies-
bett steht oder die
Kaltverformung mit ei-
ner Leitplanke hinter
sich hat, das im besten
Fall als erstes über die
Ziellinie rollt...
JörgBaldes gehört zu so einem
Team. Der 30jährige sieht mit
seiner Nickelbrille eher aus wie
ein Medizinstudent im fünften
Semester, und redet mit der dazu
passenden Sachlichkeit. Sein
„Patient“: DerMotor eines Audi
A4 des Rennteams „Phoenix“,
einen Steinwurf von der Nord-
schleife entfernt zu Hause. Der
Kfz-Mechaniker kommt aus
Adenau und ist einer von drei
Handwerksmeistern im Team,
die für Tempo in der Super-Tou-
renwagen-Meisterschaft (STW)
sorgen, der deutschenElite-Mei-
sterschaft im Tourenwagen-
sport.
HandwerksmeisterBaldes ist für
die „Seele“ des Autos zuständig,
den Motor. Läuft der nicht, ist
das Rennen zu Ende. Gelernt hat
er in einemRennteam, als Renn-
mechaniker hat er nach der Ar-
beit die Bank der Meisterschule
der HwK Koblenz gedrückt.
Was hat sich mit dem Mei-
sterbrief verändert? Eigentlich
nicht viel, sagt Jörg Baldes: Im-
mer noch macht er die Rennwa-
gen fit, und über das Innenleben
eines hochgezüchteten Renn-
motors wusste er auch vor der
Meisterprüfung bescheid. Und
spricht doch von den Möglich-
keiten, die er jetzt hat. Mit dem
neuen Gewerbegebiet am Nür-
burgring gingen ihm Pläne für
Der Schreiner wechselte vom
Holz zum Metall und ist heute
Spezialist für die Baugruppen
Getriebe und Hinterachse. „Ta-
lent, Interesse und Fähigkeit –
das muß ein guter Handwerker
verbinden; dann ist er universell
einsetzbar”, erklärt die berufli-
che Kombinationsmöglichkeit.
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