Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 20

PROBLEMZONEN
Auch mit seiner zweiten Ent-
wicklung hat der Westerwälder
ein Gespür für „klimatische
Problemzonen“bewiesen.Nicht
Bio-Abfälle werden gekühlt,
sondernChips –Computerchips.
„Einige Unternehmen arbeiten
mit Hochleistungsrechnern, de-
ren Inhalt so wertvoll ist, dass
dieComputer in feuer- und dieb-
stahlsicherenundhermetischab-
geriegeltenTresorenstehen.Die-
seAnlagenlaufenTagundNacht
und erwärmen sich dabei. Das
übliche Lüftersystem kann hier
nicht eingesetzt werden – eine
Luftzirkulation mit der Umge-
bung gibt es nicht.“ Diese High-
Tech-Rechner – einige kosten
mehr als 1 Mio. Mark – stattet
Andreas Kipping mit einer im
Tresor installierten, speziell ent-
wickeltenKlimaanlageaus.„Auf
diePatenturkundewarte ichqua-
si täglich, doch das Münchner
Patentamt hat Kapazitätseng-
pässebei der Prüfung.“EinMan-
ko, unter dem nicht nur der
Betzdorfer leidet. Und auch
wennviellästigesPapiergewälzt
wird, bevor das eine grüne Blatt
aus München endlich kommt,
nennt der Handwerker die Zu-
sammenarbeit mit demSiegener
Patentanwalt als positive Erfah-
rung des „Papierkrieges“.
Kippings Fazit: „In mittelstän-
dischenUnternehmen steckt viel
erfinderisches Potential. Wenn
ein Handwerksmeister eine Su-
per-Idee hat, von deren Erfolg er
überzeugt ist, dann sollte er vor
einer Patentanmeldung keine
Angst haben.“
Patente Handwerker:
Zwei Betzdorfer machen Tempo / Treff Erfinderclub „Junges Handwerk“ am 17. 9.
Mit steigendem Quecksilber-
stand erhöhte sich die Frequenz
der Anrufe: „Schnell, schnell,
kommen Sie!“ Also: Andreas
Kipping,49jährigerHandwerks-
meister aus dem Westerwälder
Betzdorf, rein in denWagen, die
Kisten und deren begehrten In-
halt mitgenommen und los. Ein
paarStundenspäter:DemHand-
werker steht derSchweißauf der
Stirn,seinenKundennichtmehr.
DerBetzdorferistKälteanlagen-
bauermeister. Klimaanlagen
waren der große Renner in die-
sem Sommer. „Ob Büroräume,
Privathaushalte,Tiefkühlhallen,
Prozessorküh- lung von Com-
puternoderderKühlschrankvon
nebenan – meine Einsatzorte
sind so vielseitig wie die Anla-
gen, an denen ich arbeite.“
Im Laufe der Jahre – Andreas
Kippinggründete seinUnterneh-
men nach bestandener Meister-
prüfung 1984 – hat der „Kälte-
macher“ einige Anlagen unter
seinen Fittichen gehabt, ob zur
Reparatur zwecks Installation
oder zur Neubau ganzer Syste-
me. Die „Eigenarten“ spezieller
Kühlsysteme kennt er aus dem
Eff-Eff, Voraussetzungen und
Anforderungen am Einsatzort
seiner Kunden kann er schnell
beurteilen. Kein Wunder also,
dass der Westerwälder über sei-
ne Arbeit hinaus das „eine oder
andere“ im Laufe der Jahre aus-
probiert hat. Ergebnis der Kopf-
und Handarbeit sind zwei Pa-
tentschriften; eine ist noch in der
Prüfung, die andere hat der Stadt
imnördlichstenZipfel desKam-
merbezirks der HwK Koblenz
die Urkunde mit der Patent-
nummer 196 50 301 beschert.
KALTE KÜCHE
Hinter der Nummer des Deut-
schen Patentamtes mit Sitz in
München steht eine Erfindung,
mit der sichKüchen- undBioab-
fälle kühlen lassen. Eine unge-
wöhnliche Idee mit Potential.
DennwasdemBetzdorferzugute
kommt, sind Gesetze und Ver-
ordnungen, über die er imGrun-
de selber nur staunen kann (und
auch ein bisschen den Kopf
schüttelt): Überall dort, wo Kü-
chen- und Essenreste anfallen
(können), muss eine gekühlte
Bio-Tonne stehen. Gaststätten,
Hotels, Krankenhäuser, Groß-
küchen in Betrieben – die Ab-
nehmer sind da, noch in diesem
HerbstwillAndreasKippingmit
Partnern aus dem Bereich Kü-
cheneinrichtung zusammenar-
beiten und seine patente Idee
zumStandardinzigtausenddeut-
schen Großküchen machen.
Die Chancen dafür sind nicht
schlecht, denn was bisher zur
Kühlung dieser „Abfälle“ („die
früher dem Landwirt zur Fütte-
rung überlassen wurden, dafür
hatmanamJahresende einSpan-
ferkel bekommen“), eingesetzt
wurde, bezeichnet der findige
Handwerker als veraltet, war-
tungsaufwendig und kostenin-
tensiv. Sein Edelstahlkühl-
schrank, in den die standardi-
sierte Bio-Tonne direkt hinein-
gefahren wird, verbraucht ca.
sechsmal weniger Strom und
lässt sich mit dem Hochdruck-
reiniger problemlos reinigen.
...tratUweAlzen,gelernterKfz-MechanikerunderfolgreicherTouren-
wagenpilot in der Super-Tourenwagen-Meisterschaft (STW) nicht
in die Pedalerie seines mehr als 300 PS-starken Rennwagens,
sondern in die seines Fahrrades. Der gebürtigeBetzdorfer fühlt sich
– das unterscheidet ihn von vielen seiner „monegassischen Renn-
kollegen“ – auch mit dem beruflichen Erfolg seiner Heimat ver-
bunden. Und imgrünenWesterwald läßt es sich allemal besser Rad
fahren, als im zubetonierten Monaco...
Kälte an heißen Orten: Handwerksmeister Kipping sorgt
mit speziellen Klimaanlagen dafür, dass tresorgeschützte
Hochleistungsrechner nicht ins Schwitzen kommen.
„Keine Schalter, Pumpen oder
Motoren – nur glatter Edelstahl.
Das erfüllt besser seine Funkti-
on, sieht gut aus und kostet nicht
viel.“
Ab 3.000 Mark bietet der Hand-
werker, der auf der Suche nach
Kooperationspartnern für Her-
stellung und Vertrieb ist, seinen
Bio-Kühlschrank an. Und auch
den Bereich der privaten Nut-
zung will Kipping erschließen.
„Dafür muss die Anlage noch
ein paar Mark billiger werden,
aber das kriege ich hin.“ Dann
muss niemand mehr die Nase
zuhalten, wenn er die Tonne öff-
net, die tagelang der puren Son-
ne ausgesetzt ist und oft genug
ein Eigenleben entwickelt.
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