Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 25

Persönlich:
60 Jahre im Dienste des Kuchens und der Kunden / Vom gewohnten Büro in die Bäckerei.
Irmgard Kuhlmann aus Bad
Kreuznach feiert ihr diamante-
nes Berufsjubiläum. In ihrem
entzückendenKaffeestübchenin
der Mühlenstraße, „dem klein-
stenCafévonRheinland-Pfalz“,
verwöhnt sie die Kunden seit 60
Jahren mit Köstlichkeiten vom
Feinsten.
„Geboren 1925, trat ich nach
Abschluss derVolksschule1939
als Lehrling in den elterlichen
Betrieb ein. Unser Café war eine
Filiale des bekanntenCafésKie-
fer. Hier habe ich auch die Her-
stellung vonEis von der Pike auf
gelernt.VomerstenTagderLeh-
re an stand ich an der Eismaschi-
ne, die damals noch zur Küh-
lung mit Roheis und Viehsalz
beschickt wurde, und es war für
eineVierzehnjährigekeineleich-
te Sache, das Eis bis zum Ende
fertig zu gefrieren, weil ja die
Masse, wenn sie fester wird,
mehr Widerstand bietet.“
Im Laufe der Jahre entwickelt
sie eigene Rezepte, die bei ihrer
Kundschaft sehr beliebt sind,
jedoch muss sie diesen Zweig
nach dem Katastrophenhoch-
wasser 1993 aufgeben, weil ihre
Maschine einen irreparablen
Schaden erleidet.
Nach dem Krieg lernt sie in der
Weiterbildung bei der Hand-
werkskammer auch die eigene
Herstellung von Backwaren:
„Ich beschränke das Sortiment
meines Kleinbetriebes, den ich
seit 1963 allein führe. Ich habe
die kaufmännische Berufsschu-
le in der Fachklasse Nahrungs-
und Genussmittel besucht, die
Prüfung als Fachverkäuferin
wurde aber vor der Handwerks-
kammer vorgenommen. Der da-
malige Obermeister der Kondi-
tor-Innung, Herr Bülles, nahm
die Prüfung ab und ist mir als
Irmgard Kuhlmann kurz vor der Gesellenprüfung im Jahr 1941 und 58
Jahre später in ihrem Bad Kreuznacher Café.
Irmgard Kuhlmann ist
stolz auf ihr „kleinstes
Café in Rheinland-Pfalz“.
Seit 60 Jahren verwöhnt
die Konditormeisterin ihre
Kundschaft in der Bad
Kreuznacher Mühlen-
straße mit „handgemach-
ten und 100 Prozent
naturreinen Leckereien“.
sehr jovialerHerr inErinnerung.
Wir waren sechs Mädchen, und
am Ende sagte er schmunzelnd:
„Damit die jungen Damen kei-
nenKrachbekommen,lassenwir
sie alle mit „Gut“ bestehen.“
Eins hat sie immer hochgehal-
ten: Naturrein zu backen, ohne
Härtefette, künstliche Aroma-
stoffe oder Lebensmittelfarben.
Ihr Wahlspruch: „Hier rollt die
Ware nicht vom Band, hier
schafft man noch mit Herz und
Hand.“ Und auch mit Verstand,
denn längst sind naturreineNah-
rungsmittel wieder der große
Renner bei der Kundschaft.
„Unter demMotto „Das kleinste
Café von Rheinland-Pfalz“ war
ich schon an Fernsehsendungen
des Südwestrundfunks beteiligt.
Meine Kunden haben es sehr
bedauert, dass ich seit einigen
Jahren keinen Nachmittagsbe-
trieb mehr durchführe. Ich tue
das weniger aus Altersgründen
als aus der Überlegung heraus,
dass ich doch einen recht be-
trächtlichen Nachholbedarf an
Freizeit habe, denn als Selbstän-
diger gab es in all den Jahren,
und so ist das heute noch, weder
Sonn- noch Feiertag.
Heute widme ich mich meinen
Hobbys mehr, und dies möchte
ich auch in Zukunft: Ich lese
sehr viel, meine eigene Biblio-
thekumfaßt ungefähr 2500Bän-
de, im Urlaub wird gewandert,
dann sammle ich Kochbücher,
alte Ansichtskarten von Bad
Kreuznach und – was für eine
Binnenländerin sicherlich unge-
wöhnlich ist - Marine- Mützen-
bänder. Außerdem arbeite ich
seit drei Jahrzehnten an unserem
‘Naheland-Kalender’ und den
‘Heimatblättern’ mit.“
Normalerweise wirkt sie als Sekretärin im Büro des HwK-Hauptgeschäftsführers.
Vier Tage tauschte Manuela Lamberti PC, Fax und Telefon mit einem adretten
weißen Kittel und stellte sich in der Bäckerei ihrer Eltern in Neuendorf hinter die
Theke. „Meine Mutter arbeitet im Prinzip von Montag bis Sonntag, von früh bis
spät, und da habe ich gedacht, ich könnte meinen Resturlaub dafür verwenden, dass
sie sich mal ein bisschen Freizeit gönnt,“ erklärt Manuela Lamberti ihren „Aus-
flug“ aus dem Büro in den Laden. Aber schließlich kennt sie die Arbeit von
Kindesbeinen an - ihre Eltern, Marliese und Gerd Lamberti, führen die 1898
gegründete Bäckerei in der vierten Generation und haben sie um mehrere Filialen
erweitert. „Sonntags habe ich schon immer mitgeholfen.“ Anstrengend seien die
vier Tage trotzdem gewesen, „jeden Morgen bereits vor fünf Uhr aufstehen und
abends ging es bis halb acht, bis man mit Aufräumen und Abrechnungen fertig war.
Jetzt kann ich erst richtig einschätzen, was meine Eltern und vor allem auch meine
Mutter leisten.“ Spaß gemacht habe es dennoch. „Man trifft im Laden alle
möglichen Leute und ein kleines Schwätzchen gehört im Geschäft einfach dazu.“
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