Handwerk Special Nr. 70 vom 29. September 1999 - page 12

Frauen im Handwerk
weiter auf Vormarsch
Frauen-Power:
Handwerk ist längst keine Männerdomäne mehr: Frauen behaupten sich hier meisterlich.
„Mein Vater ist Elektroinstallateur-
meister und hat einen eigenen Betrieb.
Da stellt sich die Frage der Nachfolge.
Er hat meine Berufswahl nicht be-
einflusst. Es war meine freie Entschei-
dung“, so Heidi Gasteier (26 Jahre) aus
Limburg. Zur Zeit bereitet sie sich bei
der HwK Koblenz in Teilzeit auf die
Meisterprüfung im Elektrohandwerk
vor.
„Ich habe mich immer für Technik inter-
essiert. Mein Vater hat sich auf die Instal-
lierung, Instandsetzung und Wartung von
Melkmaschinen spezialisiert. Bei seinen
Fahrten auf die Bauernhöfe habe ich ihn
oft begeitet und ihm bei der Arbeit zuge-
schaut. Ich fand es einfach spannend“,
begründet die junge Frau ihreBerufswahl.
Gelernt hat sie nach der Realschulzeit
allerdings nicht beim Vater. „Man muss
sich außerhalb orientieren, sonst gewöhnt
man sich die Eigenheiten des eigenen Be-
triebes an. Das Blickfeld verengt sich“,
sagt sie. Zwei Gesellenjahre verbrachte
sie in einem Frankfurter Unternehmen.
Die Installation von Telefonanlagen ge-
hörte zu ihrem Aufgabengebiet. „Wäh-
rend der Ausbildungwurde ich akzeptiert,
obwohl ich das einzige Mädchen in der
Berufsschule war“, erinnert sie sich. „Im
Betriebmussmankämpfen,umsichdurch-
setzenzukönnen.DieMänner trauenFrau-
en oft wenig technisches Verständnis zu
und wollen knifflige Aufgaben abneh-
men. Sie spielen dabei Kavalier. Sie müs-
sen einsehen, dass wir solche Sachen auch
allein hinkriegen. Ich möchte auch nicht,
daßmeinWerkzeugkoffer getragenwird“,
sagt sie in bestimmtem Ton.
Inzwischen arbeitet Heidi Gasteier im el-
terlichen Betrieb. Wenn die wirtschaftli-
che Situation in der Landwirtschaft sich
nicht verschlechtert, möchte sie als Mei-
sterin den Betrieb übernehmen. „Auch
wenn das nicht klappt, muss ich Kurz-
schlüsse in puncto beruflichem Aufstieg
nicht befürchten. Mein Beruf ist sehr viel-
seitig“, betont sie. In ihrer Freizeit spielt
Heidi Gasteier Klarinette. Die Harmonie
der Musik ist für sie Ausgleich zur
Funktionaltät der Technik.
Das Handwerk hat in der Familie Bernhard Tradition. Bereits der Urgroß-
vater, Großvater und der Vater von Tanja (29 Jahre) waren Steinmetze.
„Sonntags sind wir über Friedhöfe gezogen und haben Spaziergänge in
heimische Steinbrüche gemacht. Vater hat meiner Schwester und mir
immer seine neuesten Grabsteinentwürfe gezeigt“, erinnert sie sich. 1986
eröffnete ihr Vater in Lixdorf, Kreis Marburg-Biedenkopf, einen Natur-
steinhandel.
Traditionsgemäß hat Tanja Bernhard nach dem Realschulabschluss, wie
ihre Familienmitglieder, die Lehre in den Hessischen Diabas-Werken
gemacht. Dort lernte sie ihren Ehemann, ebenfalls Steinmetz, kennen.
Inzwischen arbeiten beide beimVater im Betrieb. Zur Zeit bereitet sich die
junge Frau bei der HwK Koblenz in Teilzeitform auf ihre Meisterprüfung
vor. Später plant sie, den Natursteinhandel des Vaters weiterzuführen.
Dannwird sie stärkereAufmerksamkeit auf die individuelle handwerkliche
Gestaltung von Objekten aus dem heimischen Diabas für private und
öffentliche Auftraggeber legen. Auch die Restaurierung von historischen
Gebäudeteilen reizt sie.
Den Schwerpunkt ihrer zukünftigen Arbeit als Steinmetz- und Steinbild-
hauermeisterin sieht sie in der künstlerischen Gestaltung von Grabmalen.
„Viele Menschen geben ihre ‘letzte Visitenkarte’ bereits zu Lebzeiten in
Auftrag. Stein ist unvergänglich wie die Erinnerung. Er ist Zeitzeuge - in
welcher Form auch immer.“
„Mit dem Meister-
brief habe ich etwas
Schwerwiegendes
in der Hand. Meine
beruflichen Chan-
cen steigen. Ich
kann mich zum Re-
staurator im
Malerhandwerk
fortbilden oder
mein eigener Chef
werden“, so Renate
Müldner aus Ko-
blenz, die sich zur
Zeit bei der HwK
Koblenz auf die
Meisterprüfung im
Maler- und
Lackiererhandwerk
vorbereitet.
Eigentlich wollte die 32jährige nach dem
Hauptschulabschluß„etwasmitTierenma-
chen“. Allerdings gefiel ihr auch, was ihr
Bruder von seiner Maler- und Lackierer-
lehre erzählte. So entschloss sie sich, es
ihm beruflich gleich zu tun. „Ich habe
meinen Entschluß noch nie bereut. Die
Aufgaben sind so vielfältig, dass es nie
langweilig ist“, schätzt die junge Frau ein.
17.200 Handwerksbetriebe haben der-
zeit ihren Sitz im nördlichen Rheinland-
Pfalz. Jeder achte Betrieb, das sind 12,5
Prozent, wird von Frauen geführt. Diese
Zahl ist in den letzten 17 Jahren kontinu-
ierlich gestiegen. 1981 leiteten lediglich
8 Prozent Frauen einen Handwerksbe-
trieb.
Bei den von Frauen geführten Betrieben
dominieren die Friseurunternehmen und
Schneidereien. 715 Friseurmeisterinnen
und 33 Schneidermeisterinnen sind in
der Handwerksrolle der HwK Koblenz
eingetragen.
Selbständige Meisterinnen gibt es auch
in Berufen, die lange Zeit völlig den
Männern vorbehalten waren. Dazu ge-
hören das Kfz-Handwerk, Installateur-
und Heizungsbauerhandwerk, Tischler-
Gebäudereiniger-, Glaser- und Fotogra-
fenhandwerk.
Informationen
zu statistischen Fragen bei der Hand-
werksrolle,
Tel.: 0261/398-261, Fax: -994,
e-mail:
Internet:
Besonderen Spaß macht es ihr, Wohnräu-
me farbig zu gestalten. Kundenberatung
ist für sie selbstverständlich. „Für jeden
Wohntyp gibt es bestimmte Farben. Scho-
ko-Sahne strahlt Eleganz und Ruhe aus.
Blau kühlt und beruhigt und Grün-Gelb-
töne fördern die Kreativität“, erklärt sie.
„Vielleicht sind letztere deshalb meine
Lieblingsfarben“, sagt sie schmunzelnd.
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