Handwerk Special Nr. 65 vom 25. November 1998 - page 19

Das Fleischer-Handwerk führt alte Traditionen fort und entwickelt immer neue Ideen
Neues undAltes:
Ernst Friedrich, Fleischer-
meister aus Neuwied, hat den
Sprung in die Weltspitze in
seinem Gewerk geschafft. Das
von ihm entwickelte rotieren-
de Vakuum-Pökelgerät (Ro-
Va-Pök) zur Schinkenher-
stellung ist der Renner in
zahlreichen Fleischereien in
Österreich, der Schweiz, Bel-
gien, Norwegen, Kanada und
Südamerika.
Der Schinken made by Ro-Va-
Pök wurde 1998 bei der 8. Inter-
nationalen Schinkenqualitäts-
prüfung auf der größten Flei-
scherfachausstellungderWelt in
Frankfurt mit fünf Goldme-
dallien ausgezeichnet. Er ist
mild, weil man die Salzschärfe
aufs Gramm genau bestimmen
kann, zart durch Vakuum-
pökelung und aromatisch, da
nicht mehr gewässert wird.
„Eigentlich hat alles damit an-
gefangen, daß ich unzufrieden
mit Geschmack und Farbe unse-
res Schinkenswar“, erinnert sich
Ernst Friedrich, der seit 1959
selbständig ist und inzwischen
10 Mitarbeiter, darunter zwei
Lehrlinge, hat. „Das Pökeln von
Fleisch ist eine der ältesten
Konservierungsmethoden. Es
gibt mehrere Möglichkeiten der
Pökelung, aber jedes Ergebnis
ließ bisher Wünsche offen. So
mußdasPökelgutbeimTrocken-
salzen umgeschichtet und nach-
gesalzen werden. Die Naßpöke-
lung hat den Nachteil, daß das
Fleisch zuviel Feuchtigkeit auf-
nimmt. Hohe Nebenkosten und
großerArbeitsaufwandfallenbei
gelochtes Doppelblech bedeckt
jede Lage. Das Fleisch liegt da-
durch nicht mehr aufeinander
und nimmt die Gewürze gleich-
mäßig an. Auf Messen sorgte
der Neuwieder Fleischermeister
mit seiner Erfindung für Furore.
Heute liefert Friedrich die in-
VomSauerkrauteimer zum rotierendenVakuum-Pökelgerät
Fleischermeister Ernst Friedrich und sein Ro-Va-Pök.
Mit einem neuen Verfahren, das er sich hat patentie-
ren lassen, gelingt ihm ein einzigartiger Schinken.
der Vakuumbeutelpökelung an.
Jeder Beutel muß einzeln ge-
wendet und später entsorgt wer-
den. Außerdem erfolgt die
Pökelung nicht gleichmäßig“,
erklärt der Fachmann.
Gemäß seinem Motto: „Einer,
der nicht anfängt, etwas besser
machen zu wollen, beginnt
schlecht zu werden“, überlegte
sich Friedrich ein problemloses
Pökelprinzip. „Ich habe das
Pökelgut gewürzt und in einen
Sauerkrauteimer gelegt. Der
Deckel wurde mit Löchern ver-
sehen und seine Größe so redu-
ziert, daß er in den Eimer paßt
und die Pökelware bedeckt. So
habe ich den Eimer Lage auf
Lage gefüllt und schließlich luft-
dicht verschlossen. Was weiter
geschah, bleibt mein Geheim-
nis“, erklärt der Fleischermei-
ster augenzwinkernd.
Ein Schlosser setzte seine Ideen
praktisch um und baute ein ent-
sprechendes Pökelgerät. Es
hängt frei auf einemWagen oder
Gestell und wird morgens und
abends mit einem Handgriff ge-
wendet, so daß die Eigenlake
nachobenkommt und auf’s neue
ins Pökelgut eindringt. Die
Pökelwarewird eng aneinander-
liegend, durch Winkelbleche
getrennt, eingeschichtet. Ein
zwischen patentierten Vakuum-
Pökelgeräte seinenKollegen auf
AnfragegleichmitderSchinken-
rezeptur, für die er in den letzten
Jahren 18mal den Großen Preis
der Deutschen Landwirtschafts-
gesellschaft (DLG) bekam. Mit
zahlreichen anderen Auszeich-
Renner bei Fleischermeister Ernst Fried-
rich in Neuwied ist der Patentschinken.
Sohn Bernd (l.) tritt in seine Fußstapfen.
Viermal Wilhelm und
100 Jahre Metzgerei Selbach
nungen ist seine Spezialität in-
zwischen bedacht worden.
Stolz berichtet der Fleischermei-
ster von Dankschreiben zahlrei-
cher Kollegen, die seit Einfüh-
ren seines Ro-Va-Pök-Systems
Umsatzsteigerungen erzielten.
Hätten die Mönche ge-
ahnt, daß in ihrem Klo-
ster statt karger Kost mal
deftige Spezialitäten aus
der hauseigenen Metzgerei auf den
Tisch kommen, wären sie bestimmt
im „Franziskaner“ geblieben.
Wilhelm I. Selbach und seine Frau
Martha entdeckten 1898 das ehemali-
geKloster inderHochstraße undgrün-
deten die Metzgerei mit Gaststätte.
Bis 1927 führten sie die Geschäfte,
ehe Wilhelm II. Selbach mit seiner
FrauTherese denBetrieb in die zweite
Generation führte.
Sie sorgten dafür, daß der Name
Selbach bis weit über die Grenzen der
Stadtmauer hinaus ein Begriff wurde.
Die stramme Hausmannskost im
„Franziskaner“ sowie die Fleisch- und
Wurstspezialitäten der Metzgerei lockten
schon damals auch Geschäftsleute aus
Koblenz an den Mittagstisch.
AlsWilhelm II. 1957 nach einemAutoun-
fall starb, übernahmen Wilhelm III.
Selbach und seine Frau Ursula mit an-
fänglicher Unterstützung von Mutter,
Onkel und Schwester Marie-Therese die
Firma.
Seit 40 Jahren leitet Wilhelm III. das Ge-
schäft. Er baute die Firma vom kleinen
Handwerksbetrieb zu einem mittelständi-
schenUnternehmen aus. Bis imJahre1980
der moderne Produktionsbetrieb in der
Andernacher Rasselstein-
straße eröffnet werden
konnte, waren harte Arbeit
und natürlich ein bißchen
„Schwein“ nötig. Durch die Verbin-
dung zum Andernacher Schlachthof
ist die Firma Selbach in der Lage,
täglich frische Fleisch- undWurstwa-
ren aus der Region anzubieten.
Moderne Produktionsstätte in der
Rasselsteinstraße und traditionelle
Metzgerei in der Hochstraße ergänzen
sich zu einem leistungstarken Unter-
nehmen.
Dieses geht am 1. Januar kommenden
Jahres in die vierte Generation, denn
zum Jahreswechsel übergibt Wilhelm
III. den Betrieb an seine Kinder Wil-
helm IV. Selbach und Ute Hein.
In drei Monaten zum
Fleischermeister
Der Ablauf für die Vorbereitung auf die
Meisterprüfung im Fleischerhandwerk
wurde komprimiert und neu konzipiert.
Bereits in drei Monaten können sich
Fleischergesellen jetzt auf die fachbezo-
gene Meisterprüfung vorbereiten. Start
für Teil I und II (Fachtheorie und Fach-
praxis) ist am 5. Januar 1999.
Der theoretische Unterricht findet mon-
tags und mittwochs von 17-21 Uhr, ein-
mal im Monat auch samstags statt. Der
Praxisunterricht wird wie bisher in
Blockform (zwei Wochen) erteilt.
Informationen
bei der HwK-Meisterakademie,
Tel.: 0261/398-400, Fax: -990,
e-mail:
Internet:
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