Handwerk Special Nr. 65 vom 25. November 1998 - page 24

Bei der HwK werden Lehrer zu Lernenden - und haben Freude daran
Lernen in Schule und Beruf:
Große Resonanz fanden die 22. Lehrerinformationstage, die vom 9.
bis 16. November bei der Handwerkskammer Koblenz stattfanden.
Die Schule stand erneut auf dem Prüfstand. Kompetente Bildungs-
experten, wie Prof. Dr. Rolf Arnold, Universität Kaiserslautern,
Prof. Dr. Rudi Krawitz, Universität Koblenz, und Dr. Irmgard He-
ber, diskutierten mit über 100 Teilnehmern aus Schule und Wirt-
schaft unter anderem die Frage, welche Kompe-
tenzen und Qualifikationen Kinder und Jugendli-
che heute in der Schule erwerben sollen.
Starke Resonanz bei den 22. HwK-Lehrerinformationstagen
Kreative Methoden
Die Wissenschaftler forderten
eine kommunikativ orientierte
Lernkultur. Nicht nur das Was,
sondern auch das Wie von Ler-
nen präge die Lernresultate. Die
Lehrer sollten abkommen vom
bloßenAbarbeitendesLehrplans
und sich mehr an Schüler-
interessen orientieren. Trocke-
ner Lehrplanstoff könne durch
kreative Unterrichtsmethoden
spannend und nachhaltig ver-
mittelt werden. Die Bildungs-
experten betonten einstimmig,
daß man weg vom Frontal-
unterrichtund starrenSchulstun-
den kommen muß. Vermitt-
lungsdidaktik müsse durch
Arrangementdidaktik ergänzt
werden. Besonders das impli-
zierte Lernen sei für den Erwerb
chern sollte den Schülern Zu-
sammenhänge der Phänomene
in Natur und Technik eröffnen.
Medienkompetenz
Thema der Lehrerinfotage war
auchder rasanteTechnikwandel.
Dr. Ing. Ulrich Müller, ltd. Mi-
nisterialrat im rheinland-pfälzi-
schen Ministerium für Wirt-
schaft, Verkehr, Landwirtschaft
undWeinbau, erläuterte den Zu-
sammenhangzwischenEntwick-
lungundEinführungneuerTech-
nologienundBeschäftigung.Da-
beibetonteerdieSpitzenstellung
vonRheinland-Pfalz imBereich
der Technologie. Er verwies auf
Förderprogramme,mitdenendas
Wirtschaftsministerium versu-
che, den Wandel von der Indu-
strie- zur Dienstleistungsgesell-
schaft zu unterstützen. Profes-
sor Dr. Hans-Dieter Kirchbaum,
Präsident der Fachhochschule
Koblenz, forderte Medienkom-
petenz nicht nur bei den Lernen-
den, sondern auch bei den Leh-
renden. Eine Runde mit innova-
tivenUnternehmern zur technik-
orientierten Ausbildung schuf
den notwendigen Praxisbezug.
„Es war ein Abenteuer“
Höhepunkt der 22. Lehrerin-
formationstage waren auch in
diesem Jahr Kreativworkshops
im HwK-Metall-und Technolo-
gie- sowie Bauzentrum. Unter
Anleitung von Designern und
HwK-Ausbildungsmeistern
stellten die Lehrer ihre Kreativi-
tät im Umgang mit Holz und
Metall unter Beweis. Bei der
HerstellungvonKerzenständern
undObstschalenwarenderPhan-
tasie keine Grenzen gesetzt.
„Am Anfang war ich verzwei-
felt, dann begeistert“, so Inge-
borg Adler von der Hauptschule
Kirchberg. „Ich wollte einfach
meine praktischen Fähigkeiten
testen, hatte keine Ahnung im
Umgang mit dem Material“, er-
klärt die Lehrerin für Deutsch
und Englisch. Ihr Kerzenhalter
bekommt einenEhrenplatz. „Die
Praxis kommt im Studium zu
kurz. Ich habe beide Kreativ-
workshops genutzt, um mir An-
regungen zu holen“, meint Ulri-
ke Mäder, Referendarin an der
Grund- und Hauptschule Dier-
dorf. Albert Meder, Hauptschu-
le Salz, ist bereits zum 10. Mal
dabei. In diesem Jahr hat er sich
den Kreativworkshop Holz aus-
gesucht. „Ich möchte etwas
schaffen, wo man direkt ein Er-
gebnis sieht, im Lehreralltag ist
das ja nicht die Regel.“
Fit für die Ausbildung
Den Abschluß der Lehrerin-
formationstage 1998 bildete die
Diskussion mit Landespoliti-
kern, Vertretern des Arbeitsam-
tes und der Kammer zur berufli-
chen Integration von benachtei-
ligten Jugendlichen. Doris
Bartelmes, Referentin im rhein-
land-pfälzischenArbeitsministe-
rium, betonte, daß durch Verän-
derung der beruflichen Anfor-
derungen leistungsschwache Ju-
gendliche zunehmend schlech-
tere Chancen haben, einen Aus-
bildungsplatz zu finden. Sie ver-
wies auf die steigende Zahl jun-
ger Arbeitsloser, die nicht über
eine abgeschlossene Berufsaus-
bildung verfügen. 1993 lag der
Anteil bei 50,6 Prozent, gegen-
wärtig angestiegen auf 59,1 Pro-
zent. Das Institut für Arbeits-
markt-undBerufsforschungpro-
gnostiziert, daß im Jahr 2010
nur noch 10 Prozent der Arbeits-
plätze von Ungelernten besetzt
werden können. Bartelmes un-
terstrich, daß diesem Personen-
kreis die Sorge der Landesregie-
rung gilt. Es ist dabei ein beson-
deresAnliegen,dieJugendlichen
ausbildungsfähig zu machen.
Ilka Wilbert, Leiterin der Päd-
agogischenAnlaufstelle(PA)der
HwK, berichtete aus der Praxis.
Seit vielen Jahren bereitet die
PA gemeinsam mit der Landes-
regierung und den örtlichen Ar-
beitsämtern junge Leute auf ih-
ren Start in die Berufsausbil-
dung und Arbeitswelt vor. Ge-
genwärtig schult sie 264 junge
Leute im Alter von 16 bis 20
Jahren in den HwK-Berufs-
bildungszentren in Koblenz,
Rheinbrohl, Herrstein und Bad
Kreuznach. Eine neu konzipier-
teKombimaßnahme ist modular
aufgebaut, durchlässig und mit-
einander verzahnt, so daß eine
individuelle Förderung möglich
ist. Darüberhinaus werden
Schlüsselqualifikationen wie
Verantwortungsbewußtsein,
Flexibilität und Teamgeist trai-
niert, um die Vermittlungschan-
cen auf dem Arbeitsmarkt zu
verstärken. Die stark besuchte
Veranstaltung zeigte das große
Interesse an dieser Thematik.
Abschluß eines Moduls in der neuen Kombi-Maß-
nahme der PA. Die Mädchen haben Holzbearbei-
tung kennengelernz und CD-Ständer gebaut.
Vor laufender SWR-Kamera sammeln die Teilnehmer
der Lehrerinfotage Erfahrungen im Umgang mit Holz,
angeleitet von den HwK-Ausbildungsmeistern.
von Schlüsselqualifikationen,
Lernhaltungen undSelbständig-
keit von zentraler Bedeutung.
Der Lernende müsse in die Lage
versetzt werden, bei anstehen-
den Problemen nicht auf die
Lösung ‘von oben’ zu warten,
sondern selbst - von unten - zu
handeln, Lösungsmodelle vor-
zuschlagen und eigene Lösun-
gen zuversuchen. Einigwarman
sich darin, daß die auf Schul-
niveau orientierte Fachwissen-
schaft nicht allein den Lehrplan
bestimmen dürfe. Es müsse ein
„komulativer Lernprozeß“ ein-
geleitet werden. Eine horizonta-
le Vernetzung zwischen den Fä-
Bei der
kreativen
Auseinan-
dersetzung
mit Metall
kamen
sehenswerte
Kerzenstän-
der heraus.
Den De-
sign-
Professor
Heiko
Bartels
(hinten)
erfreuen die
Ergebnisse
sichtlich.
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