Handwerk Special Nr. 71 vom 24. November 1999 - page 22

Familientradition:
Westerwälder Dachdeckerbetrieb feiert drei Generationen in seinem Handwerk.
Kaum dass sie laufen konnten,
schlugen Julian (8) und Phi-
lipp (6) bereits Nägel mit dem
Hammer in Styroporplatten
und Madeleine (4) meldet sich
am Telefon längst mit „Dach-
decker Müller, Wahlrod“. Ob
Zollstock oder Gabelstapler:
Die vierteGeneration zeigt sich
sehr aufgeweckt, wenn es um
das Handwerk ihrer Familie
geht.
Seit 1924 wächst der Dach-
deckermeisterbetriebimDorfauf
demWesterwald kontinuierlich.
Heinrich Müller begann vor 75
Jahren mit einer kleinen Werk-
statt in Haus, Schuppen und Ga-
rage, erreichte die Kunden mit
Motorrad plus Seitenwagen, in
dem er Leiter und Werkzeuge
unterbrachte. 1934 schaffte er
sich sein erstes Auto an; den
ersten LKWerwarb er nach dem
Krieg im Tausch für eine Natur-
schiefereindeckung. Mitte der
Zeittafel durch 75 Jahre
Dachdeckermeisterbetrieb Müller
HEINRICH (1902-63)
1918-20 Dachdeckerlehre
1924 Betriebsgründung
1936 Meisterprüfung
1935-55 Produktion Zementpfannen
1956-65 Produktion Lavalit-Kellersteine
1958-78 Tankstellenbetrieb
KARL-HEINZ (GEB. 1929)
1943-46 Dachdeckerlehre
1954 Meisterprüfung
1964 Betriebsübernahme
1986 Umfirmierung in GmbH
1992 Söhne Hans-Lothar u. Wolfgang werden Geschäftsführer
HANS-LOTHAR (GEB. 1957)
WOLFGANG (1958-92)
1972-75 Dachdeckerlehre
1975-77 Dreherlehre
1980 Meisterprüfung
1982-83 Dachdeckerlehre
1995 Betriebsübernahme
1987 Meisterprüfung
Betriebsgründer
Heinrich Müller
Für die HwK gratuliert der Leiter des Bauzentrums Hans-
Ulrich Brink (2.v.l.) denMüllers (v.l.): Karl-Heinz, Hans-
Lothar und seiner Frau Carmen.
Informationen
Das Dachdeckerhandwerk
qualifiziert sich in der
Bundesfach- und Meister-
schule Mayen, Tel.: 02651/
98730, Fax: 72478. Der
nächste Meisterfachkurs
(Teile I&II) beginnt dort
am 14.8.2000 (Vollzeit).
Für die Teile III&IV (Wirt-
schaft, Recht, Berufs-, Ar-
beitspädagogik) beginnen
bei der HwK am 6.1.2000
Kurse in Koblenz, Bad
Kreuznach, Rheinbrohl
und Herrstein (Vollzeit).
Der Betriebsstandort hat sich beständig weiterentwickelt:
Hier ist die erste große Erweiterung für Büro und Lager
aus der Mitte der 60-er Jahre zu sehen; der Schuppen
hinter dem Wohnhaus reichte nicht mehr aus.
50-er Jahre entstand der Neubau
für Büro und Lager, dessen
Grundriss in einigen Bauab-
schnitten bis heute mehr als ver-
doppelt wurde. Die Beschäftig-
tenzahlpendelteimmerzwischen
acht und13; einige darunter blie-
ben dem Familienbetrieb mehr
als 30 Jahre treu.
Eines hatKarl-HeinzMüller sei-
nem Sohn ins Stammbuch ge-
schrieben: „Bleib solange wie
möglich in der Arbeit auf dem
Dach. Nur wenn Du die Hand-
werkspraxis kennst, kannst Du
auch die Kalkulation im Büro
leisten.“ Das erinnert an die
Worte, die früher bereits der
Großvater dem Seniorchef mit-
gegeben hatte: „Mach gute Ar-
beit und lass dich dafür richtig
bezahlen.“ Die Auftragslage ist
gut; allerdings - das bestätigt
auch die Herbstbefragung der
HwK zur konjunkturellen Ent-
wicklung im Handwerk -, sind
die Preise imKeller. Umsomehr
müssen Qualität und Zuverläs-
sigkeit stimmen.
Hans-Lothar Müller weiß, wor-
auf es ankommt: „Die Leute
müssen fragen, wer die Arbeit
ausgeführt, und nicht, was sie
gekostet hat.“ Denn sein Kun-
denkreis setzt sich überwiegend
ausPrivatleuten zusammen. Ein-
mal wurden in einer Siedlung 19
Häuser gleicher Bauart saniert:
Nach Beginn der Arbeiten auf
dem ersten Dach zeigten die
Nachbarn Interesse; schließlich
wurde ein Info-Abend einberu-
fen, an dem auch der mitarbei-
tende Zimmermann teilnahm,
man gründete eine Interessenge-
meinschaft für die Siedlung und
vergab einen Großauftrag ...
PARTNER EINBEZIEHEN
Bewusst beschränkt sich der
Dachdeckermeister auf das, was
er gut und richtig kann. Obwohl
er die nach Handwerksordnung
‘verwandten’ArbeitenvonZim-
merern mit ausführen dürfte,
sucht er sich lieber Partner aus
diesem Gewerk; denn die haben
neben dem spezifischen Know-
how auch die nötigen Werkzeu-
ge und Maschinen. Jegliche Ar-
ten von Dacheindeckungen,
Abdichtungen, Fassaden und
Bauklempnerei führt er mit sei-
nem Team dagegen aus, darun-
ter auch Metalldacheindeckun-
gen in Stahl, Kupfer oder Zink.
Auchmit denneuestenEntwick-
lungen von Solarmodulen, die
anstelle einer Anzahl von Dach-
pfannen eingepasst werden, be-
fasst sichMüller, denndieNach-
frage nach alternativen Energi-
en wächst stark.
Die Vielfalt der Materialien und
Produkte, mit denen Ideen in die
Tat umgesetzt werden können,
macht für Hans-Lothar Müller
den eigentlichen Reiz seines
Handwerks aus. Gerade Schie-
fer bietet Raum für Kreativität,
und bei kniffligen Konstruktio-
nen echte Herausforderungen.
Müller freut sich, wenn Kunden
ihm freie Hand geben für Ge-
staltungsmöglichkeiten. Im in-
dividuellen Gespräch klopft er
den Spielraum dafür ab. Und
wenn nicht Bebauungspläne da-
gegen stehen, kommt heute auch
richtig Farbe aufs Dach.
Mehr als 15 Lehrlinge durchlie-
fen die Schule von Karl-Heinz
und Hans-Lothar Müller. Zur
Zeit schnuppert zusätzlich ein
Praktikant in das Handwerk hin-
ein, das er ab kommendemSom-
mer hier erlernen möchte.
Um die Belange seines Gewer-
kes kümmert sich Müller seit
drei Jahren auch im Vorstand
der Dachdeckerinnung Wester-
wald. Die Mitgliedschaft in die-
ser Interessenvertretung – auf
dem Westerwald ist ein über-
durchschnittlichhoherAnteilder
Betriebe in der Innung – „för-
dert die Innovationsfähigkeitder
Betriebe; im Austausch unter-
einander spüren wir Trends und
neue Entwicklungen schneller
auf undkönnen sie entsprechend
umsetzen“, erläutert der Dach-
deckermeister. Dazu gehören
Themen,wiedieEinführungvon
betriebsinternen Arbeitszeit-
konten zur Abfederung von
Schlechtwetterzeiten und die
dafür notwendige Vertrauensar-
beit bei den Angestellten. Aber
auchdieAuseinandersetzungmit
der Berufsgenossenschaft, die
seiner Meinung nach auf der
Basis überholter Statistiken die
Beiträge berechnet und die
Handwerksarbeit dadurchunnö-
tig verteuert, steht genauso auf
der Tagesordnung wie die Be-
kämpfung der Schwarzarbeit.
Hier ist es, das Logo für die
100-Jahrfeier der HwK Ko-
blenz im Jahr 2000. Entworfen
hat esDiplom-Designerin (FH)
Andrea Petry, die bei der HwK
für Gestaltungsfragen zustän-
digist.Kommunikationsdesign
war das Hauptfach der 30-jäh-
rigen im Studium. Die Bot-
schaft kommt rüber: Angeord-
net wie die Zahl 100, stehen
Hammer undSägeblatt fürTra-
ditionundHighTech imHand-
werk, das Schriftzeichen - be-
kannt aus E-Mail-Adressen -
symbolisiert die Bedeutung,
die dem neuen Multimedia-
Zeitalter auchgerade imHand-
werk zukommt.
Logo von HwK-Gestal-
terin Andrea Petry.
Die gelungeneKombinationvon
modern und traditionell in flot-
ter Aufmachung überzeugte den
HwK-Vorstand; schnell fiel die
Entscheidung unter mehreren
Entwürfen für dieses Logo.
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