Handwerk Special Nr. 71 vom 24. November 1999 - page 24

Lebensräume:
Gut aufgehobenbeimKlinik-Friseur. FörderungvonMenschenmitBeeinträchtigungen.
Friseurmeister Andy Rittinger
und sein Team aus Bendorf
verwöhnen Patienten im Ko-
blenzer Krankenhaus Ma-
rienhof.
Ob Waschen, Schneiden, Föh-
nen, Tönung, Bartschnitt, Dau-
erwelle ... montags und mitt-
wochs von 13 bis 17 Uhr heißt
das Zauberwort im Marienhof
HAIRART. ARTsteht fürAndy
Rittinger Team. Andy Rittinger
ist ein junger Friseurmeister aus
Bendorf, der die Patienten ver-
wöhnt und verschönt, ein Ohr
für ihre Sorgen hat und ihnen
mit seiner Lebensfreude und
Schwung wieder Mut macht:
„Wer wieder auf sein Aussehen
achtet, dem geht’s schon ein
Stück weit besser.“
Andy Rittinger machte seine
Lehre bei Friseur Tegelaers „in
der Zeit, als das Löhr-Center
gebaut wurde“, und wusste:
„Dort will ich einmal arbeiten.“
Bei Friseur Gesk im Löhr-Cen-
ter verbringt er „kreative Ge-
sellenjahre“, engagiert sich hier
auch während der Bundeswehr-
zeit, so dass Günther Gesk ihm
dieLeitungdes„Gesk-Headline“
überträgt.
Zwei Jahre leitet er das Head-
line, macht die Meisterprüfung
und wird später von Gesk mit
derLehrlingsausbildungbetraut.
Hier arbeitet er engmit der HwK
Koblenz zusammen, engagiert
sich im Gesellenprüfungsaus-
schuss und beim Schaufrisieren
- 6 Jahre ist er bei der Damen-
fachgruppe tätig.
Von 1990 bis 1993 lässt er sich
beiWella denWind umdieNase
wehen, ist ein Jahr lang Studio-
leiter in Erfurt und erkundigt
sich dann bei der Handwerks-
kammer Koblenz nach Chancen
in der Heimat: „Die HwK-
Betriebsbörse ist ein toller Ser-
vice, im Juni 1993 konnte ich
meinenSalonübernehmen.“Mit
seiner Frau, einer Angestellten
und einemLehrling arbeitet er in
seinem Studio in der Schloss-
straße in Engers.
Der Pflegedienstleiter des Ma-
rienhofs bietet Andy Rittingers
Eltern, selbst Friseure mit eige-
nem Salon auf der Moselweißer
Straße in Koblenz, den Friseur-
service im Marienhof an - sie
geben das Angebot weiter, und
ihr Sohn engagiert sich gern:
„Es kommen Herz-Kreislauf-
patienten, Unfallpatienten aus
der Chirurgie oder Frauen aus
der Gynäkologie; für Kranke ist
es eine Wohltat, wieder einen
gepflegten Kopf zu haben.“
Sicher trägt auch das Gespräch
mit dem Friseur zur Genesung
bei, so dass Krankewieder in die
eigene Welt zurückkehren kön-
nen.
Friseurmeister Andy Rittinger bei der Arbeit in seinem
Salon in Neuwied-Engers. Zweimal wöchentlich steht er
den Patienten im Koblenzer Marienhof zur Verfügung.
Informationen
Die HwK-Betriebsbörse
enthält Angebote und Gesu-
che zu Betrieben, Betriebs-
leiterstellen, Gewerberäu-
men, Maschinen ...
Tel.: 0261/398-241, Fax:
-994, e-mail:
Psychosozialer Dienst (PSD) informiert
Schwerbehinderte und psychisch Kranke können vom
Diakonischen Werk fachkundige Hilfe bekommen. Der
PSD ist ein ambulanter Fachdienst für begleitende Hilfen
im Arbeitsleben in Trägerschaft des Diakonischen Wer-
kes. Gearbeitet wird im Auftrag der Hauptfürsorgestelle
des Landes. „Behinderte stehen im Arbeitsleben oft Pro-
blemen gegenüber, die von ihnen selbst nicht zu bewälti-
gen sind. In Einzelgesprächen und Beratungen, aber auch
bei Hausbesuchen wird Hilfe gegeben, wenn sich der
Betreute am Arbeitsplatz überfordert fühlt. Wir versu-
chen dann zusammen mit dem Arbeitgeber eine Lösung
zufinden“,erklärtDiplom-SozialpädagogeThomasMühl-
hausen, zuständig für die Menschen, die imWesterwald-
und im Rhein-Lahn-Kreis ihren Arbeitsplatz haben. Be-
gleitet werden können Schwerbehinderte ab 50 Prozent
Grad der Behinderung. - Info-Tel.: 02663/94300
Das Statistische
Landesamt meldet
311705 Schwerbeschädigte
allerAltersstufen gab es zum
31.12.97 inRheinland-Pfalz.
Nach Angaben des Statisti-
schen Landesamtes in Bad
Ems wurden 94400 Reha-
bilitanten gezählt. Von ih-
nen stehen rund 55000 im
Erwerbsleben: 900Selbstän-
dige, 1500 Landwirte, 130
Beamte, 17000 Angestellte,
35 000 Arbeiter und 650
Auszubildende. Der Anteil
schwerbehinderter Arbeit-
nehmer ist inden letzten Jah-
ren kontinuierlich gesunken
und macht einen Anteil von
6 Prozent bei öffentlichen
und 4 Prozent bei privaten
Arbeitgebern aus. Damit
liegt Rheinland-Pfalz noch
über dem Durchschnitt im
Bundesgebiet West.
Das Arbeitsamt unterstützt
Dieter Kirsch, 1. Berufsberater Reha im Arbeitsamt Koblenz,
betont, dass Betriebe auf der Grundlage von § 33 Schwerbehinder-
tengesetz Lohnkostenzuschüsse erhalten. Gewährt werden bis zu
80 Prozent des Arbeitsentgeldes. Im 2. und 3. Förderjahr - bei
Schwerbehinderten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, auch
im 4. und 5. Förderjahr - verringert sich der Zuschuß um jeweils 10
Prozent. Die Leistungen können bis zu drei Jahre mit je 20 Prozent
nach dem Landessonderprogramm Rheinland-Pfalz aufgestockt
werden.
Auch bei befristeten Arbeitsverträgen können ggf. Zuschüsse für
die Hälfte der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses erbracht
werden, längstens für drei Jahre. Die Zuschüsse betragen bis zu 70
Prozent des Arbeitsentgeldes. Wichtig ist, dass vor Einstellung von
Schwerbehinderten das Arbeitsamt einzuschalten ist. Arbeitssu-
chend- bzw. Arbeitslosmeldung der Schwerbehinderten vor dem
Ereignis ist Voraussetzung.
Arbeitgeber können für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung
vonBehinderteninAusbildungsberufenZuschüssezurAusbildungs-
vergütung erhalten, wenn die Aus- oder Weiterbildung sonst nicht
zu erreichen ist. Die Ausbildungszuschüsse sollen regelmäßig 60
Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung für das letzte Aus-
bildungsjahr nicht überschreiten.Auch für einebehindertengerechte
Ausstattung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen können Zu-
schüsse gewährt werden. - Info-Tel.: 0261/405350
Hauptfürsorgestelle berät
Friedhelm Gerber, Leiter der Zweig-
stelle in Koblenz: „Behinderte sind
voll leistungsfähig, wenn der Arbeits-
platz der Behinderung entspricht oder
technische Hilfsmittel die Einsatzfä-
higkeit Behinderter verbessern.“ Ger-
ber verweist beispielsweise auf einen
sprachgesteuerten Computer, den die
Fürsorgestelle für einen blinden Ar-
beitnehmer bewilligte. „Finanzielle
Quelle ist die Ausgleichsabgabe. Sie
ist keine Steuer, sondern eine Abgabe
der Arbeitgeber besonderer Art, die
von den Hauptfürsorgestellen zweck-
gebunden verwaltet wird“, so Gerber.
- Info-Tel.: 0261/40411
Daniela Schwotzer ist eine
selbstbewusste junge Frau. Sie
legte im HwK-Bezirk die beste
Prüfung als Raumausstatter
ab. Im Praktischen Leistungs-
wettbewerb der Nachwuchs-
handwerker hatte sie auf
Kammerebene die Nase vorn.
In ihrer Freizeit surft sie im
Internet oder erkundet mit ihrem
Freund die Natur. Sie fährt Auto
und träumt von Reisen in ferne
Länder. Nichts unterscheidet die
24-jährige von ihren Alters-
gefährten. Und doch ist es für sie
weitaus schwieriger im Alltag
zurechtzukommen. Daniela
Schwotzer ist gehörlos.
Ihr Handicap merkt man der le-
benslustigen Frau erst an, wenn
sie beim Gespräch gebannt an
den Lippen ihres Gegenübers
hängt. Sie liest dieWorte ab und
setzt die Gebärdensprache ein.
„Die Behinderung wurde bei
Daniela imAlter von einem hal-
ben Jahr festgestellt. Sie hat die
Gehörlosenschule in Berlin be-
sucht und dort den Realschul-
abschluss gemacht. Die Berufs-
wahl war jedoch eingeschränkt.
„Kreativ arbeiten, mit den Hän-
den schaffen und dabei eigene
gestalterischeIdeeneinbringen“,
definiert sie ihre damaligen
Berufsvorstellungen. Deshalb
kam sie von der Spree an den
Rhein, um im Berufsbildungs-
werk Heinrich-Haus Neuwied
eine Ausbildung als Raum-
ausstatter zu machen. Dort ist
man auf die berufliche Rehabili-
tation hörgeschädigter junger
Menscheneingestellt.Raumaus-
stattermeister Arthur Bomm,
Mitglied im Gesellenprüfungs-
und Meisterprüfungsausschuss
der HwK Koblenz, lobt seinen
ehemaligen Lehrling. „Daniela
ist sehr engagiert und versucht
mit den Augen zu kompensie-
ren, was die Ohren versagen.“
Zur Zeit arbeitet die junge Ge-
sellin im Atelier Saphir in
Rengsdorf. Sie näht Gardinen
und andere Dekorationen für
Büroräume und privateKunden.
Malai Bambullis, ihre Chefin,
beschreibt sie als fleißig und
korrekt. „Sie ist sehr aufmerk-
sam und begreift schnell. Zeich-
nungen erleichtern die Verstän-
digung“, so Bambullis.
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30
Powered by FlippingBook