Handwerk Special Nr. 60 vom 11. Februar 1998 - page 16

Partnerschaftsprojekte
os Valy schaut über den
Rand seiner Brille, sucht
sich eine passende Punze
und hämmert weiter. Seit sei-
nem 16. Lebensjahr treibt Ros
Valy Figuren und Ornamente
in Silber. Heute ist er 63 Jahre
alt. „Die Augen“, sagt er in
brüchigem Französisch, „sie
wollen nicht mehr.“ Fast klingt
es wie eine Entschuldigung für
ein weniger gelungenes Stück.
Dann klopft der alte Herr wei-
ter auf das Silber ein. Als er
schließlich sein Werk zur Be-
gutachtung freigibt, greifen die
Fachleute zur Lupe. „Es ist un-
glaublich“, faßtMartinaDempf
ihre Überraschung in Worte.
„Mit bloßem Auge kann man
diese feinen Blüten und Orna-
mente gar nicht recht erken-
nen.“ In ihrer Hand liegt eine
Brosche mit einer Apsara, der
klassischen Tempeltänzerin
der Khmer. Ganze fünf Zenti-
meter hoch ist das Medaillon
und von einer nahezu unwirk-
lichen Perfektion.
„Meisterhaft“, sagt Dempf be-
wundernd. Selbst Schmuck-
Designerin, führt sie für die
HwKKoblenz inder laotischen
Hauptstadt ein Seminar zu Pro-
duktentwicklungundSchmuck-
design durch. Die HwK be-
treibt in Laos ein Partner-
schaftsprojekt mit der lokalen
Handelskammer. Ein Schwer-
punkt ist die Förderung des tra-
ditionellen Kunsthandwerks.
Durch Gestaltungs- und Ferti-
gungsberatung werden einhei-
mische Kunsthandwerker an-
geregt, ihren Waren den Kick
zu geben, der ausländische
Kunden überzeugt. Da ein ähn-
liches Projekt in Kambodscha
vorbereitet wird, wurden auch
TeilnehmervondortnachVien-
tiane eingeladen.
Für Martina Dempf ist diese
Aufgabe nach ähnlichen Ein-
sätzen inAfrika undAsien kein
Neuland: „DieWerkstättenhier
sind ordentlich ausgestattet,
und die Mehrzahl der Silber-
schmiede verfügt über solide
Fachkenntnisse.“Vor allem im
Ziselieren, dem Treiben von
feinen Mustern in weiche Me-
talle, entwickelten die Laoten
wie die Kambodschaner hohe
Meisterschaft. Große Schalen
und Vasen legen davon Zeug-
nis ab. Im Workshop aber galt
es, diegroßflächigenOrnamen-
te in kleine Form zu bringen:
Broschen, Kettenanhänger,
Knöpfe. Keine leichte Aufga-
be, denn die viel kleineren Ge-
genstände stellen andere An-
forderungen an Form- und
Proportionsgefühl.
Auch an Neues wagen sich die
Schmiede. Aus traditionellen
Stoffmustern wird die Vorlage
für eine Silberbrosche. Ein
Kettenanhängerwirdnichtvom
Ziselieren allein. Sauberes Lö-
ten, gelungeneFassungen, glat-
te Rückflächen, funktionieren-
de Scharniere und Haken be-
stimmen den Gesamteindruck
beimKunden genau so, wie die
kunstfertige Vorderansicht.
Ros Valy, der Ziselierkünstler
aus PhnomPenh, stößt an seine
Grenzen. Der stets zum Scher-
zen aufgelegte Mann, der in
nur sechs Stunden ein Kunst-
werk in Silber treibt, legt die
Stirn kraus. Schon fast zwei
Tage sägt, feilt und lötet er an
einer Broschennadel, die seine
Apsara an die seidenbetuchte
Brust einer feinen Dame hef-
ten soll. Als Nadel und Haken
endlichordentlichsitzen,strah-
len nicht nur seine Goldzähne.
„Bisher“, so ein Teilnehmer,
„haben die Händler nur die
üblicheQualitätbestellt.“ „Bis-
Seit zwanzig Jahren engagie-
ren sich gesellschaftspoliti-
sche Institutionen in der Ent-
wicklungshilfe. Sie verfügen
über den Sachverstand, der
vor Ort dringend zum wirt-
schaftlichen und sozialen
Aufbau benötigt wird. Die
Bundesregierung stellt ihnen
Teile des Entwicklungshilfe-
haushalts zur Verfügung. Sie
führen in eigener Verantwor-
tung Maßnahmen durch und
geben regelmäßig Rechen-
schaft über die Verwendung
der Mittel.
Die HwK Koblenz führt über
ihre Ost-West GmbH mit Fi-
nanzierung des Bundesmini-
steriums für Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ) Pro-
jekte inBosnien-Herzegowina,
Bulgarien, Vietnam, Laos,
Kambodscha und im Senegal
durch. Dazu gehört der Aufbau
vonAusbildungszentren, inde-
nen Weiterbildungsveran-
staltungen für Betriebe durch-
geführt werden, die Qualifizie-
rung von Personal, um Aufga-
ben in der Selbstverwaltung
wahrzunehmen, oder der Dia-
log mit hochrangigen Vertre-
tern aus Politik undWirtschaft,
um diese für die Bedürfnisse
der Betriebe zu sensibilisieren.
Die HwK greift dabei auf ihre
Erfahrung und Kompetenz zu-
rück und trägt wichtigen ord-
nungs- und gesellschaftspoliti-
schen Gesichtspunkten in den
jeweiligen LändernRechnung.
Arbeitsplätze werden geschaf-
fen und der oft schwache, für
ein gesundes politisches wie
wirtschaftlichesKlimasowich-
tige Mittelstand wird gestärkt.
DadieProjektlaufzeit auf sechs
Jahre beschränkt ist und ‘nur’
Hilfe zur Selbsthilfe geleistet
werden kann und soll, arbeitet
dieHwKmit einemPartner vor
Ortzusammen:Wirtschaftsver-
bände oder Kammern, aber
auch staatliche Einrichtungen.
Nach Ablauf des Projekts soll
die PartnerinstitutionMaßnah-
menselbstdurchführenundihre
Interessen vertreten können.
Dabei betreut ein Mitarbeiter
der Ost-West GmbH das Pro-
jekt, plant den Projektablauf
und koordiniert alle Maßnah-
men mit dem Partner und den
Mitarbeitern, die in Koblenz
für die fachliche Steuerung der
Projekte zuständig sind.
Aus dem Engagement von
Bund und Handwerkskammer
Koblenz zieht auch der deut-
scheMittelstand einenNutzen:
Für die hiesige wirtschaftli-
che Entwicklung ist es wich-
tig, daß in den Entwicklungs-
ländern Arbeitsplätze entste-
hen, eine gesunde Wirt-
schaftsstruktur mit kräftigem
Mittelstandwächst und stabi-
le politische Verhältnisse
herrschen. Ferner können
über die Projekte außenwirt-
schaftliche Kontakte und In-
formationen gewonnen wer-
den, die den Betrieben in Zu-
sammenarbeit mit den HwK-
ExportberaternunddemWirt-
schaftsministeriumsinMainz
vermittelt werden.
Informationen
zu den Auslandspro-
jekten der HwK auf
dem Markt der Mög-
lichkeiten am 14./15.
Februar 1998; dort ist
die Ost-West GmbH
mit einem Stand vertreten.
Projektpartnerschaften über die Ost-West GmbH der HwK
HwK Koblenz unterstützt traditionelles Handwerk in Laos
Das Partnerschaftspro-
jekt wird vom Bundes-
ministerium für wirt-
schaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung
finanziert und durch
die Stiftung für wirt-
schaftliche Entwicklung
und berufliche Qualifizie-
rung gGmbH (SEQUA) rea-
lisiert. Durchführende Ein-
richtung ist die HwK.
Informationen, Tel.: 0261/
398-124, Fax: -997, e-mail:
her“, hält ein Händler dagegen,
„lieferten die Silberschmiede
stets das alte Niveau. Ich habe
zwar neues gefordert, konnte
aber nicht zeigen, wie es ge-
macht wird.“ So sieht die Welt
doch ganz anders aus: Keiner
der Teilnehmer kapituliert vor
denungewohntenArbeitsabläu-
fen, alle entwickeln eigene Ide-
en. Eine neue Chance, denn mit
demTagesverdienst von5Mark
war niemand zufrieden. Mit der
Urkunde haben sie einiges hin-
zugelernt. Das Design Center
des Projekts in Vientiane wird
Ausstellungenveranstaltenund
mit Hotels und Galerien der
Stadt zusammenarbeiten.Auch
für die Herstellung von Kon-
takten speziell nach Deutsch-
land steht das Zentrum zur
Verfügung.
Im HwK-Work-
shop von
Martina Dempf
in Hanoi.
Vor Ort Hilfe
zur Selbsthilfe
geben, ist das
Ziel der auslän-
dischen Partner-
schaftsprojekte.
R
Das HwK-Partnerschafts-
projekt hilft beim Aufbau
eines wirtschaftlichen
Mittelstandes in Laos, so mit
mit neuen Schulungs-
einrichtungen. Und selbst der
63jährige Altmeister Ros Valy
lernt hier noch dazu.
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