Handwerk Special Nr. 60 vom 11. Februar 1998 - page 6

Innovatives Handwerk
Gut dreingeschaut: Fensterbauer und ihre Fenster
it ihrer Einrichtung füh-
ren Häuser nicht nur ein
„Innenleben“ - ihre äu-
ßere Erscheinung spricht eine
ebenso klare Sprache. Archi-
tektur,Baumaterial,Farbe,Fen-
ster. „Fenster sind die Augen
eines Hauses, und Augen sind
der Spiegel der Seele“. Die
„Seelenklempner“ des Hand-
werks und ihre Patienten.
Fenster als Spiegel zur Haus-
seele - das hört sich poetisch
an. Doch wer sich von Schrei-
nermeister Jürgen Zmelty sei-
ne „Lagerhaltung“ 600 histori-
scher Fenster und 600 alter
Türen erklären läßt, weiß, daß
es dem Handwerker weniger
umPoesie geht als vielmehr um
reale Handwerksarbeit. Histo-
rischen Baumaterialien, Ein-
richtungsgegenständen undde-
renErhalthat sich JürgenZmel-
ty verschrieben. Das fängt in
den eigenen vier Wänden an.
Zusammenmit seiner Frau und
den drei Kindern lebt er in ei-
ner alten Mühle bei Braubach.
Das Bauwerk anno 1675 hat er
in Verjüngungskur geschickt,
mit alten Baustoffen und mo-
dernenBearbeitungsmethoden.
Wenn alles fertig ist, soll hier
ein Museum Einblick in die
Ideenwelt desHandwerkers ge-
ben, „aus vorgefundenen Bau-
materialien neue Gebrauchs-
und Kunstgegenstände zu ge-
stalten“ - so schreibt ein Buch
über den Braubacher. Wie das
inder Praxis funktioniert?Wird
in der Region ein altes Gebäu-
de abgerissen oder renoviert,
begutachtet Schreinermeister
ZmeltyTürenundFenster:Wie
alt sind sie, in welchem Zu-
stand - sind sie erhaltenswert?
DieSammelleidenschaftmacht
sich inzwischen im eigenen
Haus „breit“. Große
Fenster, kleine Fenster,
runde, eckige, stehend,
hängend, nebeneinan-
der aufgereiht, alte und
ganz alte - „das datiert bis 1700
zurück.“ Abnehmer der aufpo-
lierten Oldies sind Besitzer
denkmalgeschützter Bauten,
aber auch in Neubauten finden
diealtenTürenundFensterVer-
wendung. Fachliche Verstär-
kung hat Zmelty durch einen
Gesellen und einen Lehrling,
ein weiterer Jugendlicher soll
ab 1998 ausgebildet werden.
Im gleichen Handwerk
und ebenfalls mit einer
gehörigen Portion Idea-
lismus ist auch das Un-
ternehmen Krischer aus Ober-
zissen zuhause. Doch hier wird
der Produktionsablauf eher
Trend, den wir aufhalten wol-
len“, beschreibt Schreinermei-
ster Hary Krischer die Marke-
ting- undProduktionsstrategie.
Daß es Handwerksmeister Kri-
scher und seine 16 Mitarbeiter
ernst meinen, beweist ihr neuer
Fenstertyp„modul 4“. „Schwä-
chen herkömmlicher Holzfen-
ster und ihrer Bauweise wer-
den ausgeschlossen, ´modul 4´
läßt sich kostengünstiger her-
stellen, ist qualitativ überlegen
und sieht besser aus“. Undweil
dieEifelanervonihrerEntwick-
lung wissen, daß sie gut ist,
haben sie „modul 4“ patentie-
ren lassen, bauen ein bundes-
weites Vertriebsnetz auf und
wollen bis zum Jahresende ´98
als Musterbetrieb Franchise-
Geber sein. „Die regionale Be-
dienbarkeit mit einheitlichem
Standard bei Herstellung und
VertriebunseresFenstertyps ist
der Schlüssel des wirtschaftli-
chenErfolges“,beschreibtErek
Gaudian, Marketing-Experte
im Unternehmen, das Erfolgs-
konzept. Gearbeitet wird mit
der 6-Meter-Stange und an ei-
nem CNC-Bearbeitungszen-
trum. Eine Eckverbindung aus
recycletem Kunststoff verbin-
det die Hölzer und macht das
Fenster haltbarer und witte-
rungsbeständiger. Der Schrei-
nerbetrieb gibt seinem Fenster
eine 10-Jahresgarantie mit auf
denWeg - einNovumfürHolz-
fenster.
Handwerker aus dem Rhein-
Lahn-Kreis gehören zu den
Gewinnern des outputorien-
tierten Innovationspreises des
Landes Rheinland-Pfalz. Dag
Heuser, 30jähriger Werkzeug-
machermeister, hat mit dem
Fensterbau nicht viel zu tun,
baut aber Maschinen, mit de-
nen Holz- und Kunststoffen-
ster schneller, genauer und ef-
fektiverhergestelltwerdenkön-
nen. Im Unternehmensbereich
Fensterbau hat Bruder Ralph
das Kommando, den Familien-
betrieb leitet Vater Volkmar.
Die Idee, in einem Unterneh-
mensbereich Fertigungsma-
schinen für einen anderen zu
entwickeln, hatten die Mieh-
lener bereitsMitte der 80er Jah-
re. 1990 feierte das jetzt ausge-
zeichneteBearbeitungszentrum
seine Geburtsstunde. Die enge
ZusammenarbeitzwischenMa-
schinen- und Fensterbau unter
einem Dach macht Sinn, denn
keiner kennt die Fertigungs-
probleme eines Unternehmens
besser als das Unternehmen
selbst. So ist der Zuschnitt der
achtKunststoffteilefüreinFen-
ster ein Produktionsabschnitt,
der sich im Zehntelmillimeter-
bereich abspielt, die Einarbei-
tung von Löchern für Ver-
schraubungen, Entwässerung,
Belüftung und Verdübelungen
inklusive. 35 Mitarbeiter sind
im Unternehmen mit der Pro-
duktion von Fenstern und Tü-
ren aus Holz, Aluminium und
Kunststoff sowie der Entwick-
lungvonFertigungsanlagenbe-
schäftigt. Und den nächsten
Kandidaten für den Innova-
tionspreis hat DagHeuser auch
schon in der Werkhalle stehen:
Dann soll eine Rahmen-Glätt-
Maschine das Rennenmachen,
„die finde ich eigentlich noch
viel genialer als den diesjähri-
gen Preisträger...“
M
Guten Durchblick im Fensterbau hat das
Oberzissener Erfolgsduo „Handwerker-
Marketing-Experte“: Schreinermeister
Hary Krischer und Erek Gaudian (rechts)
durch Fensterneubau, innova-
tive Ideen in Planung, Ferti-
gung und Vertrieb bestimmt.
„In den letzten 20 Jahren hat
das Holzfenster mehr als 50
Prozent Marktanteil an das
Kunststoffenster verloren - ein
Innovationen und Fensterbau
haben auch im Handwerksun-
ternehmenHeuser ausMiehlen
einen festen Platz. Und das mit
Brief und Siegel, denn die
Mit dem outputorientierten
Innovationspreis des Landes
Rheinland-Pfalz fördert das
Landerfolgreiche Innovations-
projekte mittelständischer Un-
ternehmen, die einen hohen
Minister belohnt Innovationen
Praxisbezug nachweisen. Der
mit mehr als 1 Mio. Mark do-
tierte Preis ging u.a. an drei
Handwerksunternehmen aus
dem nördlichen Rheinland-
Pfalz:DasMaschinenbauunter-
nehmen Leiß (Burgbrohl, Ver-
marktung einer Vorrichtung
Entwickelt für den Fensterbaubereich im Familienbetrieb Heuser die
preisgekrönte Fensterbearbeitungsmaschine: Werkzeugmachermeister
Dag Heuser aus Miehlen.
Holten sich bei
Minister Rainer
Brüderle die
Innovationspreise
ab: Dag Heuser
(links) und Heinz
Heymann.
zum Markieren von Fehl-
stellen für Stahlbänder, Foli-
en, etc.), den Karosserie- und
Fahrzeugbaubetrieb Hey-
mann (Geisig, Herstellung
vonTransportkoffern fürRei-
sebusse) sowie das Maschi-
nenbauunternehmen Heuser
(Miehlen, Entwicklung und
Bau eines Stab-Bearbeitungs-
zentrum im Fensterbau).
Infos zum Innovationspreis
1998 gibt die HwK-Betriebs-
beratung, Tel. 0261/398-249.
Schreinermeister Jürgen Zmelty sorgt für
den Erhalt historischer Fenster und Türen.
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