Handwerk Special Nr. 74 vom 12. April 2000 - page 15

Ende des 19. Jahrhunderts: Erste überbetriebliche Unterweisungen.
Seit den 1850er Jahren
gab es spezielle Fortbil-
dungsschulen für Hand-
werker, die Kenntnisse in
Lesen, Schreiben, Zeich-
nen, Rechnen und Buch-
führung vermittelten. Das
Interesse daran nimmt nur
langsam zu; 1887 führen
die Koblenzer Barbiere,
Friseure und Perücken-
macher eine überbetriebli-
che Unterweisung einmal
pro Woche ein.
Der Krieg hatte schwere Spu-
ren am Sayner Schloss hinter-
lassen, ein Wiederaufbau
schien lange in unerreichba-
rer Ferne.
Aus den herabgestürzten De-
cken waren im Laufe der Jahre
bereits Bäume gewachsen, an
dem schutzlos Wind und Wet-
ter ausgesetzten Mauerwerk
hatte vor allem auch von der
Bergseite her eindringende
Feuchtigkeit heftig genagt. Al-
lenfalls der Turm des Schlosses
Sayn mit seiner zwar stilistisch
nicht ganz passenden, aber doch
markanten barockenHaube ließ
noch etwas von vergangener
Pracht ahnen.
In den 80er Jahren unternah-
men Alexander Fürst zu Sayn-
Wittgenstein-Sayn und seine
Frau, Fürstin Gabriela, erste
Versuche, ein Konzept für den
Wiederaufbau und eine neue
Nutzung des Schlosses zu fin-
den. „Ich fühle mich einfach
dazu verpflichtet, das von den
Vätern Ererbte zu bewahren“,
begründet der Fürst seinen Ent-
schluss. Was zäh und mühevoll
begann, neigt sich jetzt, dank
des Engagements des Fürsten-
paares, dank der finanziellen
Unterstützung des Landes, sei-
nem guten Ende zu.
Bedeutung fürArbeitsmarkt
Seit einigen Monaten wird
Schloss Sayn „revitalisiert“. Ein
15-Millionen-Projekt, an des-
sen Realisierung, genau wie in
den Zeiten Girards, die Hand-
werker der Region entscheidend
beteiligt sind. „Es ist ausgespro-
chen erfreulich, dass wir so vie-
len heimischen Handwerksbe-
trieben Aufträge geben konn-
ten, obwohl wir uns natürlich
am günstigsten Angebot orien-
tieren mussten“, kommentiert
der Fürst.
Handwerker erneuerten und er-
gänzten das alte, aufgrund sei-
ner vielen verwendeten Mate-
rialien reichlich Probleme
bietetende Mauerwerk, sie ver-
putzten es, bewältigten auch
dabei, wie der Darmstädter Ar-
chitekt Stefan Schmilinsky,
Mitglied des federführenden
Architektenkonsortiums, erläu-
tert, erhebliche Schwierigkei-
ten, bedingt durch die in die
Mauern von der Bergseite her
eingedrungene Feuchtigkeit.
Dachstühle mussten neu errich-
tet, Dächer gedeckt, Leitungen
und Rohre verlegt werden, um
die neue Nutzung des Gebäudes
zu ermöglichen, das künftig u.a.
gastronomischen Zwecken, als
Akademie und Standort des
Bendorfer Stadtmuseums die-
nen soll.
Neue Nutzung - alter Glanz
Eine Art Knotenpunkt all dieser
Nutzungen wird, erklärt der
Fürst, als wir mit ihm zusam-
men den Bau besichtigen, das
großzügige Treppenhaus sein,
in dem auch die alte, noch in
Teilen erhaltene Stuckver-
zierung wiederhergestellt wer-
den wird, reizvoller Kontrast zu
der betont modernen Ergän-
zung. Den Geist des 19. Jahr-
hunderts widerspiegeln werden
dagegen die Säle, Räume für
unterschiedlichste Feste und
Veranstaltungen, mit kostbaren
textilen Wandbespannungen,
Stuckdecken, Möbeln und Ge-
mälden aus demBesitz des Fürs-
tenhauses.
„Wir müssen das Schloss mög-
lichst intensiv nutzen, um die
hohen Investitionen zu recht-
fertigen“, so der Fürst realis-
tisch. Schließlich sind bis jetzt
auch rund fünf Millionen aus
der fürstlichen Privatschatulle
in die Revitalisierung geflos-
sen, mehr als doppelt soviel wie
ursprünglich geplant, „und es
deutet einiges darauf hin, dass
es dabei noch nicht bleiben
wird“.
Denkmalwürdige Anlage
Lohn aller Mühen: in einem
Vierteljahrwird sichdas Schloss
tatsächlich wieder beleben und
in ein paar Jahren, dann, wenn
auch die Straße nach Stromberg
wie geplant auf die andere Seite
des Schlossparks verlegt ist, er-
neut Mittelpunkt eines Ensem-
bles ausArchitektur, zuder nicht
zuletzt, wie schon im 19. Jahr-
hundert, auch die von Carl Lud-
wigAlthans (1788-1864) höchst
modern im „eigenthümlichen
Eisen-Bau-Styl“ errichtete
Sayner Hütte gehört, und Land-
schaft sein, das als Nationales
Kulturdenkmal unter Schutz
gestellt wurde und nun alle
Chancen hat, sich zu einemech-
ten touristischen und kulturel-
len Highlight der Region zu
entwickeln.
Blick in das Innere des Schlosses, das zum Teil wieder
mit alten Möbeln eingerichtet wird.
Es geht wieder aufwärts mit
dem Schloss, scheint Fürst
Alexander zu Sayn-Witt-
genstein einem der Hand-
werker zu signalisieren.
„Dernier cri“ der Neogotik
sei das Sayner Schloss ein-
mal gewesen, wie diese er-
haltenswerten Stuckreste
beweisen.
Marc Dobschal
aus Dornberg,
26 Jahre, Kfz-
Technikerhandwerk:
„Es macht mir viel
Spaß mein Wissen an
andere weiterzugeben.
Um selbst einmal
Lehrlinge ausbilden
zu können, muß ich
erst meinen Meisterti-
tel haben.“
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