Handwerk Special Nr. 73 vom 16. Februar 2000 - page 13

Juli 1957 - Betriebsberatung der HwK Koblenz vom Start weg gefragt
Zunächst gab es kritische
Stimmen, dann widerlegt der
Erfolg rasch alle Skeptiker
der frischgebackenen be-
triebswirtschaftlichen Bera-
tungsstelle der HwK, die ko-
stenlos z. B. in Fragen der
Finanzierung, Kalkulation
und Organisation berät.
„Alles, bis hin zur Schraube
oder Niete, hat eine Funktion
für das Design des Ganzen.“
Bei Schmiede- und Schlosser-
meister Thomas Schneider aus
Seibersbach/Hunsrück entste-
hen Geländer, Tore oder auch
Skulpturen nicht einfach. Er
gestaltet sie, formt sie mit dem
Hammer aus dem Eisen, als
hätte er Knete in Händen.
Immer wieder ist er selbst faszi-
niert von der Präzision beim
Schmieden: „Ich kann jeden
Schlag genau kontrollieren und
platzieren.“ Manchmal braucht
er alleine zwei Tage, um das
richtige Werkzeug dafür herzu-
stellen, Hämmer mit unter-
schiedlich geformten Prall-
flächen, in Größe und Gewicht
verschieden.
Industriewerkzeuge sind dafür
nicht fein genug gearbeitet, ha-
ben nicht die erforderliche
Materialdichte. Härter müssen
sie sein als das zu schmiedende
Material, auch dann, wenn sie
dabei Wärme aufnehmen. Wo
sich die Gelegenheit ergibt,
übernimmt der Metallgestalter
alte, grobe Schmiedewerkzeu-
ge, manchmal gar Eisenbahn-
schienen, um daraus s e i n
filigranes Instrument zu formen.
Unikate, manchmal für nur ei-
nen Arbeitsgang gebraucht.
Licht und Schatten
„Besonders der Wechsel von
Licht und Schatten gibt einem
Gegenstand Plastizität“, be-
schreibt der Kunstschmied sei-
ne Vorliebe für U- oder T-Pro-
file, wo andere Rund- oder
Vierkantrohre verwenden. Die
Beere einer Traube im Tor zum
Weinkeller gestaltet er durch
eine Vertiefung, die den Gitter-
stab an dieser Stelle verbreitert
- und doch kommt sie dem Be-
Wer macht was ...
Der Schlosser sägt, fräst,
schleift, feilt oder biegt das
Metall.
Der Schmied dagegen ver-
formt es plastisch unter Zu-
hilfenahme von Druck und
Wärme.
trachter optisch entgegen. So
gerät selbst der Gebrauchsge-
genstand zur Kunst.
Seine Entwürfe macht der 39-
jährige Thomas Schneider alle
von Hand. Nicht weil er mit
CAD-Programmen nicht umge-
hen könnte, sondern weil seine
Zeichnungen dieTiefenwirkung
und Dreidimensionalität besser
wiedergeben. Und schneller ist
er mit dem Bleistift außerdem.
Im HwK-Zentrum für Restau-
rierung und Denkmalpflege in
Herrstein hat er sich in einem
Zeichnen-Kurs eigens dafür fit
gemacht.
International anerkannt
Die Karriere des jungen Huns-
rückers begann „normal“: mit
der Schlosserlehre beim Vater.
1983 legte er die Meisterprü-
fung als Schmied ab, zwei Jahre
später die als Schlosser. Über
die Begabtenförderung im
Handwerk besuchte er 1983 für
drei Monate das „Europäische
Zentrum für Handwerk in der
Denkmalpflege“ in Venedig.
Umgute Schmiedearbeiten ken-
nen zu lernen, schloss sich ein
„Lehr- und Wanderjahr“ u.a. in
Tirol an, in dem er sich vor
allem mit Treibarbeiten befass-
te.
Auf internationalen Kongres-
sen, Wettbewerben und Festi-
vals für Kunstschmiede ist Tho-
mas Schneider nicht nur Stamm-
gast; regelmäßig gehört er auch
zu den Preisträgern. 1990 ge-
wann er den ersten Preis in
Helfstyne/Osttschechei mit ei-
ner Skulptur, die die sich aus
dem Bruch mit dem Kommu-
nismus entfaltende Demokratie
darstellte. „First international
Festival of Iron“ in Cardiff/
Wales oder Weltkongress der
Schmiede in Aachen oder
Schmiedewettbewerb im Rah-
men der 13. Europäischen Bi-
ennale der Schmiedekunst in
Stia bei Florenz ...
Die Arbeit im Hunsrück samt
Umland vergessen er, zwei Ge-
sellen, ein Lehrling und seine
Frau im Büro über das interna-
tionale Engagement allerdings
nicht. Sein Ziel: Mit seinem
Handwerk Zeugnisse zu gestal-
ten, die auch von nachfolgen-
den Generationen epochal ein-
geordnet werden können.
Traditionelles Handwerk
für moderne Gestaltung:
Thomas Schneider heizt
dem Eisen im Schmiede-
feuer ein, um es dann in
die zugedachte Form zu
„kneten“.
Licht und Schat-
ten machen den
Reiz bei der
Gestaltung von
Geländern oder
Toren aus.
Herkömmliche
Industrieprofile
ergeben - nach-
dem sie durch
Thomas Schnei-
ders Feuer ge-
gangen sind und
von ihm geformt
wurden - indivi-
duelle, plasti-
sche Formen.
Schon
als Kind
war ich
in der el-
terlichen
Schrei-
nerei un-
terwegs
und habe
später
mitgehol-
fen. Holz
macht
mir ein-
fach viel
Spaß.
Tobias
Leyendecker,
19-jähriger
Tischler
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