Handwerk Special Nr. 73 vom 16. Februar 2000 - page 8

Als Johannes Gutenberg um
1440 den Buchdruck erfand,
ging das nicht von heute auf
morgen. Und auch die Arbeit
imBuchdruckerhandwerk spä-
terer Jahre beanspruchte ne-
ben Gründlichkeit und hand-
werklichem Geschick eines be-
sonders: Zeit.
Die meisten Zeitungen wurden
noch bis 1980 in einzelnen Blei-
buchstaben gesetzt, Wort für
Wort, Seite für Seite, Tag für
Tag. Auch das nahm viel Zeit in
Anspruch. Die modernen Gu-
tenbergs, dieheutigenBuch- und
Siebdrucker arbeiten immer
noch gründlich, handwerklich
meisterhaft undhabendabei eine
nie dagewesene Vielseitigkeit
mit Hilfe modernster Maschi-
nen entwickelt. Doch die Uhren
laufen
nun
schneller.
„Die Vorberei-
tung von manchem Buch, man-
chem Plakatentwurf oder Wer-
beflyer dauert oft Wochen oder
Monate. Aber genau dann, wenn
die Entwürfe für ihreVervielfäl-
tigung über unsere Schwelle
kommen, dann muss alles ganz
schnell gehen.“ So ist das nicht
nur in seinem Betrieb, sagt Jür-
gen-Lutz Kreye. Ob große
Zeitungsdruckereien oder der
handwerklicheBuch- oder Sieb-
druck – überall, in allen Berei-
chen gelten die gleichen zeitli-
chen Spielregeln. Stören tut ihn
das nicht, und irgendwie hat er
seine Mentalität dem Zeitfaktor
angepasst. Ruhelos marschiert
der Siebdruckermeister durch
sein Koblener Unternehmen,
immer auf der Suche nach einer
Beschäftigung – Berufskrank-
heit. Dynamik als Zeichen aber
auch dafür, dass ihm seine Ar-
beit Spaß macht, und das seit
vielen Jahren.
Druck der Planwirtschaft
Das spätere Handwerk wurde
dem1947 geborenen Sohn eines
selbständigen Druckers und ei-
ner Ärztin bereits in die Wiege
gelegt, vierKreye-Generationen
verdienten sich schon zuvor mit
ihmihrenLebensunterhalt.Auch
der Opa war Drucker und Verle-
ger, in Neustadt an der Dosse in
der Nähe von Brandenburg pu-
blizierte er eine Tageszeitung.
Die heile Welt der Familie fand
mit der Enteignung und der
DDR-Planwirtschaft in der sow-
jetischen Besatzungszone ein
jähes Ende. 70 Prozent, so das
Angebot der sozialistischen
Wirtschaftsstrategen, seien dem
Staat zu überschreiben, 30 Pro-
zent blieben – kontrolliert – im
Besitz der Familie. Grund, ein
Jahr vor dem Bau der Mauer in
Koblenz eine neue persönliche
und berufliche Existenz aufzu-
bauen.
Leckere „Tiegelsuppe“
„Geschenkt wurde uns nichts,
die ersten Jahre waren hart“, so
das Resümee des heute erfolg-
reichen Unternehmers, der über
30Mitarbeiter undLehrlinge be-
schäftigt und das gute Betrieb-
klima besonders herausstellt.
Vom ersten Sitz in Moselweiß
zog dieDruckerei in dieKoblen-
zerAltstadt, später nachLützel –
Zeichen der ständigen Betriebs-
expansion. In den „Gründerjah-
ren“ des Familienunternehmens
wollte Jürgen Kreye beruflich
eigeneWegegehen
und Koch werden.
Dass er heute sein
„Süpplein“ als Unter-
nehmer am „Drucker-
tiegel” kocht, hat er größ-
tenteils seinemVater zu verdan-
ken. „Der schickte mich in die
SiebdruckerlehrenachFrankfurt
am Main.“ Bereits zwei Jahre
später offenbarte ihmVaterKre-
ye, er wolle sich spontan aus
seinemBeruf zurückziehen. „Ich
sollte den Betrieb übernehmen,
aber das war für mich als 25jäh-
rigen ohne Meisterbrief und be-
triebswirtschaftliche Grundla-
genkentnisse gar nicht so ein-
fach“,erinnertsichJürgenKreye.
„Aber die, sagte mein Vater,
wolle er mir nach Feierabend
und am Wochenende beibrin-
gen.“
Schließlich kümmerten sich an-
dere um die Vermittlung dieses
Wissens: Bei der HwK Koblenz
legte der Handwerker denMeis-
terbrief ab, parallel holte er sich
im „Betriebswirt des Hand-
werks“ das betriebswirtschaftli-
che Rüstzeug, dass er noch heu-
te hoch schätzt. „Karl-Jürgen
Wilbert, heute HwK-Hauptge-
schäftsführer, war einer der Re-
ferenten, ein Mitschüler der
KoblenzerKonditormeisterBau-
mann “, erinnert sich Jürgen
Kreye an seine illustrenMitstrei-
ter junger Tage.
Mit acht Mitarbeitern begann
seine Zeit als Chef des eigenen
Unternehmens am 1. Juli 1972.
Kurze Zeit später zog der Be-
trieb um nach Lützel, seit 1996
ist es in der Marienfelder Straße
52 zu Hause.
Die Perspektiven? Gut!
Trotz der Veränderungen ist der
klassische Siebdruck Kernge-
schäft desBetriebes – auchwenn
JürgenKreyedieUnternehmens-
strategie umdieBereicheOffset-
druck (JK Drucktechnik) und
Internetdienstleistungen erwei-
tert hat. „Selbst wenn sich im
Bereich Medien die Welt rasant
entwickelt, muss der Klassiker
SiebdruckkeineZukunftssorgen
haben.VonderVielfältigkeit des
Einsatzes – ob Plakate, Kalen-
der, Aufkleber, Mouse-Pads,
Schilder, Tassenaufdruck oder
selbst Rubbellose – das Verfah-
ren ist quasi unschlagbar und die
Technik im Siebdruck hat mit
der gesamttechnischenEntwick-
lung mitgehalten.“
Zahlreich sind die Produkte, die
Jürgen Kreye als Angebot an-
gibt. Zu den Kunden gehören so
große Unternehmen wie die Te-
lekom, Leifheit, Opel, Ford oder
Punica. Dass der Betrieb über-
haupt expandieren konnte, hat
er dem Siebdruck zu verdanken,
für den der Handwerksmeister
noch erhebliches Potential aus-
macht.
Die Blume als
Firmenlogo („Wir
sind fleißig wie
die Bienen“) und
die Zeitung vom
Opa: Jürgen-Lutz
Kreye, selbständi-
ger Siebdrucker-
meister.
In einer modernen Siebdruckerei gehört gerade bei der
Druckvorbereitung der Computer zum festen Firmen-
inventar. Hier werden Kundenwünsche Realität, die
dann per EDV an die Technik weitergegeben wird.
Tradition & Zukunft: Druckerhandwerk mit guten Perspektiven
Ob mechanischer „Tiegel“, der Werkstatt-Klassiker
schlechthin (Bildvordergrund) oder hochelektronische
„Druckmaschinenstraße“ - Produkte und Maschinen
beeindrucken durch ihre Vielfalt.
„ ich
durch ein
Prakti-
kum auf
den Be-
ruf auf-
merksam
geworden
bin. Es ist
toll, die
gedruck-
ten Er-
gebnisse
nachher
vor sich
zu se-
hen.“
Daniel Wie-
gand, 17 Jahre,
Ausbildung
zum Siebdruk-
ker in der Druk-
kerei Kreye
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