Handwerk Special Nr. 73 vom 16. Februar 2000 - page 7

18. Jahrhundert - Die Revolution und ihre Folgen am Rhein
...man in
dem
Beruf
Technik
mit Krea-
tivität
vereinen
und den
Men-
schen ein
schönes
Lächeln-
schenken
kann.
Anna Portugal,
21 Jahre, Aus-
bildung zur
Zahntechnikerin
Ein Tagebuch führen, Gefüh-
le, Gedanken Erlebnisse mit
dem Stift in der Hand festhal-
ten - wer macht denn heutzuta-
ge noch so was?! Denkt man
vielleicht im Zeitalter moder-
ner Kommunikationsmedien
und läge damit ziemlich schief.
Ansonsten kämen kaum so vie-
le Stammkunden zu Buchbin-
dermeisterin Claudia Theuer-
Grings nach Burgen, um sich
regelmäßig eines ihrer feinen,
handgebundenen Bücher und
damit den rechten individuel-
len Rahmen für das persön-
lichste aller Bücher auszusu-
chen.
Wer sich auf den Weg zu ihr
macht, will keine Massenware,
sondern ein Einzelstück, ob als
Tage- oder Gästebuch oder als
Fotoalbum.DiesenErwartungen
trägtClaudiaTheuer-Gringskre-
ativ Rechnung, macht aus Bü-
chernkleinekunsthandwerkliche
Objekte aus farbigen Papieren
und sorgsam darauf abgestimm-
tem Leder, garniert mit Leder-
bändchen und Federn, mit Per-
len, Knöpfen, Muscheln. „Ich
bineinealteSammlerinundkann
schöne Dinge einfach nicht un-
genutzt lassen,“ bekennt sie la-
chend. In der Werkstatt, die sie
sich unterm Dach ihres Hauses
in Burgen eingerichtet hat („Ich
bin hier geboren und komme
immer wieder hierhin zurück,
und wenn ich mal längere Zeit
weg bin, kriege ich gleichHeim-
weh!“), gibt es denn neben den
Als sich die in Koblenz lebende,
im oberschwäbischen Scheer
geborene Holzschneiderin und
BildhauerinEdithaPröbstledar-
an machte, in den 90er Jahren
ihre „Handwerkskiste“ zu pa-
cken, 101 Handwerksberufe in
Holz zu schneiden und zu einem
Buch zusammenzufassen, da
üblichen Werkzeugen einer
Buchbinderin, neben Schneid-
und Prägemaschinen und Pres-
sen, neben Papier- und Pappsta-
peln, neben Ballen mit feinem
Buchleinen in verschiedenen
Farbtönen auch ein Regal mit
vielen Kästchen für alle Fund-
stücke.
Bücher restauriert
Nicht umsonst war es gerade das
Kreative an der Buchbinderei,
das sie reizte und dazu brachte,
Ende der 70er Jahre im Landes-
hauptarchiv eine Lehre in die-
semHandwerk zu machen. „Als
ich dort anfing, war ich so begei-
stert, dass ich gleich wusste: das
ist es, was du willst!“ Umgang
mit, das Restaurieren von jahr-
hundertealten Büchern, Urkun-
den und Karten gehörte von
Anfang mit zum täglichen Ge-
schäft. Gerade jetzt hat sie von
ihrer Heimatgemeinde den Auf-
trag bekommen, einen ganzen
Stapel alter Bücher zu restaurie-
ren. Gemeinde- und Grundbü-
cher, Kirchenbücher, in denen
die ersten Eintragungen mehr
als 300 Jahre alt sind, eselsohrig,
mit eingerissenen Seiten und lä-
dierten Einbänden. Behutsam
geht die Buchbinderin, die 1986
ihren Meister machte, mit ihnen
um, trennt sie auf, reinigt sie,
ergänzt fehlerhafte Seiten mit
Seidenpapier, heftet sie wieder
zusammen und bindet sie neu
ein, soweit wie möglich unter
Verwendung des alten Materi-
als.Nadel undZwirn,wasserlös-
licher Kleber, Kleister auf Reis-
basis oder Warmleim sind die
wichtigsten Hilfsmittel, „jeder
konservatorische Eingriff muss
wiederrückgängiggemachtwer-
denkönnen, soll als solcher auch
sichtbar sein“.
Mindestens so viel Spaß wie die
Restaurierungaltermacht ihr die
Herstellung, das Binden neuer
Bücher, der ganze Prozess, wie
aus Papier und Pappe, aus Stoff
oder Leder ein Buch wird, das
man mit Vergnügen anschaut
undindieHandnimmt. Zunächst
werden Papierbögen geknickt,
zur Lage zusammengefasst und
dann mit der Nadel geheftet.
„Auch eine sorgfältig gemachte
Klebebindung ist haltbar, aber
die Fadenheftung ist halt noch
dauerhafter. Das muss ein Buch
aus meiner Werkstatt sein und
schön noch dazu, da bin ich ganz
Handwerkerin.“
Bücher produziert
Diemit derHandhebelschneide-
maschine beschnittenen Lagen
(unregelmäßig große Blätter
würdenschnellereinreißen)wer-
den auf Gaze zusammengeleimt
und der Buchblock, leicht be-
schwert, ein bis zwei Tage ge-
trocknet. Während dieser Zeit
schneidet die Buchbinderin aus
Pappe vorderen und hinteren
Buchdeckel zu, verbindet die
Deckel mit dem Buchrücken,
bezieht sie, je nach Kunden-
wunsch, verbindet sie mit dem
Buchblock. Undwieder ist eines
jener Bücher fertig, dessen jung-
fräuliche Seiten regelrecht dazu
einladen, ihnen Leid und Freud
ganz anzuvertrauen.Mehr Infor-
mationen gibt es auch auf der
Internet-SeitevonClaudiaTheu-
waren beim„B“ auch der Buch-
drucker und die Buchbinderin
mit dabei.
Nicht umsonst gibt es zwischen
dem Holzschnitt und dem Buch
eine lange und intensive Bezie-
hung. Vor Gutenberg wurden
die so genannten „Blockbücher“
wie die „Biblia pauperum“, die
„Armenbibel“, der „Totentanz“,
insgesamt chiroxylographisch
hergestellt, d. h. Bild und Text
als Holzschnitt gedruckt. Das
Bild stand als Übermittler der
Botschaft auch für des Lesens
Unkundige imVordergrund, der
kurze Text erläuterte es.
Blüte bei Dürer und Cranach
Mit der Entwicklung des Buch-
drucks kehrte sich das Verhält-
nis um. Text, nun wichtiger, und
Bild wurden beim Druck ge-
trennt, nur das Bild wurde noch
inHolzgeschnitten,währendder
Text mit den neuen beweglichen
Lettern gesetzt wurde. Dank der
Verwendung harter Hölzer für
denDruckstock ließen sich auch
die Bilder mit der Buchdrucker-
presse drucken, erheblich preis-
werter als von Hand gemalte
Miniaturen. Seine Blüte erlebte
der Holzschnitt als Buchillus-
tration in der Ära eines Albrecht
Dürer und Lukas Cranach. Im
20. Jahrhundert entdeckten ihn
dieKünstler wie die Pröstlewie-
der, die ihmmalerischeWirkung
abgewinnt.
Zu den
über 100
Hand-
werksbe-
rufen, die
Editha
Pröbstle in
ihre
„Hand-
werkskiste“
packte,
gehören
unter „B“
das Buch-
binder-
und
Buchdruk-
kerhand-
werk.
Buchbindermeisterin Claudia
Theuer-Grings fertigt nicht nur neue
Bücher auch alte Werke erstrahlen
von der Lderhülle und auf jeder
Seite in neuem Glanz.
Als die franz. Revolutions-
armee in Koblenz einmar-
schiert, ist dies das Aus für
die Zünfte. Auch die Hand-
werker leiden unter der har-
ten Requirierung vonWaren
und Rohstoffen, u. a. von
30000 Paar Schuhen.
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