Handwerk Special Nr. 73 vom 16. Februar 2000 - page 5

1. Jahrhundert vor Christi Geburt - Handwerk blüht auf
Als die TruppenCäsars 58 -
51 v. Chr. an den Rhein
vorstoßen, erlebt dasHand-
werk eine erste Blüte. Neue
Berufe entstehen und die
Qualität der Produkte
nimmtzu,vorallemimBau-
bereichundimkeramischen
Handwerk, wie Funde zei-
gen.
Auch wenn sich die Entwick-
lung seit den 60er Jahren, seit
dem Aufkommen des Offset-
Drucksunaufhaltsambeschleu-
nigt, wenn in den Druckereien
modernste Technik Einzug ge-
haltenhat,gibtessieimmernoch,
diegutenaltenTiegeldruckpres-
sen. Groß, schwarz und glän-
zend, mechanische Meisterwer-
ke und geschätzte Liebhaber-
stücke,vondenenmansichkaum
trennen mag, selbst wenn - oder
vielleicht gerade weil sie? - im
Vergleich mit Macs und High
Tech-Megamaschinen wie ein
Fossil anmuten.
Mit demWinkelhaken aktiv
Gleich zwei davon nennt Horst
Dreesbach sein eigen, Heidel-
berger Tiegeldruckpressen die
bei ihm noch nicht im musealen
Dornröschenschlaf versunken
sind, sondern jeden Tag ihren
Dienst verrichten, die all das
drucken, für das z. B. die Her-
stellung einer ganzseitigen Fo-
lie zu aufwendig wäre. Visiten-
oder Einladungskarten, kleine
Prospekte, Veranstaltungs-
programme, Totenzettelchen.
Hans-Peter Schneider, gelernter
Schriftsetzer, stellt gerade den
Satz für eine Visitenkarte her,
ganz wie bei Gutenberg, mit
Lettern, Winkelhaken und Setz-
schiff, mit sorgfältig gesetzten
Platzhaltern und fein justiertem
Durchschuss (=Zeilenabstand)
füreinmöglichstschönesDruck-
bild. „So was finden sie beim
Computerlayout nicht mehr!”
kommentiert Horst Dreesbach.
Flotter Propellergreifer
Wilfried Huber, gelernter (und
passionierter) Buchdrucker, hat
währenddessen die Heidelber-
ger vorbereitet, den Druckzylin-
der mit einem Lappen gereinigt,
das Farbwerk kontrolliert. Dann
wird das Setzschiff in die Ma-
schine eingespannt, das Papier
eingelegt.DieBlätterwerdenau-
tomatisch eingezogen, dann
drückt der Kniehebel mit einem
Druck von 40 Kilogramm pro
Quadratzentimeter das Papier
gegen den Satz.
5000 Bogen pro Stunde sind
möglich, fünf mal soviel wie bei
den ersten Tiegeldruckpressen,
die mit dem durch den Kölner
Buchdrucker Karl Ferdinand
GilkeMitte des 19. Jahrhunderts
entwickelten „Propellergreifer“
ausgestattet waren, einem rotie-
rendenselbsttätigenAnlegerfürs
Papier, erster Einstieg in die Au-
tomatisierungimDruckgeschäft.
Drucken unter Zeitdruck
Selbst wenn die Tiegel in der
Bad Breisiger Druckerei zu den
leistungsfähigsten ihrer Gattung
gehören–mitmodernstenDruck-
techniken können sie im Hin-
blick auf Geschwindigkeit nicht
konkurrieren. „Eigentlich ist es
eine unrentable Art des Druk-
kens,“ gesteht Dreesbach, auch
inzahlreichenEhrenämtern,vom
Stadtrat bis zumKanevalsverein
und zur Liedertafel aktiv, zu,
„und natürlich arbeiten wir auch
mit Offsetanlagen und mit dem
PC, aber als kleine Druckerei
kann man mit den Investitionen
gar nicht ständig auf dem tech-
nisch absolut neuesten Stand
sein.“
BereitsvorhundertJahrendruck-
te der Großvater in Remagen die
Rhein-Ahr-Zeitung. Er selber,
Anfang der 60er einer der ersten
gelernten Offsetdrucker („Den
Buchdruck musste ich bei der
Meisterprüfung noch nachho-
len.“) übernahm den Betrieb in
Bad Breisig von seinem Vater.
Auch die Tochter ist Druckerin,
wird aber die väterliche Werk-
statt nicht weiterführen. „Da
überlegt man es sich dann halt
doppelt, ob man wirklich noch
immer weiter teure Maschinen
anschafft.“Übrigens:Die„schwar-
ze Kunst“ hatte schon immer
ihre ganz eigene Sprache. Eine
kleine Kostprobe gibt ein Hand-
zettel, der bei der Berufskund-
lichen Ausstellung 1967 in Ko-
blenz verteilt wurde: „Kommt
ein „Schnellschuss“ (= ein
schnellerAuftrag) indie „Bude“,
dann wird ein „Typenfänger“ (=
Setzer)gesucht,derein„Schnell-
hase“ (= ein fixer Bursche) ist ...
Der Typenfänger nimmt seine
„Kelle“ (= seinenWinkelhaken)
und stellt „Männchen aufMänn-
chen“ (= Zeile auf Zeile), hebt
die Zeilen auf das „Schiff“ und
muss dabei aufpassen, dass es
keinen „Eierkuchen“ (= durch-
gefallene Typen) gibt. Im Ma-
schinensaal wartet schon die
„Mühle“ (= die Druckmaschi-
ne) und der Maschinenmeister
übernimmt den „Schmorkohl“
(= einfache Druckarbeit)...“.
Hätten Sie’s gewusst?
Schriften nicht per Tastendruck, sondern aus der Schub-
lade - Setzen wie in den Zeiten von Gutenberg.
Wilfried Huber, gelernter
Buchdrucker, „füttert“ den
Heidelberger Tiegel mit
Papier. Obwohl das Gerät
aus den 60iger Jahren
stammt, ist es ein „Muss“ in
jeder modernen Sieb-
druckerei.
Man kannte Stempel und Papier
und man kannte Weinpressen.
Jedes davonwarweder neu noch
revolutionär. Revolutionär war
jedochderVersuch, diedreiDin-
ge zusammenzubringen. Ihn
unternahmJohannesGensfleisch
zum Gutenberg, Sohn eines
Mainzer Patriziers und Tuch-
händlers, irgendwann zwischen
1394 und 1404 geboren, Vater
desBuchdrucksmitbeweglichen
Lettern und damit Auslöser un-
geahnter Entwicklungen, ohne
die selbst der Sprung ins moder-
ne Medienzeitalter undenkbar
wäre.
In einem Vorort von Straßburg
hatte der findige und zunächst
als Gold- und Münzschmied ar-
beitende Gutenberg, beinahe
40jährig,mitmehrerenTeilhbern
eine neue Geldquelle aufge-tan,
produzierte mittels eines Guss-
verfahrens (!) und einer Blei-
und Zinnlegierung (!) Pilger-
spiegel für Wallfahrer. Geeig-
net, so glaubte man, um die heil-
bringenden Strahlen von Reli-
quien einzufangen. Möglicher-
weise kam ihm dabei die Idee
zum Drucken; in Straßburger
Prozessakten ist u. a. die Rede
von einemgeheimnisvollenPro-
jekt mit Pressen und einer „zer-
legbaren Form“.
Als Gutenberg imOktober 1448
wieder inMainz auftaucht, kann
er jedenfalls bereits drucken,
nutzt das Prinzip der Wein- oder
Papierpresse, um eingefärbte
Typen auf angefeuchtetes Pa-
pier zu pressen. „Formen“ sind
erneut im Spiel, kleine Eisen-
stäbchen, die an ihrem oberen
Ende seitenverkehrt jeweils ei-
nen erhaben gravierten Groß-
oderKleinbuchstaben tragen. So
konnte man die Buchstaben in
weichesMetall stempeln, erhielt
eineMatritze zurHerstellungder
mit einer Mischung aus Blei,
Zinn und Antimon gegossenen
Buchstaben. UmHandschriften,
beispielsweise auch deren Spal-
tensatz mit gleichmäßigen Rän-
dern,möglichst nahezukommen,
verwendete Gutenberg 290 un-
terschiedliche Schriftzeichen.
„es seit
sieben
Genera-
tionen in
meiner
Familie
Zimme-
rer gibt.
Diese
Tradition
möchte
ich vor-
erst nicht
beenden.
lassen.“
Jens Kremer, 21
Jahre, Ausbil-
dung zum
Zimmerer
1,2,3,4 6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,...24
Powered by FlippingBook