Handwerk Special Nr. 102 vom 11. Dezember 2004 - page 11

Traditionelles Weihnachtsgespräch in der HwK / Weiterbildung
11. Dezember 2004
Nr. 102
„Ich bin Sizilianer und lebe
seit 17 Jahren in Deutschland.
Mein Vater kam schon vor
über 20 Jahren als Gastarbei-
ter und hat in verschiedenen
Straßenbaufirmen gearbeitet“,
erzählt der Straßenbauer
Giovanni Innorcia aus
Mannheim. „Als unsere
Familie nachkam, war ich drei
Jahre alt. Ich bin in Deutsch-
land aufgewachsen, hier ist
mein Zuhause. Wenn ich nach
Sizilien zu Verwandten fahre,
ist das für mich Urlaub“, sagt
er. Giovanni Innorcia gehört
zu den Gästen, die Dr. h.c.
Karl-Jürgen Wilbert, Hauptge-
schäftsführer der Handwerks-
kammer Koblenz, zu einem
vorweihnachtlichen Gespräch
eingeladen hat. Seit 29 Jahren
ist es gute Tradition, dass sich
der Hauptgeschäftsführer mit
angehenden Handwerksmeis-
tern ausländischer Herkunft
austauscht, um aus erster
Hand zu erfahren, wie sie über
Heimat ist, wo man Arbeit hat
und glücklich ist
Fünf angehende Meister aus
fünf verschiedenen Nationen
im Gespräch mit Hauptge-
schäftsführer Wilbert.
Van Dung Tran aus Vietnam
(hinten) und Baris Ünver, Türkei.
Der Italiener Giovanni
Innorcia (rechts im Bild)
mit seinem Handwerks-
kollegen Mario Frigan aus
Kroatien.
Leben und Arbeiten in
Deutschland denken. Mit fünf
Teilnehmern aus Meistervor-
bereitungskursen traf er sich
im Advent 2004.
„Kannmanmititalienischer See-
lehierleben?“,fragtWilbertGio-
vanni. „Ich bin Europäer“, ant-
wortet er. „Auch wenn in Sizili-
en fast immer die Sonne scheint,
lebe ich gerne in Deutschland.
Heimat ist, wo man Arbeit hat
und glücklich ist und hier bin ich
glücklich“, sagt er. Und er sagt
es mit einem nachdenklichen
Lächeln.
Multikulturelle und
multireligiöse Gesellschaft
Weitere Gesprächspartner des
Hauptgeschäftsführers am fest-
lich gedeckten Kaffeetisch sind
der aus dem ehemaligen Jugo-
slawienstammendeElektrotech-
niker Azar Murtezani, der türki-
sche Maurer und Betonbauer
Baris Ünver, der Kroate Mario
Frigan, Zentralheizungs- und
Lüftungsbauer, sowie
Van Dung Tran aus
Vietnam, der sich auf
die Meisterprüfung
Fluchen in der Muttersprache
Der Kroate Mario Frigan und
der Türke Baris Ünver sind in
Deutschland geboren. Sie haben
die deutsche Schule besucht und
hier ihreHandwerkslehre erfolg-
reich beendet. Sie sprechen flie-
ßend die deutsche Sprache, be-
herrschen aber auch die Sprache
ihrer Heimat. „In welcher Spra-
che fluchen Sie?“, möchte Wil-
bert wissen. „Wenn ich sehr auf-
geregt bin, spreche ichkroatisch.
Ich habe kroatisches Blut und
einekroatischeSeele.Auchwenn
ich hier zu Hause bin, möchte
ich die deutsche Staatsbürger-
schaft nicht haben“, so Mario
Frigan. „Selbst wenn du sie hast,
bleibst duAusländer“, sagtBaris
Ünver. Er hat zwei Schwestern,
aber die Kopftuchdiskussion ist
ihm fremd.
„Sind Sie für die Mitgliedschaft
der Türkei in der Europäischen
Union?“, fragt der Hauptge-
schäftsführer. „Ja, das wäre ein
großer und in meinen Augen
richtiger Schritt, die Türkei liegt
dochmitten in Europa“, antwor-
tet er. „Neun Zehntel liegen in
Asien“, korrigiert Wilbert.
im Maler- und Lackiererhand-
werk vorbereitet.
Im weiteren Gespräch fragt der
HauptgeschäftsführernachErfah-
rungen, Zukunftsplänen, Wün-
schen und Träumen der jungen
Leute. Er fragt sie auch, welche
Bedeutung Weihnachten für sie
und ihre Familien hat, vor allem
dann, wenn sie nicht aus einer
christlichen Kulturwelt kom-
men.
In diesem Jahr möchte er von
seinen Gesprächspartnern auch
wissen, wie sie die momentane
Konjunktur beurteilen.
„Wir sind eine Gesellschaft mit
vielen Facetten, und ich habe
mich schon immer für die Viel-
falt der Kulturen und der Gesell-
schaftundWirtschaftsformenin-
teressiert“, bringt Karl-Jürgen
Wilbert seinMotiv für das tradi-
tionelle Weihnachtsgespräch,
das in seinem Terminkalender
seit fast drei Jahrzehnten einen
festen Platz hat, auf den Punkt.
Keine Integrationsprobleme
Der Vietnamese VanDung Tran
berichtet, dass er als Soldat in
dieTschechoslowakei geschickt
wurde, umStaatsschulden abzu-
tragen. „Die Tschechen haben
unser Land im Krieg sehr unter-
stützt“, erklärt er. 1991 ist er
dannmit seiner vietnamesischen
Frau nach Deutschland gekom-
men. Glücklich ist er darüber, in
Selters gleich Arbeit in einem
Maler- und Lackiererbetrieb ge-
funden zu haben. „Ich bin jetzt
13 Jahre im Betrieb und habe
noch nie gefehlt“, sagt er. Stolz
ist er, dass sein Meister ihm an-
geboten hat, nach bestandener
Meisterprüfung den Betrieb zu
übernehmen. „DieseChance las-
se ich mir nicht entgehen“, ist er
entschlossen.
Konjunktur & Zukunftspläne
„Wie beurteilen Sie die momen-
tane Konjunktur und was möch-
ten Sie in fünf Jahrenmachen?“,
interessiertKarl-JürgenWilbert.
Die Meister in spe äußern sich
unterschiedlich. Vor allem die,
die im Bausektor arbeiten, sind
eher skeptisch. So hat der Mau-
rer und Betonbauer Baris Ünver
gerade seine Kündigung erhal-
ten. „Ich hoffe, dass ich imFrüh-
jahr wieder eingestellt werde“,
sagt er. Sonst sind alle über-
zeugt, dass es beimAufbau ihrer
eigenen Existenz keine Rolle
spielt, woher man kommt. Ihre
Lebensläufe sind von denen
Deutschstämmiger nicht zu un-
terscheiden.Schule,Ausbildung,
erste Berufserfahrung, Sprung
in die Selbstständigkeit, harte
Arbeit, Erfolg und Ehrgeiz. Die
Frage Wilbert´s, ob seine Gäste
sich vorstellen können, wieder
in ihr Heimatland zurückzukeh-
ren, verneinen die Gesprächs-
partner nahezu geschlossen. Sie
sind verbunden mit dem Land,
das ihnen Heimat wurde und
haben Wurzeln geschlagen.
Beim Handwerk fühlen sie sich
wohl.
Karl-Jürgen Wilbert lädt Ausländer zum 29. Weihnachtsgespräch ein
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