Handwerk Special Nr. 96 vom 15. November 2003 - page 10

15. November 2003
Nr. 96
Gisela Schmidt-Reuther & Keramik dieser Welt / Meisterprüfung
Materialien und Gedanken formen
Gisela Schmidt-Reuther: Erinnerungen aus einem schaffensreichen Leben
„Mich kleine Studentin hat das
schon mächtig beeindruckt, als
ich in sein Atelier kam, all seine
kolossalen Figuren, für die er
sich eine eigene Konstruktion ge-
baut hatte, um sie bequem rauf-
und runterfahren und an ihnen
arbeiten zu können.“
GiselaSchmidt-Reuther,inRengs-
dorf lebende und arbeitende Ke-
ramikerin, unterbricht sich kurz,
springt temperamentvoll auf und
illustriert gestenreich und an-
schaulich ihre Erinnerungen an
denBesuch, den sieArnoBreker
während ihres Studiums in Ber-
lin abstattete - ein bekannter Na-
me von vielen, die auftauchen,
wenn sie aus ihrem schaffens-
reichen Leben erzählt.
1915 wurde sie in Bad Sobern-
heim an der Nahe geboren als
TochtereinesVolksschullehrers,
der ihr künstlerischesTalent früh
erkannte und förderte, „obwohl
ich einMädchen und solche Un-
terstützung deshalb noch alles
andere als selbstverständlich
war“. Nach demAbitur studierte
sie zunächst zwei Jahre an der
Staatlichen Werkschule für Ke-
ramik in Höhr-Grenzhausen,
später, ab 1936, Bildhauerei in
Frankfurt, u. a. bei Paul Egon
Schiffers und Richard Scheibe.
Besonders Scheibe, der dann
nach Berlin an die Hochschule
für Bildende Künste wechselte,
habe sie, erklärt Gisela Schmidt-
Reuther, geprägt,„vielleicht des-
halb, weil er nicht das Pathos,
die große Geste, sondern das
Zurückhaltende, in jedem Fall
Aufrichtige bevorzugte“.
Studium in unruhigen Zeiten
Dass sie 1940, nachdem sie drei
Jahre in der Praxis in der Staatli-
chen Majolikamanufaktur
Karlsruhegearbeitethatte,ein
Stipendium für die Hoch-
schule in Berlin bekommen
habe („obwohl ich ganz un-
politisch war!“), sei einer der
vielen Glücksfälle in ihrem
Lebengewesen. Umsomehr,
als die Hochschule, trotz
Nazi-Regime undKriegszeit,
dank ihrer Professoren eine
Art „Insel der Seligen“ war,
„ohne Hitlergruß und mor-
gendlicheAppelle,ohneHass
auf Andersdenkende“. „So
merkwürdig sich das auch
anhören mag: Wir haben von
dem, was draußen vorging,
kaum etwas mitbekommen,
haben uns ganz auf unsere
Arbeit konzentriert.“
Ihre ohnehin ausgeprägte Lei-
denschaft für die Bildhauerei
vertieftsichinjenenJahrennoch.
Das zentrale Problem, demsie in
ihren keramischen Skulpturen
nachspürt, ist das (nur hier so
intensiv mögliche) Miteinander
von Formund Farbe, ist die Ver-
schmelzung von plastischer Ge-
staltung und deren farbiger In-
terpretation als Glasur.
Harmonien schaffen
Besucht man die Künstlerin, die
jüngst zu den Teilnehmern der
zweiten Ausstellung der von der
Handwerkskammer Koblenz
veranstalteten Reihe „Keramik
dieser Welt“ gehörte, in ihrem
RengsdorferAte-
lier, wird offen-
bar, dass sie die-
se Frage nach
wievorbeschäf-
tigt. Auf ihrem
Arbeitstisch ste-
hen und liegen
einige kleinere
Porzellanskulpturen(umvorder-
gründige Größe, Monumentali-
tät ging es ihr nie), darunter eine
Gruppe von Sitzenden, Men-
schen im Für- und Miteinander,
eines der typischen Schmidt-
Reuther-Motive, daneben etli-
che Glasurproben.
KeramikundKorrespondenz
Die Bildhauerei ist schließlich
nur eines der Talente der Gisela
Schmidt-Reuther, wie die Mu-
sik, das Zeichnen („Vor mir war
kein Stückchen Papier sicher!“)
und nicht zuletzt das Schreiben.
Beinahe fanatisch zeichnete sie
Eindrücke, Erlebnisse, Gedan-
ken auf, korrespondierte mit be-
rühmten Briefpartnern, mit Ger-
hard Kolbe, mit Heinrich Böll,
mit dem Schriftsteller und Phi-
losophen Hugo Kükelhaus, der
als gelernter Bau- und Möbel-
schreiner Handwerk und Kunst
gleichfalls perfekt verband.
Nicht umsonst hat das Germani-
sche Nationalmuseum in Nürn-
berg sein Interesse andenSchrif-
ten Gisela Schmidt-Reuthers
angemeldet; eine repräsentative
Auswahl ihrer Skulpturen hat
siebereits demKeramikmuseum
Westerwald in Höhr-Grenzhau-
sen überlassen.
Gisela Schmidt-Reuther (links) im Gespräch mit Besu-
chern der HwK-Ausstellung „Keramik dieser Welt II“.
Mit ihren Arbeiten hat
Gisela Schmidt-Reuther
die Besucher der HwK-
Ausstellung „Keramik
dieser Welt II“ in ihren
Bann gezogen, so mit der
Skulptur „Straßen-
palaver“.
Keramik dieser Welt 3 + 4
Info-Tel.: 0261/398-277
HwK-Ausstellung
„Liegende“,
eine Arbeit
aus Steinzeug
mit einer
Kupferglasur
überzogen.
Mit ihrer Ausstellungsreihe
„Keramik dieser Welt“ lädt
die Handwerkskammer
Koblenz seit 2002 interna-
tionale Spitzenkeramiker
ein, ihre Objekte in der
Galerie Handwerk zu
präsentieren. Die Teilneh-
mer werden durch eine
Fachjury vorgeschlagen; in
der jüngsten Ausstellung
waren Arbeiten von 13
Keramikern zu sehen. Teil
3 von „Keramik dieser
Welt“ ist im März 2004, im
September 2004 findet die
Ausstellung dann zum
vierten Mal statt.
Infos bei der HwK Koblenz:
Tel.: 0261/ 398-277
E-Mail:
Internet:
In Arbeiten mit
verschiedenen
Materialien sieht
Schmidt-Reuther ihre
Herausforderung.
„Mich beeindruckt
das Miteinander von
Materialien, Formen
und Farben!“
Die Meisterstücke der Steinmetz- und Steinbildhauermeister in
spe reichen von der Sonnenstele über die Skulptur des rastenden
Wandersmannes bis zum Kamin aus Granit. Harter Stein verän-
dert unter den kreativen Steinschlägen der Meisteranwärter seine
Form. Kunstvoll gestaltet ist der Stein so gut wie unvergänglich.
Neben dem Meisterstück, das in bis zu 120 Arbeitsstunden
entstanden ist, müssen die 14 Teilnehmer des Meistervorberei-
tungskurses bei der Handwerkskammer Koblenz ihre fachlichen
Fertigkeiten in Arbeitsproben unter Beweis stellen. Ein Profil-
stück und ein Relief müssen erstellt werden. „Die Männer sind
sehr kreativ. Ich staune immer wieder über ihre Ideen“, schätzt
Dieter Arenz, Steinmetz- und Steinbildhauermeister aus Cochem
und Mitglied der Meisterprüfungskommission bei der HwK
Koblenz, ein. Die Hälfte der zukünftigen Meister strebt die
Selbstständigkeit an. Der nächste Meistervorbereitungskurs für
Steinmetze und Steinbildhauer beginnt am 23. April 2004 in
Koblenz. Er findet in Teilzeit statt.
Infos zu Meisterprüfungen bei der Handwerkskammer Koblenz:
Von der Sonnenstele
bis zum Kamin
Bei der Meisterprüfung der Steinmetze
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