Handwerk Special Nr. 96 vom 15. November 2003 - page 5

Wohnträume: Scheune wird zum Wohnzimmer
15. November 2003
Nr. 96
Ursprünglich wollte Brigitte
Domenicus aus Dierdorf, einer
Kleinstadt im rheinischen Wes-
terwald, ein Haus in südlichen
Regionen kaufen. Die promo-
vierteÄgyptologinentschiedsich
aber dann doch, die ungenutzte
Scheune auf ihrem Grundstück
zum Wohnhaus umzubauen.
Die Scheune ist Teil eines noch
relativ gut erhaltenen spätba-
rocken Wohn- und Geschäfts-
hauses mit Schuppen und Stal-
lungen. Das Anwesen ist eine
typischeAnlageausderBlütezeit
als wiedisches Residenzstäd-
tchen in der 2. Hälfte des 18.
Jahrhunderts. Es liegt im Zent-
rum von Dierdorf. Die Gebäude
gruppieren sich um einen pitto-
reskenInnenhof.Gewohnthaben
dort die Vorfahren von Brigitte
Domenicus, geboreneKaulbach.
Urgroßeltern und Großeltern
betrieben eine Bäckerei. Wie
früher üblich, wurden die Back-
waren zuerst mit der Kuh, später
mit dem Pferd in die umliegen-
den Ortschaften transportiert.
Seit 1965 gibt es die Bäckerei
KaulbachinDierdorfnichtmehr.
Das Anwesen der Familie Kaul-
bach jedoch hat Brandkatas-
trophen, Bombenangriffe und
AbrissbirnenderNachkriegszeit
überstanden.
Modernes Wohnen in alten
Gemäuern
Für den Dierdorfer Architekten
Dr. Hans H. Heydorn, der sich
für die Revitalisierung und
Attraktivierung des historischen
Stadtzentrumsengagiert,warder
Auftrag zum Umbau eine große
Herausforderung.„Mirwarwich-
tig, die Bausubstanz der alten
Scheune zu erhalten und mit
zeitgemäßen Materialien wie
Stahl,GlasundLeichtmetalleine
neueWohnnutzungzuerreichen,
ohne Komfortverzicht und fal-
scheNostalgie“,soderArchitekt.
„Alt und Neu können, richtig
eingesetzt, sehr gut zusammen-
passen“, ergänzt er. Sein An-
liegen ist es auch, nutzlose und
triste Gebäude in der Innenstadt
zu neuem Leben zu erwecken.
„In der letzten Zeit verlagerten
sichWohnenundGewerbe,nicht
nur in Dierdorf, auf die grüne
Da, wo einst Kuh und Pferd lebten ...
Wiese vor den Stadttoren. Da-
durch verändert sich die soziale
und ökonomische Struktur der
Innenstädte,AusblutungundVer-
ödungdrohen“, erklärtHeydorn.
Er plante einmodernesGebäude,
dass sich indasAnwesen einfügt
„ohne sich anzubiedern“.
Holzarbeiten auf Maß
Die Außenwände aus Backstein
bzw. Bruchstein blieben erhal-
ten. Die Holzkonstruktionen be-
hielten ihre tragende Funktion
und sind als gestalterisches
Element sichtbar. „BeimEinbau
derTürenspieltendiealtenFach-
werkbalken im Raum eine nicht
unwesentlicheRolle.Damit sich
die Türen ohne Probleme öffnen
und schließen ließen, war Maß-
arbeit gefragt“, erinnert sich
Tischlermeister Alfred Gott-
schalk aus Kleinmaischeid. Er
istmitseinenbeidenMitarbeitern
auf den Innenausbau speziali-
siert. Gottschalk berichtet, dass
auch das Einpassen der neuen
Fenster in das alte Bruchstein-
mauerwerk meisterliches Kön-
nen abverlangte. Wo früher das
alte Scheunentor war, baute er
ein 5,20 m hohes und ebenso
breites,mehrteiligesGlaselement
mit Aluminiumprofil ein. „Ein
ungewöhnlicher und nicht all-
täglicher Auftrag“, sagt er. Die
Südseite zum innenhofartigen,
von alten Mauern eingefassten
Garten, erhielt eine vorgestellte,
über zwei Geschosse reichende
begehbare Stahlkonstruktion.
Dialog zwischen Alt & Neu
Der Dialog zwischen Alt und
Neu, vom alten unverputztem
Backsteinmauerwerk, Holzbal-
ken und Schieferdach mit Stahl,
Leichtmetall und Glas, erzeugt
eine besondere Spannung. Der
Lichteinfall durch die Glasfas-
sade unterstreicht die offene,
transparenteRaumstruktur.Auch
auf moderne Heiztechnik im
alten Gemäuer braucht die Bau-
herrin nicht zu verzichten. Gas-
und Wasserinstallateurmeister
sowie Heizungsbauermeister
EgbertBöhmausKleinmaischeid
baute eine moderne Fußboden-
heizungein. „Siehat denVorteil,
dass sie nicht zu sehen ist und
keineStellflächewegnimmt“,er-
klärt der Fachmann. Er beschäf-
tigt imUnternehmen achtMitar-
beiter, darunter einen Lehrling.
Arbeitskreis„Rationalisierung amBau“
Einst Pferdestall, jetzt Wohnzimmer. Außen- und
Innenansicht des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes.
Innenansicht der ehemaligen Scheune: Galerie
Wohnen in der alten Scheune: Wie Handwerker einen Dialog aus Alt und Neu schufen
Seit 1996 die Arbeitskreise der Handwerkskammer Koblenz ins
Leben gerufen wurden, nutzen immer mehr Handwerker diese
Möglichkeit zum direkten Dialog mit der HwK und untereinan-
der. Mittlerweile engagieren sich über 1000 Handwerker in 19
Arbeitskreisen mit verschiedensten Themen. Der Arbeitskreis
„Bau“ unter Leitung von Architekt und Maurermeister Ulrich
Brink - er ist Leiter des HwK-Bauzentrums - trifft sich wieder am
18.11., 17.30, Uhr im Bauzentrum der HwK Koblenz. Themen:
Neues für das Bauhandwerk- Innovationen bei Maschinen und
Material, Managementsysteme im Bauhandwerk. Der Arbeits-
kreis tagt zusammen mit dem Arbeitskreis „Qualitätsmanagement.“
Infos und Anmeldung unter Tel.: 0261/398-331.
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