Handwerk Special Nr. 79 vom 7. Februar 2001 - page 15

undeswehr-Handwerk“ in Halle 9 - Bundeswehrzentrum für Nachwuchsgewinnung im Freigelände
Beides gehört bei Friedensoperationen un-
bedingt zusammen. Der Ausgangspunkt für
den Einsatz ist militärisch. Dieser Auftrag
ist soweit fortgeschritten, dass er Kräfte frei-
setzt, die dem Soldaten das Gefühl geben,
sich zusätzlich sinnvoll einzubringen. Eben
nicht nur mit der Waffe für den Frieden zu
sorgen, sondern sich am Aufbau und damit
anderBereinigungderUrsachendiesesKon-
fliktes zu beteiligen. Hier ist in der Praxis
umgesetzt, was neuerdings als „miles pro-
tector“ beschrieben wird: Der Soldat nicht
nur als der verteidigende und kämpfende,
sondern auch als der schützende.
MüsstedieQualifizierungdesZeitsoldaten
über den BFD für die neuen Aufgaben
nicht früher, also zu Beginn oder wäh-
rend des Dienstes ansetzen?
Wir greifen im Rahmen der allgemeinen
Wehrpflicht auf Menschen in einem be-
stimmten Alter zurück, die unser gesell-
schaftliches Bildungs-
system anbietet, bauen
auf dem auf, was sie an
Können mitbringen und
setzen sie als Soldat in
der Regel entsprechend
ein. Bei den Pionieren
beispielsweise findenSie
fast ausschließlichHand-
werker. Daran schließt
sich die Qualifizierung
insbesondere des Zeitsoldaten für seinen
zukünftigen zivilen Beruf an. Er muss ja
wieder zurück in denWirtschaftsbetrieb ge-
hen. Er braucht, auch wenn er eine zivile
Ausbildung hatte, die Starthilfe, denn drau-
ßen hat sich die Welt verändert. Viele ma-
chen während des Soldatseins ihrenMeister
und steigen dann wieder in ihren alten Beruf
ein.
Von uns bekommt dieser Soldat zweierlei
mit: Erstens eine begleitende Berufsausbil-
dung, die aufbaut auf dem, was er mitge-
bracht hat - da hilft uns die Handwerkskam-
mer sehr. Zweitens nimmt er ein enormes
Wissen und einen Erfahrungsschatz in Sa-
chen Menschenführung und Organisation
mit. Der militärische Dienst, das intensive
Leben in Hierarchien und Aufgaben prägt
den Menschen außerordentlich stark.
Führungsfähigkeit und Verantwortungsbe-
wusstsein, alles, was man Schlüssel-
qualifikationen nennt, sind enorme Zu-
gewinne, die man kaum messen kann, die
aber im zivilen Bereich auch geschätzt wer-
den. Die Auslandseinsätze geben noch ei-
nen zusätzlichen Schub, weil die Menschen
dort enorm an Persönlichkeitsvolumen zu-
legen. Es kommt keiner so zurück, wie er
hingegangen ist.
DasHandwerk ist alsomit beteiligt an der
zukünftigen Nachwuchssicherung der
Bundeswehr...
Unbedingt. Dass wir das
Beratungszen-
trum Bundeswehr-Handwerk
jetzt orga-
nisatorisch und strukturell in Koblenz als
Modell für andere angegangen sind und in
ern reifer”
ndo Koblenz
der Anfangsphase schon mit gutem Erfolg
praktizieren, holt nur nach, was längst hätte
sein müssen. Wir sind Teil eines Systems
und darin muss man die einzelnen Elemente
in ihremZusammenwirken optimieren. Das
Handwerk produziert uns - verkürzt ausge-
drückt - fachliches Know-howbei denMen-
schen. Wir nehmen sie gerne, bilden sie hier
weiter und erziehen sie zu starken Persön-
lichkeiten. Dann liefern wir sie Ihnen zu-
rück für den Arbeitsmarkt: Leute vor allem
für Führungsfunktionen, wie sie das Hand-
werk so nicht ohne weiteres bekäme. Das ist
vor, während und nach der Bundeswehrzeit
ein Geben und Nehmen, eine Unterstützung
besonders im Rahmen der Angebote des
Berufsförderungsdienstes. Wir haben hier
eine ideale Lösung gefunden, wie ich sie in
keiner anderen Armee und in keinem ande-
ren Land sehe.
Wie sehen Sie die Umsetzung des
Beratungszentrums Bundeswehr-Hand-
werk in der Truppe, welchen Stellenwert
hat diese Kooperation für die Zukunft?
Man stelle sich vor, dass das, was hinter den
Zahlen aus dem ersten Jahr steht, alles nicht
passiert wäre; dann kannman ermessen, wie
sinnvoll diese Maßnah-
men sind - für beide Sei-
ten, und das schon in der
Anfangsphase. Das
Be-
ratungszentrum
wurde
mit großem Schwung
aufgenommen, auch
wenn es noch nicht im
Bewusstsein aller Sol-
datenverankertist.Auch
unsere Personalführung
muss immer wieder darauf gestoßen wer-
den, und zwar rechtzeitig, dass hier eine
hochqualifizierte Nachwuchsquelle ist, die
die Freiwilligenwerbungunserer Zentren für
Nachwuchsgewinnung ergänzt.
Das Handwerk bildet mehr Lehrlinge aus,
als die Wirtschaft derzeit braucht. Wir spre-
chen hier von uns aus dieMenschen über die
Handwerkskammer an und sagen ihnen: Bei
uns könnt ihr Soldat werden. Nah an eurem
Beruf eingesetzt könnt ihr euch weiter-
qualifizieren. Bei uns werdet ihr nicht nur
älter, sondern auch reifer, werdet eine stär-
kerePersönlichkeit.Undwenn ihr nachzwölf
Jahren rausgeht, dann seid ihr immer noch
jung genug und habt die Qualifikation zur
Existenzgründung. Also: Es ist die ideale
Zusammenführung nicht nur von Interessen
sondern, auch bei der Wahrnehmung der
gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Es gibt Überlegungen, den Beruf des Sol-
daten zu zertifizieren, ihm damit eine An-
erkennung zu schaffen. Das Handwerk
hat der Wirtschaft und der Bundeswehr
einen „Bildungspass Bundeswehr“ vor-
geschlagen, der aufschlüsselt, was ein
Soldat in seiner Dienstzeit geleistet hat,
um ihm Möglichkeiten für eine vorzeitige
Anerkennung der Meisterprüfung oder
bei Bewerbungen zu eröffnen.
Zertifizierung oder Bildungspass nützten
demSoldaten, weil sie das manchmal wenig
transparente militärische System dem zivi-
lenArbeitgeber zugänglichermachten. Dem
Soldaten selbst könnte das helfen, seine per-
sönliche Fort- und Weiterbildung planvol-
ler und systematischer anzugehen. Es käme
dem Bild des Soldaten in der Öffentlichkeit
entgegen undmanchesVorurteil, das es auch
in den Streitkräften gibt, könnte abgebaut
werden. Das tatsächliche Berufsbild des
Soldaten ist wesentlich differenzierter und
anspruchsvoller, als man sich das in der
Öffentlichkeit vorstellt.
Eine Frage an den Menschen hinter dem
General:Wie haben SieWeihnachten und
den Jahreswechsel gefeiert?
Am 24. Dezember war ich in den Einsatzge-
bieten bei meinen Soldaten, erst im Kosovo
und dann in Sarajewo. Wir versuchten so
viele Einheiten wie möglich zu besuchen,
um ihnen zu vermitteln, dass sie imEinsatz-
land nicht vergessen sind. Weihnachten ist
für viele nicht nur ein kirchlicher Termin
sondern auch ein Familienfest. Ich kann
zwar nicht die Familie ersetzen, aber den
Männern und Frauen sagen:Wir wissen, wie
euch zumute ist. Denn die Trennung von der
Familie ist die eigentliche Belastung.
Ihr persönlicherWunschmit Blick auf das
Jahr 2001?
Eine drastische Verringerung unserer mili-
tärischen Beiträge im Einsatz, dass wir also
deutlichweniger als 7.500Mann stellen. Als
Voraussetzung dafür wünschte ich mir eine
größere Wirkung der politischen und wirt-
schaftlichen Anstrengungen, die Grundla-
gen in den Einsatzländern so zu verbessern,
dass eine Verringerung der militärischen
Einsätze möglich wird.
Informationen
zum „
Beratungszentrum
Bundeswehr-Handwerk
bei Hans-Joachim Benner,
Tel.: 0261/398-126, Fax: -934,
Email:
Internet:
Eigene Kfz-Werkstatt nach der Bundeswehrzeit:
Schritt in die
Selbstständigkeit
Eigene Kfz-Werkstatt nach der Bundeswehrzeit:
Hat seinen Traum von der
Selbstständigkeit nach der
Bundeswehrzeit gestemmt:
Rainer Ohlberger.
„Wer will, hat alle Türen offen“, zieht
Kfz-Meister Rainer Ohlberger eine Bi-
lanz seiner fast 20-jährigenBundeswehr-
zeit. Sein Weg in die noch junge Selbst-
ständigkeit mit einer freienMeisterwerk-
statt in der BendorferMühlenstraße steht
beispielhaft für die Chancen über den
WegHandwerk-Bundeswehr-Handwerk.
Der 39-Jährige beendete 1980 seine Leh-
re bei KWS Motorsport in Koblenz
und trat denWehrdienst an. Inmeh-
rerenSchritten verpflichtete er sich
als Zeitsoldat auf zwölf Jahre und
legte 1986 im Rahmen der fach-
lichen Ausbildung zum Feldwe-
bel die Meisterprüfung als Kfz-Me-
chaniker ab. InderKoblenzerRheinkaserne
leitete er dann die Kfz-Werkstatt für meh-
rere Jahre und machte auch noch die Ge-
sellenprüfung als Kfz-Elektriker.
Als er sich entschloss Berufssoldat zuwer-
den, begann fürOhlberger eineReise durch
mehrere Einheiten, in denen er zum
‘Schreibtischtäter’ wurde. Eine Rückkehr
in die praktische Arbeit in der Werkstatt
konnte für ihn nicht mehr eingerichtet wer-
den. Im Sommer 1998 beantragte er des-
halb die Rückstufung zum ‘SaZ 19,75’
und stieg in die
über denBerufs-
förderungsdienst
der Bundeswehr
(BFD) finanzierte
Qualifizierung für
das spätere zivile
Erwerbsleben ein.
Nach einem Ge-
spräch mit Hans-
Joachim Benner
vom
Beratungs-
zentrum Bundes-
wehr-Handwerk
,
der selbst Oberst-
leutnant d.R. ist, stand
der Plan für die spätere Karrie-
re als Handwerksmeister fest:
Ohlberger belegte den „Betriebswirt des
Handwerks“ und eine Reihe anderer berufs-
spezifischer Lehrgänge, schnupperte zur
Auffrischungder Praxis in die
überbetriebliche Lehr-
lingsunterweisung bei
der HwK hinein. Vor
der Einrichtung seiner
Werkstatt holte er sich
Rat bei der HwK-Be-
triebsberatung, die - so
der Bendorfer - „schnell
und konkret“ half, die
erforderlichenUnterlagen
für das Finanzierungs-
konzept zu erarbeiten.
Seit Ende 2000 bietet der
Jungunternehmer seinenKfz-Service an und
ist zufrieden: „Ich habe kontinuierlich zu
tun; wenn es so weiter läuft, kann ich im
Sommer vielleicht den ersten Lehrling ein-
stellen.“ Denn auf längere Sicht möchte er
sich „eine rechte Hand“ heranbilden. Als
wichtigstes Startkapital aus der Bundes-
wehrzeit sieht Ohlberger - neben der Mög-
lichkeit die Meisterprüfung abzulegen - die
erlernte Fähigkeit zu organisieren und zu
strukturieren. Und auch die Arbeit mit jun-
gen Menschen gehörte bei ihm dazu.
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