Handwerk Special Nr. 79 vom 7. Februar 2001 - page 18

Die schönsten historischen Häuser des
Kreises Mayen-Koblenz befinden sich
in Mendig, Dieblich, Münstermaifeld-
Mörz und Spay.
Zu diesem Urteil kam die Bewertungs-
kommission der Unteren Denkmalpfle-
Vergangenheit für die Zukunft erhalten
Fachjury kürte die schönsten historischen Häuser der Region
gebehörde unter Leitung ihres Vorsitzen-
den Hans-Josef Koggel.
Elf Hausbesitzer hatten sich demWettbe-
werb „Das schöne historische Haus“ ge-
stellt. Begutachtet wurde beispielsweise
die fachgerechte Sanierung der altenBau-
Schauplatz Münstermaifeld-Mörz, Alter
Weg 4. Die Grafikerin Lis Decker erwarb
das im Jahr 1840 aus Bruchstein erbaute
Anwesen 1996. Seit 1997 bewohnt sie
mit Mann und Tochter das 130 Quadrat-
meter große Wohndomizil, 2 Kilometer
von Münstermaifeld entfernt, am Ende
eines Seitentals der Mosel. In der ehema-
ligen Remise der historischen Hofanlage
entstand eine 100 Quadratmeter Ferien-
wohnung.
„Mich reizen Idylle und Charme alter
Gemäuer. Es ist ein super Wohngefühl in
Häusern zu wohnen, die eine Geschichte
haben. In Mörz kommen das schöne
Grundstück im ländlichen Ambiente und
absolute Ruhe hinzu“, sagt sie. Bereits
vorher lebteLisDecker in einemdenkmal-
geschützten Stiftherrenhaus.
Das klar gegliederte giebelständige
Wohnhaus in Mörz im Stil seiner Zeit
bildet den Anfang einer Gebäudegruppe,
die eine für das Maifeld typische Wohn-
anlage ergibt. Direkt an das Wohnhaus
schließen sich eine Fachwerkremise und
ehemaligeStallungen an, diemit der recht-
winklig zu diesem Gebäudekomplex ste-
henden ehemaligen Scheune durch einen
Fachwerküberbau verbunden sind.
Nachdringend erforderlichenSanierungs-
maßnahmen im Innern des Hauses wurde
auch das Äußere liebevoll dem histori-
schem Vorbild entsprechend hergerich-
tet. Neues und Altes gehen eine reizvolle
Verbindung ein, grob verputzte und weiß
gestrichene Wände bilden einen schönen
Kontrast zu der ebenfalls rauen Oberflä-
che des Bruchsteinmauerwerks.
Bei der Restaurierung legte die Eigentü-
merin Wert auf die Verwendung histori-
scher Baumaterialien. So verarbeitete
Dachdeckermeister Johannes Schmitt aus
Dünfus Naturschiefer. Der Dachdecker-
meister übernahm seinen Betrieb 1986
vom Vater und hat zwei Gesellen. „Das
Schieferdach ist so zu sagen das Tüpfel-
chen auf dem I bei dem alten Haus. Es
bildet mit demBruchstein-Fachwerk, den
Holzsprossenfenstern und der original
belassenen Biedermeierhaustür eine Ein-
heit“, schätzt er ein.
„Man legt bei einem historischen Gebäu-
de viel persönliches Gefühl in die Ar-
beit“, sagt Schreinermeister Gerhard
Zicka aus Dommershausen. Die Holz-
sprossenfenster im Haus kommen aus
seiner Werkstatt. „Ich sehe dann schon
mal in alte Bücher um mich zu informie-
ren.“ Seit 17 Jahren ist er gemeinsam mit
seinem Bruder selbstständig: „Angefan-
gen haben wir in einer Garage mit Hobel
und Handkreissäge. Heute beschäftigen
wir acht Gesellen und bilden zwei Lehr-
linge aus.“ Harmonisch, als wären die
Spuren der Zeit an ihm vorübergegan-
gen, fügt sich das Haus nach der Reno-
vierung ins Ortsbild ein.
Schauplatz Niedermendig, Brunnen-
straße. Bei dem zweigeschossigenmassi-
venWohnhaus imaltenOrtszentrumhan-
delt es sich um das ehemalige Haupthaus
eines mittelalterlichen Bauernanwesens.
Es wurde 1545 errichtet. Das gesamte
Mauerwerk, die Holzdecken und Fach-
werkzwischenwände sowie derDachstuhl
sind heute noch erhalten. Auch der die
Wohnhalle beherrschende offene Kamin
und die basaltene Spindeltreppe sind
Zeugnis der mittelalterlichen Wohnkul-
tur. Im 19. Jahrhundert wurden diverse
Umbauten vorgenommen. Der bisherige
Kellerzugang von außen ist einem neuen
imInnerendesHauses, vonderWohnhalle
aus, gewichen. Zwischenwände wurden
eingezogen und die komplette Hofanlage
umgestaltet.
Ende des 19. Jahrhunderts erwarben die
Urgroßeltern der heutigen Eigentümer
das Anwesen. Sie nutzten es für Personal-
unterkünfte und eine Uhrmacherwerk-
statt. Ein paar Jahre nach dem 2. Welt-
krieg bewohnten sie es selbst. Danach
stand es über 50 Jahre leer und wurde
lediglich als Lagerraum genutzt. Schrei-
nermeister Reiner Ax und seine Frau,
VerenaKrings-Ax, erwarben es 1991 und
machten das alte Haus wieder bewohn-
und belebbar. „Als Kind habe ich in die-
sem Haus gespielt. Das alte Gemäuer ist
mir ans Herz gewachsen. Der
Gedanke, dass es abgerissen
werden könnte, tat weh“, erin-
nert sich Verena Ax.
Mit viel Liebe zum Detail wur-
de das Gebäude in den folgen-
den fünf Jahren komplett res-
tauriert. In dem Architekten
Friedrich Krings, Baubeauftragter der
deutschen Burgenvereinigung, fand das
Ehepaar einen kompetenten Berater.
Schreinermeister Reiner Ax, der seit 1992
in Mendig selbstständig ist, verbrachte
fast jede freieMinute imHaus. Sein hand-
werkliches Geschick stellte er bei der
Balkenfreilegung, beim originalgetreuen
Nachbau der alten Sprossenfenster und
der Haustür, bei der Holztreppe und den
Scharnieren der Basaltstufen von Hand
unter Beweis.
Etliche Möbelstücke fertigte er individu-
ell zum Ambiente passend an. Ax, der
neben Möbeln auch Treppen, Küchen,
Laden- undBüroeinrichtungen baut, fand
im eigenen Haus eine gelungene Sym-
biose aus Alt und Neu. Nicht nur
Schreinerfertigkeiten waren bei der Res-
taurierung des Hauses gefragt. So über-
baute der Zimmereibetrieb Rosenbaum
aus Mayen den erhaltenswerten alten
Dachstuhl mit einem neuem Dach, das
mit Moselschiefer altdeutsch gedeckt
wurde.
„Das eine oder andere Detail am alten
Haus wird auf Verschönerung noch et-
was warten müssen. In Anbetracht seines
Alters von 455 Jahren sollten wir aber
dabei nicht kleinlich sein“, meinen die
Eigentümer schmunzelnd.
substanz. „Zweck des Wettbewerbs war
es, einenBeitrag zur Harmonisierung und
Belebung der Ortsbilder zu leisten und
dadurch den Fremdenverkehr zu fördern.
Alte Gebäude erzählen Geschichten. Sie
zu erhalten, bedeutet auch ein Stück Kul-
tur und Stadtbild zu bewahren“, erklärt
Koggel.
HANDWERK SPECIAL hat die Ei-
gentümer in ihren preisgekürten Häu-
sern besucht.
Bauernanwesen in Niedermendig
Historische Hofanlage in Mörz
Das heutige Äußere lässt
den Aufwand im Inneren
nicht mehr erahnen.
Lis Decker im Hof ihrer neu-
gestalteten Wohnanlage.
Fachmarkt Haus+Raum in den Hallen 2-4 auf der Handwerksmesse
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