Handwerk Special Nr. 79 vom 7. Februar 2001 - page 19

Teil 2: Vergangenheit für die Zukunft erhalten - Fachjury kürte die schönsten historischen Häuser der Region
Schauplatz Spay, Rheinufer 23/24. Ein
Juwel ist hier laut Einschätzung der Fach-
jury nach der Renovierung entstanden.
Zum Stolz seiner Bewohner und als be-
liebtes Fotomotiv der Touristen auf vor-
beifahrenden Rheinschiffen. Die Jahres-
zahl 1701 am früherer Sturzbalken des
Fachwerkhauses weist auf das Alter des
Gebäudes hin. Es hat das für den Mittel-
rhein typische Schmuckfachwerk mit ge-
schwungenen Balken und zählt zu den
prägendenen Beispielen Oberspayer
Fachwerkbauten.
Adolf Weingart, Winzer und heutiger
Eigentümer, erzählt, dass dieErbauerBau-
ern und Winzer waren. „Die würden sich
freuen, wenn sie wüssten, dass heute wie-
der Menschen aus ihrem Berufsstand im
Haus leben. Das finde ich einfach schön“,
meint er. Als das Ehepaar Weingart das
Haus 1989 nicht zuletzt wegen seiner
phantastischen Lage erwarb, beabsich-
tigte es eine Schankwirtschaft zu eröff-
nen. Ein Vorhaben, das sie aus gesund-
heitlichenGründennicht realisierenkonn-
ten. Nach zehnjähriger Sanierungszeit
wohnen Helga und Adolf Weingart mit
zwei Kindern in dem Haus. Zusätzlich
entstanden drei Ferienwohnungen. „Da
wir ein Weingut hatten, spielte die Zeit
keine Rolle. „Ich habe Achtung vor alten
Dingen, alles sollte möglichst original-
getreu restauriert werden“, erinnert sich
der Winzer.
Zimmermeister Günther Bous aus
Boppard-Buchholz betont, dass allein die
Sanierung des Fachwerks viel Zeit bean-
spruchte und großes fachliches Können
erforderte. „Alle Verzierungen und Pro-
file an Schwellen und Rehn wurden aus-
gebessert und zum Teil erneuert. Im
Schnelldurchlauf ist da nichts zu ma-
chen. Das bedarf handwerklicher Erfah-
rung, man muss wie bei einem Puzzle
Einzelteile zu einemharmonischemGan-
zen fügen“, erklärt Bous. Tischlermeister
Manfred Dahlem aus Koblenz, Restaura-
tor im Handwerk, baute die einflügelige
Haustür aus massivem Eichenholz nach
einem altem Foto. Aus seiner Werkstatt
stammen auch die Sprossenfenster sowie
eine Tür mit dazu passendem Eichen-
fenster, bleiverglast mit Segmentbogen.
„Ich bin oft mit einem Fotoapparat unter-
wegs und halte alles, was mir gefällt, als
späteres Anschauungsmaterial fest. Dar-
über hinaus informiere ich mich in Fach-
literatur“, so Dahlem, der über 30 Jahre
selbstständig ist: „Als Handwerker muss
man sich in den Kunden hineinfühlen
können, das fördert Harmonie und Ein-
klang.“
Fachwerkhaus in Spay
SchauplatzDieblich,Kirchstraße 15: „Wir
haben uns sofort in das Haus verliebt“,
sagt Ingrid Wagner, jetzige Eigentüme-
rinderHeesenburg inDieblich. Der älteste
Teil des nach dem Freiherrn Ludwig von
und zu der Hees benannten Adelssitzes
soll aus dem 13. Jahrhundert stammen.
„Aufwendige Renovierungsarbeiten, die
sich über sechs Jahre erstreckten, waren
nötig um den Bestand des Kulturdenk-
mals zu sichern“, kommentiert Ingrid
Wagner.
Allein das Ausfugen der Außenwände
zog sich über einen längeren Zeitraum
hin, weil nur ein Mitarbeiter der Firma
Daum, Bauunternehmung aus Mendig,
damit beschäftigt wurde. „Dadurch wur-
de eine einheitliche Handschrift sicher-
gestellt“, meint Maurermeister und Ge-
schäftsführerWerner Daum. „Bei der Be-
arbeitung des Mauerwerks wurden an
vielen Stellen große Löcher in den in der
Regel 80 cm dicken Mauern entdeckt.
Diese mussten ausgemauert werden, um
die Festigkeit des Mauerwerks wieder
herzustellen. Schönstes Detail aus der
Erbauungszeit ist der rundbogige Ein-
gang in den Keller. Zur Sanierung der
Kellerdecken war allerdings der Einbau
vonUnterzügen erforderlich“, ergänzt der
Chef. Mit seinen derzeit acht Mitarbei-
tern hat er sich auf die Restaurierung alter
Gebäude spezialisiert.
Tischlermeister Walter Nachtsheim aus
Mendig reparierte die vorhandenen alten
Fenster. Dabei wurden fehlende Beschlä-
ge nach alten Teilen rekonstruiert und
Heesenburg in Dieblich
ersetzt. Auch die alten Innentüren setzte
Nachtsheim wieder instand. „Es ist eine
besondere Herausforderung nach alten
Vorgaben zu arbeiten. Wenn das restau-
rierte Haus dann einen Preis erhält, freut
man sich besonders einen Anteil daran
zu haben“, sagt Nachtsheim, der drei Ge-
sellen und zwei Lehrlinge beschäftigt.
Zwei Objekte bedurften besonderer
Restaurierungsarbeiten: Die historische
Haustür und die Spindeltreppe aus dem
17. Jahrhundert. Ingrid Wagner erzählt,
dass ihr der Architekt empfahl aufgrund
des schlechten Bauzustands eine neue
Tür einzubauen. In Schreinermeister Jür-
gen Zmelty aus Lahnstein fand sie einen
Handwerker, dem Restaurierungen von
historischenBaumaterialienbesonders am
Herzen liegen. Er ergänzte die fehlenden
Teile in der stark verrotteten unteren
Hälfte der so genannten Klöntür mit al-
tem Nussbaumholz und verzapfte sie mit
den vorhandenen Teilen. Die Spindel-
treppe verbindet vier Geschosse mitein-
ander. Fast alle Stufen mussten wegen
der Standfestigkeit ausgespänt werden,
Risse wurden mit Massivholz aufgefüllt.
Malermeister UweWiechert aus Koblenz
arbeitete alle Wände mit Mineral-
schlämme vor, bevor er dieweißeMineral-
farbe auftrug. Stark gerissene Decken
mussten zunächst mit eingespachteltem
Gewebe befestigt werden. „Nach glei-
chem Verfahren wurde auch ein Riss in
einer alten Lehmstuckdecke behandelt.
Das erfordert besondere Sorgfalt“, be-
tontWiechert, der seit sechs Jahren selbst-
ständig ist und vier Gesellen hat.
Helga und Adolf Weingart und ihr
sehenswertes Fachwerkhaus.
Ingrid Wagner im restaurierten
Treppenhaus der
Heesenburg.
Auf der MESSE AM RHEIN:
Fachmarkt Haus+Raum - Vom Keller bis zum Dach
Traditionell nimmt der Fachmarkt
Haus+Raum - vomKeller bis zumDach
auf der Handwerksmesse Koblenz einen
breitenRaumein. Bauen, Ausbauen, Re-
novieren, Sanieren, Einrichten - alle
Bereiche zu den Themen Wohnen und
Lebensräume sind hier vertreten. Anzie-
hungspunkt werden wieder die „Leben-
den Werkstätten“ des Bau- und Aus-
bauhandwerks sein. Maurer, Zimmerer,
Dachdecker, Stukkateure, Fliesenleger,
Metallbauer, Tischler und Raum-
ausstatter zeigen hier ihr Können.
Weitere Fachmärkte: Energie+Umwelt,
CiB - Computer im Betrieb, Handwerk
ist Hightech, Weiterbildung für morgen.
Bauen - Ausbauen - Renovieren: Fachmarkt Haus+Raum in den Hallen 2-4
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26
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