Handwerk Special Nr. 79 vom 7. Februar 2001 - page 8

Dann back´ ich mir einen
Rennwagen...
Wenn samtweiche Carbonfasern bei NITEC härter als Stahl werden
Es ist ein skurriler Produktmix,
den Oswald Gerl seinen Besu-
chern präsentiert: Liegeflächen
für Röntgentische, Flugzeugrü-
ckenlehnen,schusssichereAuto-
bauteile,ganzeKfz-Karosserien,
Druckbehälter, Rohrleitungen,
Antriebswellen. So vielfältig der
spätere Einsatz, so „einseitig“
dasUrsprungsmaterial:Carbon.
Superfest, superleicht, super-
belastbar.
Gerls Erläuterungen, die er dazu
abgibt, sind nur was für geübte
Ohren – genau wie der Marsch
durchs Unternehmen finden sie
im Renntempo statt. Mit seiner
flottenArt hat sich der gebürtige
Niederbayer der neuen Umge-
bung imkleinenEifelort Nieder-
zissen angepasst. Er ist Ge-
schäftsführer derNitecEnginee-
ring, einemhandwerklichenAb-
leger im Rennsportmekka Zak-
speed. Der Mutterkonzern, in
aller Welt für schnelle Rennwa-
gen„madeinGermany“bekannt,
ist vor Jahren in vier Bereiche
gegliedert worden - die 1991
gegründeteNitecEngineeringist
einer davon. Sie deckt die hand-
werklicheFertigungimZuliefer-
bereich mit Kunststoffbauteilen
ab. Und das bedeutet Vielseitig-
keit in Kleinserien, ob im Mo-
torsport, in der Sicherheits- und
Fahrzeugtechnik, der Luft- und
RaumfahrtoderMedizintechnik.
Schusssichere Kräftefänger
Schlüsseltechnologie ist dieFer-
tigung mit Carbon. Was auf ei-
ner Rolle wie Stoff angeliefert
wird, bringen die fast 90 Nitec-
Mitarbeiter, darunter zwei Lehr-
linge, in Form und „backen“ es
anschließendunterhohemDruck
und Temperatur. Das Ergebnis
dieserArbeitistsiebenmalleich-
ter als Stahl – und sieben mal
härter. Je nach Zugabe von wei-
teren Kunststoffen können Ei-
genschaftenwieBruchverhalten,
DehnungsfähigkeitoderAbsorp-
tionsvermögenvonKräftenganz
nachKundenwunsch „reguliert“
werden. Gerade das Absorbie-
ren von Kräften lässt die Viel-
seitigkeit im Einsatz erahnen:
So fährt einNitec-Kunststoffzy-
linder ganz vorn an der neuesten
Generation der ICE-Züge im
flotten Tempo durch die Lande.
Der Zweck: Crashabsorber bei
leichten Kollisionen. Und selbst
schusssichere Bauteile für die
Fahrzeugproduktion verlassen
markenübergreifend das Nie-
derzissenerUnternehmen, das in
einigen Betriebsbereichen den
Hauch des Geheimnisvollen be-
kommt. Nicht alles darf gese-
hen,geschweigefotografiertwer-
den, „denn wir arbeiten nicht
nur für zivile Bereiche“ um-
schreibtBeetriebsleiterGerl vor-
sichtig.
Hauptaufgabengebiet war und
ist die Anfertigung von Renn-
sportteilen. Ganze Karosserien
werden aus edlem und teurem
Carbon gefertigt. Neuester Clou
der findigenHandwerker aus der
Eifel: 2001 wird mit der neuen
„V8STAR“-Rennserie ein rei-
nes Zakspeed-Produkt an den
Start gehen, das auf 24 identi-
schen „Untersätzen“ eineKunst-
stoffhülle ganz nach den Lieb-
lingsmarken der Kunden wie-
derfindet. Dann werden die Sil-
houetten von 5er
BMW, Opel
Ome-
ga
oder
dem
Jagu-
arS-Type
im Renn-
tempoundmit
450PS ihreRun-
den drehen. Die
Einheitstechnik
erhöht die Chancengleichheit
und spart Geld. Eine Idee, mit
der dank der jahrelangenMotor-
sporterfahrungenvonZakspeed,
erstklassiger Technik und hoher
Publikumsresonanz gute Er-
folgsaussichten verbunden sind.
Entwickelt und gebaut wird da-
bei alles in einem Haus, inklusi-
Der durchsichtige Patient
Ebenfalls in den Schwebezu-
standwerden Patienten versetzt,
die sich auf Carbon-Röntgen-
tischen oder Computertomogra-
fendurchleuchten lassen. Unter-
bautenausMetallmachenmanch
eindeutige Diagnose zweideu-
tig. Nitecs Röntgenbilder zeigen
das, worauf es ankommt: Nur
noch den Patienten.
Das unternehmerische Leitmo-
tiv „Wirmachen aus guten Ideen
erfolgreiche Produkte“ gilt ge-
rade im Automobilsektor nicht
nur für Partner „außer Haus“.
Ende 2001 will man den ehrgei-
zigen Plan vom eigenen Super-
sportwagen über die Straße rol-
len lassen. Abgerundet wird die
allgegenwärtige High-Tech-
OffensiveimUnternehmendurch
Wasserschneidanlagen, Schweiß-
plätze für Sonderstähle bis hin
zumTitan,Hochleistungsmotor-
prüfstände, CNC-Dreh- und
Fräsmaschinen und eine gigan-
tische Computerentwicklungs-
abteilung. Zakspeed gibt Gas,
nicht nur auf der Rennstrecke,
sondern auch beim Einsatz von
Zukunftstechnologien. Nurwird
diesesRennenniemalsabgewun-
ken...
Im Spezialofen werden aus weichen Carbonmatten
passgenaue Bauteile sieben mal härter als Stahl.
Betriebsleiter Oswald
Gerl mit der Rückenleh-
ne aus Carbon für die 1.
Klasse eines modernen
Verkehrsflugzeuges. In
den viereckigen Aus-
schnitt wird später ein
TV-Monitor eingebaut.
Für die
neueste
ICE-
Gene-
ration
bauen
die
Niederzissener einen Stossabsorber in die vordere „Zug-
Nase“, für das Heck fertigen sie ein Sonnenschutzgitter
(Bild oben).
ve Versuche imWindkanal. Die
gesamteHülle eines ausgewach-
senen Tourenrennwagens wiegt
weniger als 60 Kilogramm.
Wird im Motorsport mit Karos-
serieform und Spoilerpaket Bo-
denhaftung angestrebt, ist ein
anderes Nitec-Produkt der wah-
re Überflieger: Auch die Rü-
ckenlehnen moderner Flugzeu-
ge erleben ihre Geburtstunde in
Niederzissen und wiegen soviel
wie ein normales Handy.
Haupteinsatzgebiet für die
Carbonbauteile ist der
Rennsport, in dem die
NITEC-Mutter Zak-
speed seit Jahren er-
folgreich unterwegs ist.
Hightech vomFeinsten: Technologie-Inseln auf der Handwerksmesse, Halle 1
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