Handwerk Special Nr. 71 vom 24. November 1999 - page 10

Häuslicher Siegertyp:
Preisträger des Bundesdenkmalpreises / HwK-Weiterbildung
Die Lage könnte idyllischer
kaum sein. Schaut man aus
den Fenstern, fällt der Blick
auf dasTal desMittelrheins,
da, wo es am schönsten und
romantischsten ist.
Nicht nur das Bild, das sich
dem Betrachter aus jedem
Fenster heraus bietet, ist an-
ders, sondern auch das Fen-
ster selber, so, wie es früher
eben, in von Din-Normen
noch gänzlich freien Zei-
ten, einmal war. „Wir ha-
ben keine zwei völlig iden-
tische Fenster im Haus,“
meint denn lachend auch die
Hausherrin und nimmt’s mit
Humor. Schließlich hat Ute
Hutzelmann auch allen
Grund zur Freude, denn
zusammen mit ihrem Ehe-
mannUlrichkonntesiebeim
diesjährigen Bundespreis
für Handwerk in der Denk-
malpflege aus der Hand des
rheinland-pfälzischenMini-
sterpräsidenten Kurt Beck
den zweiten Preis in Emp-
fang nehmen.
GEDIEGENE ZEITEN
Verdienter Lohn für viel
Zeit, Mühe und natürlich
auchGeld, das die beiden in
die 1686 gleich am Rheinufer in
Spay erbauteSchmiede investie-
rten. Damals, vor über 300 Jah-
ren, mochte das auch unter öko-
nomischem Aspekt eine ausge-
sprochen gute Lage gewesen
sein, kamen doch hier sowohl
die auf der Straße Reisenden
vorbei wie diejenigen, die mit
ihren Pferden die Schiffe auf
demRhein treidelten. Nicht um-
sonst wirkt das Haus, das ur-
sprünglichmit der benachbarten
Hälfte eine Einheit bildete, noch
heute eindrucksvoll und gedie-
gen, mit seinem hohen, aus dik-
ken Natursteinen gemauerten,
Hochwasser und Eisgang trot-
zenden Sockelgeschoss. Eine
Messlatte zeigt eindrucksvoll,
wie wichtig diese Höhe war und
ist. Ehedem war in ihm die
Schmiede untergebracht. Dar-
über erheben sich, nahezu
hochwassersicher, die Fach-
werketagen mit dem schiefer-
verkleideten Giebel, dem groß-
zügigen, leicht gerundeten, zum
Rhein hin gekehrten Dacherker.
KEIN KORSETT
Auch innen wirkt vieles sehr
großzügig und repräsentativ, die
Größe der Räume, die schöne,
geschweifte Treppe, die sog.
„Kölner Decke“ mit ihren aus
Feuerschutzgründen auch vor
Jahrhunderten schon verputzten
schweren Eichenbalken im heu-
tigen Esszimmer. Fast vier Jahre
lang dauerten die Restaurie-
rungsarbeiten, bis die Eigentü-
mer in ihr denkmalgeschütztes
Domizil einziehen konnten.
„Dass unserHaus un-
ter Denkmalschutz
gestellt worden war,
stellte für uns bei der
Restaurierung ei-
gentlich nie ein Pro-
blemdar,“erklärtUte
Hutzelmann.DieAn-
forderungenundAuf-
lagen der Denkmal-
pflege seien nie un-
nötig eng oder bela-
stend erschienen.
„Wir mussten bei der Restaurie-
rungderAußenfassadebeispiels-
weise den Kunstschiefer durch
Naturschiefer ersetzen und das
Fachwerk inOchsenblutrot oder
Braun streichen, aber das hätten
wir ohnehin auch so gemacht.“
DiedarüberhinausgehendenAn-
regungen des Landeskonserva-
tors habe sie im Gegenteil sogar
oft als willkommene fachmän-
nische Anregung genommen.
MIT LIEBE RESTAURIERT
Da sich die Hutzelmanns schon
vor dem Kauf in das alte Haus
am Rhein verliebt hatten, weil
sie eben gerade keinen gesichts-
losen Neubau wollten, sondern
ein Haus mit Geschichte („Es ist
faszinierend, wenn man sich
überlegt, was sich hier vor 200
oder 300 Jahre schon getan ha-
ben mag, welche Leute sich an
dieser Stelle vielleicht getroffen
haben!“), waren sie ohnehin nur
zu sehr daran interessiert, alles
zu tun, um seinen Charakter zu
wahren,restauriertenes nachtra-
ditionellen Baumethoden und
mit historischen Materialien.
„Natürlich haben wir uns selber
intensiv mit der Thematik be-
schäftigt, als wir mit der Arbeit
anfingen, aber ohne die tatkräf-
tige Unterstützung und das En-
gagement aller beteiligtenHand-
werker wäre nie ein so gutes Er-
gebnis zustande gekommen,“
bedanktsichdieHausherrinnoch
nachträglich bei den beteiligten,
für ihreArbeit gleichfalls ausge-
zeichnetenHandwerksbetrieben.
Die z. B. die vorher teilweisemit
Bimssteinen zugemauerten Ge-
fache des Fachwerks wieder in
traditionellerLehmbauweiseaus-
füllten, Versorgungsleitungen,
ansonsten nicht immer ganz ein-
fach zu verlegen, im vorhande-
nen Kaminschacht verlegt, die
alte Holztreppe Stufe für Stufe
auseinandernahmen, restaurier-
tenundwieder zusammenfügten.
„Als Ergebnis kann ein Wohn-
haus ausgezeichnet werden, das
unter Berücksichtigung aller
denkmalpflegerischen Belange
den individuellen Bedürfnissen
der Bewohner entgegen kommt
undgroßeWohnqualitätbesitzt,“
so die Begründung für die Ver-
gabe des zweiten Preises an die
ehemalige Schmiede
in Spay. Dass sie da-
zudenperfektenRah-
men für solch pas-
sionierte Liebhaber
und Sammler alter
Dinge bietet, wie es
die Hutzelmanns
sind, erlebt der Be-
sucher in allen Eta-
gen - eben ein Haus,
das Geschichte(n)
erzählt.
Leben im Preisträger: Nicht nur von Aussen macht das Spayer
Haus einiges her, auch innen herrschen Gemütlichkeit, Wohnqua-
lität und Verbundenheit zur guten alten Zeit...im kleinen Bild ganz
oben zu sehen im Jahr 1920.
Altes bewahren
Das Zentrum für Restau-
rierung und Denkmalpfle-
ge der HwK Koblenz berät
beim Umbau denkmal-
geschützter Bauten. Info-
Tel.: 06785/97 31-760.
Zentrum für
Restaurierung
und Denkmal-
pflege der HwK
Koblenz,
Schlossweg 6,
55756 Herrstein,
Tel.: 06785/
9731-760
An der Restaurierung der ehemaligen Spayer Schmiede
und Halfterstation beteiligten sie folgende, ausgezeichnete
Handwerksbetriebe:
Lembau:
GerdMeurer Natürliches Bauen
, Koblenz; Elek-
troinstallation:
Jürgen Braun
, Koblenz; Maler:
Johannes
Rauland
, Koblenz; Heizung/Sanitär:
MaisGmbH&Co.KG
,
Koblenz; Tischler:
AdolfFischerTischlereiundBildhauer-
arbeiten
, Oberfell/Mosel.
Am29./30. November bietet das
HwK-ZentrumeinSeminar über
„Spatula Stucchi“ an, eine
Mineralspachteltechnik auf
Kalkbasis. Wegen ihrer edlen,
natürlichen und effektvollen
Oberflächen finden die in Itali-
en entwickelten und perfektio-
niertenKalkglättetechniken im-
mer mehr Interesse. Am 6. und
7. Dezember findet ein Frei-
handzeichenkurs statt, in dem
die teilnehmer lernen, Gesehe-
nes zu ordnen, Proportionen und
Hell-Dunkeltöne wahrzuneh-
men und in einer Skizze zu no-
tieren, wichtig z. B. bei Be-
standsaufnahmen.
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