Handwerk Special Nr. 61 vom 3. April 1998 - page 20

Im Gespräch
Karl-Heinz Scherhag: Ein Full-time-Job in Politik &Wirtschaft
ImTerminkalender ist kaumnoch eine
Uhrzeit ohne Eintrag. Bonn, Berlin, im-
mer wieder Koblenz. Und auch der Kopf
ist voll, „mit vielen guten Ideen“. Karl-
Heinz Scherhag. Unternehmer, Hand-
werksmeister, Präsident der HwK Ko-
blenz, Bundestagsabgeordneter, CDU-Po-
litiker. Der gebürtige Koblenzer ist stän-
dig in Bewegung. Handwerk special hat
mit ihm über Privates genauso gespro-
chen wie über seine Arbeit für das Hand-
werk, sein Engagement im Bundestag.
„Wer heute stehenbleibt, fällt zurück“ -
ein Satz, den man Karl-Heinz Scherhag
ohne Zweifel abnimmt. Das trifft für den
Unternehmer genauso zuwie für denBun-
destagsabgeordneten. Und auch den Fa-
milienvater. Zwei Kinder hat er zusam-
menmitEhefrauHelgagroßgezogen,1959
den Meisterbrief als Kfz-Mechaniker ge-
schafft, in Koblenz-Güls den eigenen Be-
trieb gegründet. Da war er 23 Jahre alt.
Verantwortung übernehmen - eine Maxi-
me, die er immer sehr ernst genommen
hat. In seinemUnternehmen arbeiten heu-
te 55 Mitarbeiter, „wir bilden über unse-
ren betrieblichen Bedarf aus und bieten
den jungen Menschen eine Arbeitsstelle
auch nach der Lehre.“ 1998 erlernen 14
Jugendliche im Unternehmen Scherhag
ihren Job. Das ist die ganz private „Poli-
tik“ von Karl-Heinz Scherhag für die Re-
gion.
Um Bundespolitik, in der sich die Region
an Rhein und Mosel wiederfindet, dreht
sich seine Arbeit in Bonn. 1994 wurde der
CDU-Politiker durch die Menschen in
seinem Wahlkreis 148 mit der Wahrneh-
mung ihrer Interessen im Bundestag be-
traut. Eine Aufgabe, „der ichmit Herz und
Seele nachgehe.“ Vom ersten Tag an, „ein
Hinterbänkler bin ich noch nie in meinem
Leben gewesen.“
Scherhag ist Mitglied im Bundestagsaus-
schuß fürWirtschaft und stellvertretendes
Mitglieddes Finanzausschusses sowie des
Ausschusses für Bildung, Wissenschaft,
Forschung, Technologie und Technik-
folgenabschätzung.
Seine bedeutendste Aufgabe nimmt er als
Mitglied der parlamentarischen Arbeits-
gruppe, deren Aufgabe die Überarbeitung
der Handwerksordnung ist, wahr. Eingan-
zer Wirtschaftsbereich und Deutsch-lands
Ausbilder Nummer 1 soll mit der Geset-
zesnovelle startklar für ein grenzenloses
Europa und damit für den zweitgrößten,
geschlossenenWirtschaftsbereich auf die-
ser Erde gemacht werden.
„Das Handwerk muß nicht nur auf die
neue Situation reagieren - es muß bei der
Kursbestimmung mit ins Ruder greifen.
Vor unseren Augen entwickelt sich mit
Riesenschritten ein neues Europamit neu-
en Chancen - die wollen wir natürlich für
uns nutzen“. Auch hier ist die Devise des
Koblenzers: Wer heute stehenbleibt, fällt
zurück.
Ende 1997 ist die komple-
xe Überarbeitung der
Handwerksordnung ge-
schafft,Karl-HeinzScher-
hag bringt vor dem Deut-
schen Bundestag die Ge-
setzesinitiative ein. Seit
Anfang März´98 ist die
neue Handwerksordnung
beschlossene Sache und
sogar vom Bundesrat par-
teiübergreifend einstim-
migverabschiedetworden
- „ein klar positives Signal
für die neue Handwerks-
ordnung“, deren wichtig-
ste Punkte Karl-Heinz Scherhag in der-
zukunftsorientiertenAnpassung anmarkt-
wirtschaftlicheGegebenheiten sieht. „Mit
der ZusammenlegungeinigerHandwerks-
berufe und einem modernen Berufsbild
wird demHandwerker die
Auftragsabwicklung ver-
einfacht - er kann dem
Kunden mehrere Leistun-
gen kompetent aus einer
Hand bieten - davon pro-
fitiert natürlich auch der
Auftraggeber.“
ImMeisterbriefsiehtHand-
werksmeisterScherhagdie
Grundlage für den wirt-
schaftlichen Erfolg des
Handwerks.„EristeinGü-
tezeichen, eine Garantie
fürQualität inAusführung
vonArbeitenwie auch der
Ausbildung junger Men-
schen.“KritischeStimmen
keit.“Und: „Warumhabenwir inDeutsch-
land so wenig Gasunfälle in Häusern, wa-
rum stürzen hier keine Gebäude ein, war-
um ist die technische Sicherheit im Stra-
ßenverkehr Vorbild?“ Von nichts kommt
auch nichts, „das hohe Niveau im Hand-
werk, das aus der Meisterprüfung resul-
tiert, garantiert einen Verbraucherschutz,
auf den heute niemand verzichten will.”
Mit der Novelle ist die eine Schlacht ge-
schlagen, mit demBundestagswahlkampf
steht der Koblenzer bereits in der näch-
sten.
„Ich mache gar kein Geheimnis daraus,
daß ich auch in den nächsten vier Jahren
als Abgeordneter die Interessen der Regi-
on im Bundestag vertreten möchte.“
Als wichtigste politischen Ziele nennt er
die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die
Schaffung von Lehrstellen und eine ver-
stärkte innere und äußere Sicherheit der
Bevölkerung.„TechnischerFortschrittund
Automatisierung müssen nicht Arbeitslo-
sigkeit bedeuten. Es geht darum, dieMen-
schen in andere Arbeitsprozesse einzu-
binden.“ Zu tun gibt es genug, die wirt-
Wieviel Kraft kostet ihn sein politischer
und wirtschaftlicher Full-time-Job? „Das
läuft nur, wenn die Arbeit Spaß und Sinn
macht.“ Gestern abend in Bad Homburg,
jetzt in Koblenz, am Nachmittag der Flug
nach Berlin. Was sagt die Familie dazu?
„Ohne die Unterstützung durch die Fami-
lie ist so ein Engagement nicht machbar.
Hier sammle ich Kraft, finde Bestätigung,
erfahre ehrliche Kritik.“ Praktische Un-
terstützung bekommt er dabei durch sei-
nen Sohn - natürlich auchHandwerksmei-
ster und Diplom-Kaufmann - der längst
im Betrieb steht und zusammen mit Karl-
Heinz Scherhag das Unternehmen leitet,
das er einmal weiterführen wird. Und spä-
testensmit seinen drei Enkelkindern hat er
privat die Zukunft um sich, die er als
Politiker und Unternehmer tagtäglich mit
viel Einsatz mitgestaltet.
Politische Freunde: Bundes-
kanzler Dr. Helmut Kohl und
Karl-Heinz Scherhag ziehen
politisch an einem Strang.
In der Familie, so
Karl-Heinz Scher-
hag, finde er Kraft,
Bestätigung und
ehrliche Kritik.
Auf dem Bild
neben ihm Ehefrau
Helga, Sohn Mark
und Tochter
Saskia.
Kompetenz in internationaler Politik:
Mit Bundespräsident Roman Herzog
während eines Staatsbesuches beim
bulgarischen Minsterpräsidenten.
Kompetenz in nationaler Politik: Mit
Bundestagspräsidentin Prof. Rita Süßmuth
während der Meisterfeier 1995.
Ob Staatsbesuch
oder Auszeich-
nung von Hand-
werksgesellen:
„Ich nehme alle
meine Verpflich-
tungen sehr
ernst.“
zum großen Befähigungsnachweis über-
hört er nicht, „doch die Argumente, ohne
Meisterbriefwürde esmehr Existenzgrün-
dungen geben, sind realitätsfern - kein
anderer Wirtschaftsbereich hat soviele
Existenzgründer unter 30 Lebensjahren
wie das Handwerk. Die Meisterprüfung
schafft optimale Voraussetzungen für ei-
nen erfolgreichen Start in die Selbständig-
schaftliche Gesamtsituation beurteilt Po-
litiker und Unternehmer Scherhag als gut.
„Der Konjunkturzug nimmt wieder Fahrt
auf“. Auch hier gilt: Wer stehenbleibt,
fällt zurück. Scherhag spricht über eine
neue EDV-Anlage, die tags zuvor in sei-
nem Betrieb „online“ ging und erklärt
Speicherkapazitäten und Übertragungs-
geschwindigkeiten,Umrechnungsmöglich-
keiten „Mark-Euro“. „Ich rede nicht nur
auf Veranstaltungen über die Vorzüge des
Euro und darüber, wie man sich auf ihn
vorbereitet. Ich handele auch danach.“
Erst mit dem Tag der Euro-Einführung
aktiv werden, kostet viel Kraft.
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