Handwerk Special Nr. 119 vom 27. Oktober 2007 - page 11

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„Müssen Friedhöfe
langweilig sein?“
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„Friedhöfe können durch viel-
fältige individuelle Angebote
den unterschiedlichsten Bedürf-
nissen der Menschen Rechnung
tragen. Ich gehe deshalb sogar
soweit und frage – aber viel-
leicht gibt es das doch schon
anderswo? – warum gibt es
keine Konzerte, und wenn nur
aus der Zeit des Frühbarocks, in
Friedhofshallen? Für mich sind
auch Lesungen, Vorträge und
Gesprächsrunden zu philoso-
phischen und religiösen Fragen
auf Friedhöfen vorstellbar. Ich
stellemir Führungen zuThemen
wieArchitektur,KunstundBota-
nik,Führungenunterkulturhisto-
rischen Aspekten vor. Teilweise
gibt es das übrigens bereits in
Koblenz,warumnichtnochmehr
und auch anderswo?“
Nachdenken über Tod und
Trauer könnte in Cafés oder
Bistros, in denen man sich trifft
und bei Bedarf auch geistliche
und psychologische Hilfe be-
kommt, möglich sein. „Auch
an die Kinder muss gedacht
werden. Warum sollen sie nicht
aufRasenflächenspielen,sichan
Seerosen und Fischen an dafür
angelegten Teichen erfreuen?
Warum können Eltern den
FriedhofnichtalsParklandschaft
erlebenundihnzumSpaziergang
mit dem Nachwuchs nutzen?
FriedhöfealsNaherholungszent-
ren? Warum nicht? Sind Leben
und Tod nicht ein Kreislauf?
Der Tod, das Bewusstsein dafür,
muss zurück ins Leben!“
Komplexe gestalterische
Aufgabe
„Ich höre immer wieder, dass
viele Menschen etwas anderes
suchen, als das,was gegenwärtig
aufdemFriedhofmöglich ist. Sie
wollen pflegefreie Grabstätten
oder ein Grab pflegen in einem
Umfeld, das ihnen entspricht.
Der Friedhof der Zukunft ist eine
gestalterischeHerausforderung,
die mit Feingefühl angegangen
werden muss. Sie ist natürlich
auch eine technische Aufgabe.
Geht es doch auch um Wege,
Brunnen, Grünanlagen. In die-
se komplexe Aufgabe können
neben Architekten, Garten- und
Landschaftspflegern, Denkmal-
pflegern und Steinmetzen auch
Metallbauer, Glaser, Keramiker
undTischlereinbezogenwerden.
Ein ganzer Wirtschaftszweig ist
hier neugefordert, sichgegendie
Kultur des schnellenVergessens
zu stellen“, betont derKoblenzer
Hauptgeschäftsführer.
Für ihn unterstreichen „Grab-
steine die Persönlichkeit des
Verstorbenen und lösen positive
Erinnerungen beim Trauernden
aus“. „Die Steinmetze sind bes-
tens gerüstet, ganz individuelle
Vorschlägezumachen.AuchUr-
nengrabmalelasseneineVielzahl
gestalterischer Möglichkeiten
zu.“ „Nicht zu übersehen ist der
Trend zur Anonymisierung in
der Bestattungskultur. Deshalb
sind entsprechende Antworten
zu finden. Das gilt weniger für
jedes Grab, als vielmehr um
die Gestaltung ganzer Flächen.
Die Platzverhältnisse auf den
Fredhöfen sind in vielen Kom-
munenbegrenzt. Es gibtweniger
Fläche. Die Grabstätte wandelt
sich. Veränderungkannbewusst
gestaltet werden. Der regional
zunehmende Trend zu Urnen-
gräbern erfordert generell die
neue Nutzung von Freiflächen
und Wegen“, ist Wilbert über-
zeugt. „Friedfelder, die derzeit
an einigen Orten entstehen,
eröffnen wieder andere Aspekte
imUmgangmit Tod undTrauer-
bewältigung. EinUmbesinnen in
der Art der Bestattung erfordert
ohnehin eine Neugestaltung bei
begrenzter Verfügbarkeit der
Flächen.“
Mehr Freiheit auf
den Friedhöfen
„Es kommen neueAufgaben auf
die Steinmetze, aber auch auf
andere Gewerke zu“, ist Wilbert
sicher. Er verweist darauf, dass
der Bundesinnungsverband des
Deutschen Steinmetz-, Stein-
und Holzbildhauerhandwerks
für Mustergrabfelder plädiert,
wie zuletzt auf der Bundesgar-
tenschau in Gera vorgestellt, auf
denen die Friedhofsbesucher
sich vor Ort über verschiedene
Bestattungsformen und Grab-
male informieren können. Hier
werdenTrendsfürdieNeugestal-
tung freierBelegungsflächenauf
Friedhöfen präsentiert. „Auch
bei der BUGA 2011 in Koblenz
muss die Grabfeldergestaltung
Thema sein. Grabanlagen ge-
hören ins Leben“, betont Wil-
bert. „Friedhöfe sind öffentlich
zugängliche Räume, in denen
sich die differierendenWünsche
Vieler begegnen. Rückzugsräu-
meaus derAlltagshektik,Räume
für Gefühle, Besinnung und
Erinnerung.DerFriedhofistaber
aucheinKulturgut. Er dokumen-
tiert Historie und Entwicklung
einer Bestattungskultur und
Stadtgeschichte. Kirchen und
Kommunen sind als Friedhofs-
trägerdeshalbaucheinemsozial-
kulturellenAuftrag verpflichtet.
DieFriedhofsordnungenmüssen
deshalb nachvollziehbar sein
und dürfen nicht zu Zwängen
führen. Vorschriften sind sicher
wichtig,abersiemüssenauchder
Entwicklung der Gesellschaft
angepasst werden.“
Zurück in die
Mitte der Stadt
„ImMittelalter war der Friedhof
mit der Kirche der Mittelpunkt
des Ortes. In der Neuzeit haben
vorrangig kommerzielle Inte-
ressen und ein hochverdichtetes
Stadtzentrum die Friedhöfe an
den Stadtrand verbannt und da-
mit: ‘Aus den Augen, aus dem
Sinn’. Der Friedhof der Zukunft
sollte zurück in die Stadt. Er
muss als Parklandschaft zum
ganz normalen Spaziergang
einladen. Weite Wege dürfen
den Zugang nicht erschweren.
Die zeitgemäße Gestaltung von
Friedhöfen muss ein Angebot
für alle Besucher sein. Das ist
ein Prozess, in dessen Verlauf
alle am Friedhof Tätigen aktiv
mitgestalten müssen. Es gibt
noch viel zu tun!“
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