Handwerk Special Nr. 116 vom 5. Mai 2007 - page 9

Bäcker geben ihr Wissen weiter - ob hierzuland oder in Guatemala
Nr. 116
5. Mai 2007
Klasse statt Masse
„Jedes Brötchen ist ein
Einzelstück. Es ist mit
Liebe gemacht. Das muss
der Kunde sehen und
schmecken. Es interes-
siert ihn doch nicht, dass
täglich 2000 Brötchen und
150 Brote gebacken wer-
den. Er möchte s e i n
Backwerk vom Bäcker ge-
nießen“, sagt Bäcker- und
Konditormeister Gunther
Wick aus Hahnstätten.
Seit 1972 ist er für seine Kunden
da. Ehefrau Gudrun, Bäckerei-
fachverkäuferin, stärkt ihm von
Anfang an den Rücken. „Ganz
wichtigfüreinenselbstständigen
Handwerksmeister ist die Frau
an seiner Seite“, weiß er. Hand-
werkliche Klasse statt Masse
steht für Wick, der seit Januar
Kreishandwerksmeister der
Kreishandwerkerschaft Rhein-
Lahn ist, obenan. „Billig gibt
es bei uns nicht, nur preiswert.
DieQualität unsererWare ist die
handwerkliche Meisterarbeit.
Und der Service, auch schein-
bar Unmögliches möglich zu
machen, zeichnet den Bäcker
um die Ecke aus“, ist er sicher.
„Wenn ein Kunde gern scharf
gebackene Brötchen möchte,
bekommt er sie. Eine bestellte
Torte wird fertig, selbst wenn
der Auftrag erst ganz kurzfristig
erteilt wurde.“ Ein reichhaltiges
Kuchen- und Tortenangebot so-
wieEisspezialitätenundPralinen
aus eigener Produktion runden
das umfangreiche Brot- und
Brötchenangebot der Bäckerei
Wick ab. Werktags gibt es Früh-
stück im gemütlichen Café.
Trends erkennen,
Ideen aufspüren
„Lernen im Handwerk hört nie
auf. Schwierige Zeiten überlebt
nicht, wer jammert, sondernwer
sich Trends anpasst und neue
Ideen aufspürt“, sagt Wick. Er
erzähltvonBackvorführungenin
der neu eingerichteten gläsernen
Backstube und von den Bio-
Backwaren, die er ins tägliche
Backprogramm aufgenommen
hat. „Ich bin überzeugter Bio-
bäcker“, sagt er. Er verweist auf
die Zertifizierung der Bäckerei
als einer der bislang wenigen
Betriebe, die Bio-Backwaren
herstellen. Fünf Bio-Brot- und
vier Bio-Brötchensorten gibt
es in Hahnstätten und den vier
Filialen im Umkreis von 10
Kilometern. „Ich bekomme
das Getreide aus biologischem
Kreishandwerksmeister Wick: Jedes Brötchen ein Einzelstück
„Kinder lieben Mehrkornbrot“ - Günther Thiermann baute in Guatemala Bäckerei auf
Steckbrief: Bäckerei Wick, Hahnstätten
Gegründet 1972 | 18 Mitarbeiter (davon 3 Lehrlinge) | Bäckerei,
Konditorei, Café | Tel.: 06430/ 7622 |
Woran gesundheitsbe-
wusste Eltern hierzulande
oft scheitern, gelang
Günther Thiermann in
Guatemala innerhalb
weniger Wochen. In
kürzester Zeit hatte er
aus 500 Kindern echte
Körnerbrotfans gemacht.
mit einemerfahrenenBäcker die
Backstubenunselberschmeißen.
„Das läuft alles ganz prima
ohne mich weiter“, freut sich
Thiermann.
„Für mich war der Einsatz in
Guatemalaeinefantastische
Erfahrung. Ich war
jeden Morgen
froh, dass
ich dort arbeiten durfte“,
schwärmt der freiwillige
Helfer, von dessen Bäcker-
Know-how übrigens auch
schon Menschen in Thailand,
auf Bali oder den Philippinen
profitierten.
Und da Günther Thiermann
einerseits ein Freund von
Pünktlichkeit ist, er anderer-
seits aber auch nicht samstags
und sonntags inderBackstube
stehen möchte, hat er im
Kinderdorf ein neues Zeit-
management eingeführt. „Der
Arbeitstag beginnt nun nicht
mehr um 9 oder um 9.30 Uhr,
sondernimmerum7Uhr.Aber
dafür wird am Wochenende
jetzt nicht mehr gearbeitet.“
Nach einigem anfänglichen
Murren, so versichert der
ehemalige Bäckerei-Inhaber,
hätten seine jungen Bäcker
den „deutschen Rhythmus“
schätzen gelernt.
Bäcker- und Konditormeister Gunther Wick (links)
bildet regelmäßig junge Menschen aus.
eine Teigmaschine“, erinnert
sich der 61-Jährige. Als er zwölf
Wochen später wieder nach
Hause flog, waren ein Indus-
triegasherd, eingroßer hölzerner
Arbeitstisch, eineRühr- undeine
Ausrollmaschine hinzugekom-
men. Außerdem hatte er drei
junge Guatemalteken soweit in
die Kunst des Brötchen- und
Teilchenbackens einge-
weiht, dass sie
zusammen
Bäcker- und Konditormeister Günther Thiermann
brachte Jugendlichen in Guatemala das Backen bei.
Thiermanns jugendliche Kör-
nerbrotfans – das sind Kinder
und junge Erwachsene, die
in einem Kinderdorf bei der
StadtChimaltenangoimSüden
Guatemalas leben.Als freiwil-
liger Mitarbeiter des „Senior
Experten Service“ Bonn war
der pensionierte Bäcker- und
Konditormeister aus Bad
Hönningen drei Monate in
Guatemala im Einsatz, um in
dem Kinderdorf der Hilfsor-
ganisation „NuestroPequenos
Hermanos“ eine Bäckerei ein-
zurichten. „Wir hatten anfangs
bloß einen uralten Ofen und
Beliebter Bäcker
25 Jahre bei Nink: Hans-Georg Schäfer
Steckbrief: Nink’s Backstube, Heiligenroth
Gegründet 1878 | 20 Mitarbeiter (ab August 1 Lehrling) | 4 Filialen
| Tel.: 02602/ 5251 | E-Mail:
Anbau, mahle und schrote es
selbst“, erzählt er. Nochmachen
die Biobackwaren nur etwa acht
Prozent vom Gesamtumsatz
aus. „Die Tendenz ist aber stei-
gend“, ist er überzeugt. Jungen
Menschen eine Ausbildung zu
ermöglichen, ist für den 63-
Jährigen seit fast 40 Jahren ein
Bedürfnis. Einen Lehrling hat
Gunther Wick immer. Er bildet
aber auch schon mal zwei oder
drei junge Leute gleichzeitig
aus. Für Ausbildung plädiert
derKreishandwerksmeisterauch
auf den Innungsversammlungen
imKollegenkreis. „Nachwuchs-
förderung ist wichtig. Dabei
gilt es, auch über den aktuellen
Bedarf hinaus auszubilden. Der
Lehrstellenmarktwirdsichdurch
die demografische Entwicklung
verändern“, betont er. Ermöchte
lernbehinderten jungen Men-
scheneinePerspektive alsHelfer
im Handwerk eröffnen. „Dafür
kämpfe ich“, sagtWick. ImVer-
bandsgemeinderat Hahnstätten
ist er als einziger Handwerker
aktiv. „Ichbringedenhandwerk-
lichen Standpunkt in politische
Entscheidungen ein.“
„Der Georg ist die gute Seele in der Backstube. Er
sorgt für ein freundliches Miteinander unter den Kolle-
gen“, lobt Bäckermeister Peter Nink aus Heiligenroth
seinen Mitarbeiter Hans-Georg Schäfer. Seit 25 Jahren
arbeitet der Bäckermeister in Nink’s Backstube.
Angefangen hat der 51-Jährige beim Vater seines heutigen Chefs.
Nach dessen Tod hielt er „den Betrieb am Laufen, bis der Junge
soweit war“. „Der Junge“, Peter Nink, führt mit seiner Frau Beate
den 1878 gegründeten Familienbetrieb in der fünften Generation.
„Den Traum von der Selbstständigkeit mit dem Meisterbrief in
der Tasche hatte ich wohl“, bekennt Schäfer. „Ungünstige private
Umstände ließen die Selbstständigkeit aber anfangs nicht zu. Später
hab ich denGedanken nicht mehr verfolgt. InNink’s Backstube bin
ichberuflich angekommen“, betont er. „Auchweil ich einenhervor-
ragendenChef habe, für denmeineMeinung zählt.“Er spricht
vom kompletten Umbau der Backstube in den vergangenen
Jahren. Vier Filialen sind entstanden. Das Sortiment hat
sich verändert. Der Snackbereich wurde erweitert, auch
eineheißeThekegehörtdazu.„DieStandorterweiterungwar
für unseren Betrieb existenzsichernd. Nur in Heiligenroth
auf Kunden zu warten, konnte es nicht sein. Können und
cleveres Marketing sind notwendig, um sich am Markt
zu behaupten. Und Mitar-
beiter, die mitziehen“,
b e k r ä f t i g e n
die Ninks. Als
Backstubenlei-
ter bedeutet das
für Hans-Georg
Schäfer, sich stän-
dig auf neue Trends
einzustellen. „Die bekömmliche Vielfalt macht unseren Beruf so
spannend“, ist er sicher. Als Saxofonist in einer Big Band stellt der
Meister seine Kreativität auch musikalisch unter Beweis.
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