Handwerk im Winter vom 13. Dezember 2003 - page 8

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Heimat
ist da, wo
man
glücklich ist
...“
Weihnachtsgespräch mit HwK-Hauptgeschäftsführer Karl-JürgenWilbert
Murat Mete gehört zu den Gästen, die
Karl-JürgenWilbert, Hauptgeschäfts-
führer der Handwerkskammer Ko-
blenz, im Spätherbst zu einem vor-
weihnachtlichen Gespräch eingeladen
hat. Weitere Gesprächspartner des
Hauptgeschäftsführers am festlich ge-
deckten Kaffeetisch sind der aus der
Türkei stammende Stuckateur Ihsan
Simsek, der türkische Kfz-Techniker
Yilmaz Duran, der Maurer und Beton-
bauer Alexandru Jurcut aus Rumäni-
en, der marokkanische Feinwerk-
mechaniker Mohamed Akchich und
der iranische Kfz-Techniker Arash
Shambayali. Zum 28. Mal trifft der
HwK-Hauptgeschäftsführer immer
zum Jahresende einige ausländische
Handwerker, die sich bei der HwK
auf ihre Meisterprüfung vorbereiten.
Er spricht dann mit ihnen über ihr
Leben und Arbeiten in Deutschland.
Er fragt nach ihren Erfahrungen, ih-
ren Zukunftsplänen, Wünschen und
Träumen.
In Deutschland zu Hause
Der Marokkaner Mohamed Akchich
ist in Deutschland geboren. Er hat die
deutsche Schule besucht und hier sei-
ne Handwerkslehre erfolgreich been-
det. Er spricht fließend die deutsche
Sprache. Die Sprache seiner Heimat
beherrscht er nur im Wort. „Auch
wenn ich hier zu Hause bin, hält un-
sere Familie an der Tradition fest“,
„Ich lebe seit 28 Jahren in Deutschland. Mein Vater gehörte zu den letzten
Gastarbeitern, die nach Deutschland gekommen sind“, erzählt der türkische
Maurer und Betonbauer Murat Mete aus Rheinböllen. „Als unsere Familie
nachkam, war ich vier Jahre alt. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, hier ist
mein Zuhause. Wenn ich in die Türkei zu Verwandten fahre, ist das für mich
Urlaub. Auch wenn dort fast immer die Sonne scheint, sehne ich mich wieder
nach Deutschland zurück. Heimat ist, wo man glücklich ist und hier bin ich
glücklich“, sagt er. Und er sagt es mit einem nachdenklichen Lächeln.
bekennt er. Der Ramadan ist gerade
beendet. Für ihn als Moslem ist das
Fasten selbstverständlich. Trotzdem
möchte er die deutsche Staatsbürger-
schaft annehmen. „Es gibt ganz prag-
matische Gründe dafür“, erzählt er.
„Das fängt beim Handykauf an. Da
muss ich als Ausländer zig Beschei-
nigungen vorlegen“, nennt er ein Bei-
spiel.Yilmaz Duran aus der Türkei ist
da anderer Meinung: „Auch wenn du
die deutsche Staatsbürgerschaft hast,
bleibst du Ausländer.“ Der Iraner
Arash Shambayali ist seitAugust deut-
scher Staatsbürger. Für die Meister-
schule ist er von Köln nach Koblenz
umgezogen. „Hier ist nicht so viel los
wie in Köln. Hier kann ich mich bes-
ser auf die Schule konzentrieren“, ant-
wortet er auf die Frage des
Hauptgeschäftsführers
nach den Gründen des
Wohnortwechsels. Die Frage des
Hauptgeschäftsführers, ob seine Gäs-
te sich vorstellen können, wieder in
ihr Heimatland zurückzukehren, ver-
neinen die Gesprächspartner nahezu
geschlossen. Sie sind verbunden mit
dem Land, das ihnen Heimat wurde.
Sie haben in deutschem Boden Wur-
zeln geschlagen. BeimHandwerk füh-
len sie sich wohl. Sie wollen sich mit
dem Meisterbrief selbstständig ma-
chen oder sind es bereits. Nur der
RumäneAlexandru Jurcut möchte sei-
ne Chancen auch in Rumänien „aus-
loten“. „Nutzen Sie Ihre Kontakte von
hier zu einer Zusammenarbeit mit Be-
trieben von dort“, rät Wilbert.
Zukunftspläne
„Was möchten Sie in fünf Jahren ma-
chen?“, interessiert Karl-Jürgen
Wilbert. Die Meister in spe sind opti-
mistisch und überzeugt, dass es beim
Aufbau ihrer eigenen Existenz keine
Rolle spielt, woher man kommt. Ihre
Lebensläufe sind von denen Deutsch-
stämmiger nicht zu unterscheiden.
Schule, Ausbildung, erste Berufser-
fahrung, harteArbeit, Erfolg und Ehr-
geiz. Eine glückliche Familie ist ihnen
wichtig.
Glaubensfragen
Was sie von den jüngsten
Attentaten in Istanbul halten undwie
sie die richterliche Entscheidung wer-
ten, die einer muslimischen Lehramts-
anwärterin das Tragen des Kopftuchs
imUnterricht verbietet, möchte Karl-
Jürgen Wilbert wissen. Einstimmig
verurteilen seine Gäste die Terroran-
schläge. „Unser Glauben verbietet
uns, Menschen umzubringen.“ Die
zweite Frage wird heftig diskutiert.
„Jeder soll seinen Glauben frei ausle-
ben können“, sagen die einen. „De-
mokratie heißt nicht, dass man jeder-
zeit und überall alles tun darf“, mei-
nen die anderen. „Das Kopftuch ge-
hört nicht in den Unterricht“, so Karl-
JürgenWilbert. „Es steht für eine po-
litische Haltung. Ich bin für einen li-
beralen Staat, aber auch dafür, dass
der Staat seine Identität und Tradition
hat“, ergänzt er.
Weihnachtsbräuche
„Weihnachten - welcheGedanken be-
wegen Sie?“, fragt der Hauptge-
schäftsführer zum Ende des Ge-
sprächs seine Gäste. Alexandru Jur-
cut feiert mit seinen Kindern „ganz
normal“ Weihnachten, mit Tannen-
baum und Festtagsbraten. „Wer hier
lebt, muss sich mit den Bräuchen aus-
einandersetzen“, sagt er. Der Türke
Yilmaz Duran gesteht, dass er froh
ist, wenn die kommenden Feiertage
vorbei sind. „An Weihnachten ist al-
les so still, da fühlt man sich schon
eher als Fremder“, erzählt er. Murat
Mete erzählt, dass er als Moslem sei-
ne Kinder im Sinne seiner Religion
erzieht. „EinWeihnachtsbaum gehört
für uns nicht dazu.“ „Ich würde dar-
über nachdenken, Ihrer Kinder we-
gen“, rät Karl-Jürgen Wilbert. „Sie
wachsen hier auf und werden, wenn
sie sich mit Altersgefährten unterhal-
ten, etwas vermissen. Außerdem hat
derWeihnachtsbaum nichts mit Reli-
gion zu tun. Deshalb machen Sie Ih-
ren Kindern die Freude“, so der
Hauptgeschäftsführer.
HwK-Hauptgeschäftsführer Karl-Jürgen Wilbert im Gespräch mit seinen
Gästen( auf der rechten Seite, v.li.)Arash Shambayali, Alexandru Jurcut
und Mohamed Akchich.
Armando
Selvino,
24 Jahre,
Kfz-
Techniker-
lehrling
aus Hill-
scheid
Nach der Lehre möchte ich das
Fachabitur machen und später
eventuell Autodesign studieren.
Materielle Wünsche zu Weih-
nachten habe ich eigentlich
keine. Es ist für mich das Fest
der Liebe, der Familie. Ich bin
Italiener und liebe eine große
Familie. Meine Großeltern
wohnen in Kalabrien. Dass sie
zu Weihnachten bei uns sein
können, ist mein Wunsch.
Weihnachtswünsche +++ Zukunftspläne und Weih
Matthias Fink, 19 Jahre, Kfz-
Technikerlehrling aus
Nentershausen
Ich möchte mein theoretisches
Wissen weiter vertiefen und
deshalb nach der Lehre das Ab-
itur nachholen. Ich denke, dass
ich das schaffe. Was danach
kommt, ist noch offen. Einen
speziellen Weihnachtswunsch
habe ich nicht. Früher habe ich
immer einen Wunschzettel ge-
schrieben mit
vielen materiel-
len Wünschen.
Jetzt ist es für
mich wichtiger,
dass die ganze
Familie zusam-
men ist.
Handwerksordnung
soll
Aufschwung
bringen
HwK unterstützt Erstellung einer rumänischen Handwerksordnung
Beratend begleitet wird dieser Prozess
von der Handwerkskammer Koblenz,
die sowohl in Bulgarien als auch in
Rumänien ein Partnerschaftsprojekt
durchführt, das vom Bundesministe-
rium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung finanziert
wird. Inzwischen liegt ein Entwurf
einer solchen Handwerksordnung in
Rumänien vor, die auch bereits ins
Parlament eingebracht wurde. Initia-
tor ist der 44-jährige Abgeordnete
Ioan Rus aus Hunedoara, selbst In-
genieur undLeiter einerHandwerksge-
nossenschaft. Mitte November be-
suchte Rus zusammenmit demHaupt-
geschäftsführer und einer Juristin des
rumänischen Genossenschaftsver-
bandes UCECOM Koblenz, um sich
von den Experten der Handwerks-
kammer zu Einzelfragen noch einmal
vertieft beraten zu lassen. “Mein Ge-
samteindruck ist, dass es ein gutes
Gesetz ist”; sagte Hauptgeschäftsfüh-
rer Karl-Jürgen Wilbert nach Ab-
schluss der Gespräche. Sicherlich
gebe es bei Einzelfragen noch Nach-
besserungsbedarf, aber insgesamt sei
dieser Entwurf eine gute Grundlage
für den rumänischen Mittelstand. Die
Handwerkskammer wird imRahmen
ihrer Projektpartnerschaft den Prozess
bis zur Verabschiedung des Gesetzes
weiterhin beratend begleiten.
In Deutschland wird sie von der Bundesregierung in Frage gestellt, in den
Ländern, die 2007 der EU beitreten wollen, soll sie als Katalysator für den wirt-
schaftlichen Aufschwung des Mittelstandes eingeführt werden – die Hand-
werksordnung. Das rumänische Parlament berät derzeit über den Entwurf
einer Handwerksordnung.
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