Handwerk Special Nr. 77 vom 18. Oktober 2000 - page 15

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Ziel und Erfolg des Bal-
kan-Kongresses: Vertreter
der noch jungen Hand-
werks- undWirtschaftsver-
bände aus sieben Balkan-
staaten und hochrangige
Regierungsvertreter setz-
ten sich an einen Tisch,
umihreErfahrungen, aber
auch offene Fragen im
Prozess der Demokratisie-
rungunddesAufbauswirt-
schaftlich tragfähiger
Strukturenmiteinander zu
diskutieren.
Eingeladen hatte die HwK
Koblenz im Rahmen ihrer
Veranstaltungen zum hun-
dertjährigen Bestehen in
Zusammenarbeit mit dem
Bundesministerium für
wirtschaftlicheZusammen-
arbeit und Entwicklung
(BMZ) und der Südosteu-
ropa-Gesellschaft Mün-
chen. Wie HwK-Präsident
Neues Miteinander in Südosteuropa: Handeln statt Verhandeln
Balkan-Kongress der HwK Koblenz mit Handwerks- und Wirtschaftsverbänden aus sieben Nationen
Karl-Heinz Scherhag
(MdB) in seiner Begrüßung
erläuterte, erfolgte dieKon-
gress-Einladung auf dem
Hintergrund der Part-
nerschaftsprojekte von
HwK und BMZ in den Län-
dern Bulgarien, Bosnien
und Herzegowina und Ma-
zedonien, sowie ersten
Kontakten zu Wirtschafts-
verbänden inKosovo,Mon-
tenegro undRumänien. Die
bereits 1994 gegründete
kroatischeHandwerkskam-
mer entsandte Vertreter ih-
rer Geschäftsführung.
Die fast 100Teilnehmer am
Balkan-Kongress machten
übereinstimmend deutlich,
dass sie sich als Botschaf-
ter der berufstätigenBevöl-
kerung und der vornehm-
lich kleineren und mittle-
ren Unternehmen in ihren
Ländern verstehen: „Wir
schätzen die Theorie, soll-
ten aber einen Schritt wei-
ter gehen als die Politiker
undkonkretwerden“, so der
stellvertretende Minister-
präsident von Montenegro,
Dr. Dragisa Burzan. Han-
deln statt (nur) Verhandeln.
Die Bereitschaft dazu ist
unter den Balkanstaaten
spürbar gegeben, stehen sie
doch trotz aller Verschie-
denheit inhistorischer,wirt-
schaftlicher, kultureller und
auch religiöser Hinsicht vor
gemeinsamenHerausforde-
rungen.
„Wenn wir an Südosteuro-
pa denken, hatten wir in
den letzten Jahren immer
die schrecklichen Kriege
und das menschliche Elend
im ehemaligen Jugoslawi-
en vor Augen“, erläuterte
Staatssekretär ErichStather
vom BMZ: „Jetzt geht es
darum, die Chancen für die
wirtschaftlicheZusammen-
arbeit zu erkennen und zu
nutzen.“AlsVoraussetzung
dafür fördert das BMZ mit
seinen Partnerschaftspro-
jekten „die Herausbildung
eines starken Mittelstandes
- und das bedeutet Klein-
und Mittelbetriebe -, der
nicht nur Arbeitsplätze
schafft, sondern auch der
Entwurzelung der Men-
schen entgegenwirkt“, so
Dr. Dieter Ertle, Ministeri-
alrat im BMZ.
Zu den notwendigen Rah-
menbedingungen gehören
neben der Schaffung von
demokratischen Rechts-
strukturen auch dieBildung
von Interessenvertretungen
und unabhängigen Selbst-
verwaltungsorganisationen
der Wirtschaft. Deshalb
sind für das BMZ Einrich-
tungenwie die Handwerks-
kammer Koblenz wichtige
Partner, die den erforderli-
chen Wissenstransfer lei-
sten können.
Erfahrungen
der Partner
Breiten Raum nahmen die
Erfahrungsberichte aus den
sieben Nationen ein. Die
Staaten, in denen es früh-
zeitig gelungen war, die
gesetzgeberischen Voraus-
setzungen für einen demo-
kratischen und wirtschaft-
lichen Wandel zu schaffen,
weisen in den letzten Jah-
ren eine positive Entwick-
lung auf. Dazu gehören
Bulgarien, Rumänien und
Mazedonien. Sie betonten
einhellig auch den Zusam-
menhang mit dem Aufbau
eines beruflichen Aus- und
Weiterbildungssystems.
Immer wieder sprachen sie
das Vorbild des deutschen
Dualen Bildungssystems
an, das die Berufsausbil-
dung in Betrieb und Schule
manifestiert. Für Bulgarien
kam die Bedeutung des
Aufbaus von Berufsbil-
dungszentren im Rahmen
der HwK-Partnerschafts-
projekte zum Ausdruck.
Die politisch instabilen
Verhältnisse inBosnienund
Herzegowina sowie im
Kosovo erschweren dage-
gen diewirtschaftliche Ent-
wicklung.WieGeneralleut-
nant Rüdiger Drews, Be-
fehlshaber im Heeresfüh-
rungskommando, aus Sicht
der Bundeswehr und ihrer
Aufgabe im Rahmen der
Friedenstruppe erläuterte,
fehlt es in diesen Regionen
immer noch an den wich-
tigsten Rahmenbedingun-
gen für den Aufbau demo-
kratischer und marktwirt-
schaftlicher Strukturen.
Gerade im Kosovo stimm-
ten einfachste Vorausset-
zungen noch nicht. Neben
der eigentlichenBefriedung
im Land engagiere sich die
Bundeswehr von der Ge-
währleistung der medizini-
schen Grundversorgung
über die Sicherstellung frei-
erMedienberichterstattung
bis hin zurOrganisationvon
Kfz-Zulassung und Müll-
abfuhr. Rivalisierende In-
teressen von Volksgruppen
und ein hohes (Wirtschafts-)
Kriminalitätspotential las-
sen für Kosovo und Bosni-
en-Herzegowina keine bal-
dige Stabilisierung erwar-
ten.
Montenegro als Teilrepu-
blikRestjugoslawienswarb
um Unterstützung für den
eigenständigen Weg in die
Demokratie. Mit der Ein-
führung der D-Mark als
Handelswährung und der
VerabschiedungvonGeset-
zen, die ausländischen In-
vestoren Rechtssicherheit
bieten, untermauert diese
Republik ihr Bestreben
nach Integration in den eu-
ropäischen Wirtschafts-
raum.
Aus Sicht der Südosteuro-
pa-Gesellschaft, die als ge-
meinnützige Vereinigung
einen wissenschaftlichen,
wirtschaftlichen und kultu-
rellen Kontakt zu den
Balkanstaaten und deren
Nachbarn pflegt, betonte
Vizepräsident Prof. Dr.
Heinz-JürgenAxt, dass sich
die Europäische Union, die
mehrheitlich der Integrati-
on des Balkanraumes zu-
stimmt, in ihren Entschei-
dungs- und Förderungs-
strukturen reformieren
müsse, wenn eine Erweite-
rungderGemeinschaft Rea-
lität werde.
Rheinland-pfälzische
Perspektive
Staatssekretär Ernst Eggers
vom rheinland-pfälzischen
Wirtschaftsministerium
machte deutlich, welch gro-
ße Bedeutung dem Dialog
mit den Staaten Südosteu-
ropas für die heimische
Wirtschaft zukommt.
Rheinland-Pfalz, das die
höchste Exportrate der bun-
desdeutschen Flächenlän-
der hat, ist auf gute Kontak-
te zu den neu entstehenden
und wachsenden Märkten
auf dem Balkan angewie-
sen. Mit Beratungspro-
grammen, Delegations-
reisen, Kooperationsbörsen
und Kontaktbüros vor Ort
unterstützt das Land Unter-
nehmen bei der Erschlie-
ßung neuer Geschäfts-
felder.
Den traditionell intensiven
Informations- und Gedan-
kenaustausch nutztenWirt-
schaftsministerium und
HwK, um für rheinland-
pfälzische Betriebe denZu-
gang zu dieser Wirtschafts-
region zu erleichtern. Ein
„Balkan-Büro, vielleicht in
Sofia“, so HwK-Hauptge-
schäftsführer Karl-Jürgen
Wilbert, „könnte den mit
dem Kongress begonnenen
Weg der Vernetzung der
vielfältigen Beziehungen
einmal effektiv bündeln.“
Informationen
bei der
Ost-West-GmbH der HwK,
Tel.: 0261/398-124,
Fax: -936, Email:
Zu einem Gedankenaus-
tausch über diewirtschaft-
liche Entwicklung der Re-
gion begrüßten in der
HwK Koblenz deren Prä-
sident Karl-Heinz Scher-
hag (MdB) und Hauptge-
schäftsführer Karl-Jürgen
Wilbert den Präsidenten
der Struktur- und Geneh-
migungsdirektion Nord,
Hans-Dieter Gassen und
die Vizepräsidentin Elke
Starke.
Während des Besuches -
eswar der erste durch hohe
Repräsentanten der Struk-
tur- und Genehmigungs-
direktion Nord bei der
HwK - ging es um die Ab-
stimmung und Entwick-
Gespräche zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Region
lunggemeinsamer Ideen für
die Stärkung der Wirt-
schaftsstandorte im nördli-
chen Rheinland-Pfalz wie
auch die Deckungsgleich-
heit von Schul- und Kam-
merbezirken.
Die HwKKoblenz wies auf
die wichtige Rolle des
Handwerks in dieser Regi-
on hin und sprach wichtige
wirtschaftspolitische Rah-
menbedingungen an, die
auch nach dem Ende der
Bezirksregierung als Instru-
ment einer regionalen Ei-
genverwaltung weiterent-
wickelt werden müssen.
Hans-Dieter Gassen sicher-
te dem Handwerk zu, man
werde seine besondere
Rolle in anstehenden Ent-
scheidungen berücksichti-
gen und lobte zugleich das
hoheEngagement beiAus-
bildung und Beschäfti-
gung.
Infos
, Tel.: 0261/398
-161, Fax: -996, Email:
Gespräche
beim Hand-
werk (v.l.):
Karl-Heinz
Scherhag,
Hans-Dieter
Gassen,
Karl-Jürgen
Wilbert,
Elke Starke.
HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag begrüßte
neben den hochrangigen Vertretern der Bal-
kanstaaten auch Staatssekretär Erich Stather
und Ministerialrat Dr. Dieter Ertle vom BMZ
unter den Kongressteilnehmern.
Karl-Jürgen Wilbert im Gespräch mit dem Vi-
zepremier von Montenegro, Dr. Dragisa Burzan.
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