Handwerk Special Nr. 77 vom 18. Oktober 2000 - page 5

Super-Bühne für den Weltkonzern
Steinsberger Metallbauer lassen DaimlerChrysler gut in Paris aussehen
Fast geschafft: 160 Tonnen Stahl, Aluminium, Glas und Holz
haben Friedrich Ahlgrimm und seine Handwerker zur
Daimler-Bühne verwandelt.
Es sind die Bretter, die dieWelt bedeu-
ten – auf jeden Fall für die Autobauer
dieserWelt. ZudengroßenAutomobil-
messen zählt nebenFrankfurt undDe-
troit auch Paris. Vor wenigen Tagen
ging sie zu Ende, die Paris Motorshow
2000. Als der letzteMessebesucher das
Gelände hinter sich ließ, begann die
Zeit des Abbaus. Handwerksmeister
Friedrich Ahlgrimm und seine Mitar-
beiter waren wieder in der französi-
schen Hauptstadt und packten ihre
gigantischeHandwerksarbeitan–zum
letzten mal. Die deutschen Handwer-
ker aus Steinsberg im Rhein-Lahn-
Kreis beendeten damit eines der beein-
druckendsten Projekte ihrer Firmen-
geschichte, dass der DaimlerChrysler-
Konzern in Auftrag gegeben hatte.
Vieles haben sie schon gebaut, die fast
30MetallbauerumFriedrichAhlgrimm:
Für dieEXPOdiePräsentationsbühnen
für Lufthansa und Mexiko, vor Jahren
die Showbühne der damals neuen A-
Klasse, die quer durch Europa ihre
Auftritte hatte, für Opel den gläsernen
Zug, der über die Schiene Jubiläums-
Fahrzeuge der Rüsselsheimer in vielen
Ländern präsentierte. Ahlgrimm, ein
ruhiger Mensch, hat sich vor Jahren
auf das oft hektische Geschäft mit dem
Messebau „eingelassen“. Doch mit
Hektik, so sagt er, lassen sich die Pro-
jekte nicht realisieren und nennt das
jüngste Beispiel, dass in Planung, Lo-
gistikundFertigunggeneralstabsmäßig
durch sein Unternehmen abgewickelt
wurde. Von der Idee in den Vorstands-
etagen des Stuttgarter Autobauers mit
demStern bis zur Eröffnung derMesse
in Paris vergingen gerade einmal sechs
Wochen. Das Tagebuch einer Super-
Bühne:
Die großenAutomessen sind die große
Chance für die großen und kleinen
Autobauer, ganz groß rauszukommen.
Also musste etwas Großes her. Die
Idee bei DaimlerChrysler: Ein riesiges
Vogelnest aus Aluminium, Stahl, Glas
und Holz soll die „goldenen Eier“ –
also die Fahrzeuge – aufnehmen und
präsentieren. Die Besucher können
durch das Nest hindurchgehen. Diese
Idee wird mit Strohhalmen umgesetzt
und an ein Architekturbüro weiterge-
geben.
ErsteWoche:DieArchitektenrechnen,messenundprobieren.FriedrichAhlgrimm
später: „Eine Wahnsinnsleistung. Die sagen nicht, das und das geht nicht. Die
machen´s einfach.“ Und schicken die Konstruktionspläne – sie bestehen aus 280
Fertigungsplänen – online in das Steinsberger Handwerksnternehmen.
Startschuss für die Superlative
Zweite Woche: Stundenlang rattern die Pläne über deutsche Datenautobahnen.
Ahlgrimm und seine Mitarbeiter sehen sie durch, bestellen das benötigte
Material, schaffen die Infrastruktur imUnternehmen. Ein Subunternehmen wird
hinzugezogen, dass die mehr als 4,5 Kilometer Aluminiumrohre biegen wird –
jedes Rohr einmalig in Länge und Radius. Die Maschinen stehen unter freiem
Himmel. Mit den Alu-Rohren gibt es auf dem Weltmarkt (!) ein Problem: Sie
sind nicht lieferbar. Der weltgrößte Konzern, die amerikanische Alcoa, lässt die
Rohre in Ungarn speziell anfertigen. Hubbühnen mit schwenkbaren Armen auf
Rädern werden gemietet. Eine Fläche neben der Halle geebnet, denn das, was
entstehen soll, passt nicht unters Dach: mehr als 2000 qm Grundfläche, über 10
Meter hoch und 160 Tonnen schwer.
Dritte Woche: Die Arbeiten beginnen. Genau 14 Tage hat das Handwerksunter-
nehmen Zeit, um den Koloss zu bauen, abzubauen, zu lackieren, zu verpacken
und nach Paris zu schicken.
Vierte Woche: Besuch aus Stuttgart. Eine hochrangige “Abordnung” des Welt-
konzerns kommt nach Steinsberg, um sich über den Stand der Arbeiten zu
informieren. Mit dabei: Tina Hubbert, Tochter von PKW-Vorstandsvorsitzen-
den Prof. Jürgen Hubbert. Die Visite dauert mehrere Stunden. U.a. wird der
Belag geprüft. Ergebnis: zu glatt, also umplanen. Das Vogelnest nimmt klare
Konturen an, das “Ufo” von Steinsberg sorgt für Verwunderung und Neugier am
Ortsrand.
Fünfte Woche: Der Abbau. Ahlgrimm, immer noch ein ruhiger Mensch, über
sein größtes Problem: “Handwerklich läuft alles nach Plan, aber die Zeit.” Ein
Problem hat er dann doch rein handwerklich: Mit der neu erworbenden Digital-
kamera – sie soll den Abbau für den planmäßigen Aufbau dokumentieren – gibt
es Handling-Probleme - die dann aber auch gelöst werden. Aus mehr als 5000
Teilen besteht die Bühne. Alle werden nummeriert, abgebaut und in der Halle
nebenan, die in wenigen Stunden zum Lackierzentrum umgebaut wurde, “ver-
silbert”.
Sechste Woche: Der Transport geht mit 20 Schwerlasttransportern über die
Straße Steinsberg-Paris. 15Metallbauer kommenmit, auch FriedrichAhlgrimm.
Eine Woche haben sie für den Aufbau. Der klappt gut, nur bestellen die
Autobauer ein paar “Neststangen” nach. Ahlgrimm reist über Nacht nach Hause,
holt die neuen Alu-Rohre ab.
Vorletzter Tag: Pressepräsentation. Medienvertreter aus aller Welt werden auf
der Daimler-Bühne erwartet. Ein neues Problem bahnt sich seinen Weg durch
handwerkliche Spitzenleistung: Den Stuttgartern ist dieKulisse zu verbaut. Teile
des gerade fertiggestellten Pavillons müssen wieder demontiert, nach dem
Presserummel wieder angebaut werden. Friedrich Ahlgrimm ist noch immer ein
ruhiger Mensch: „So ist das eben.“ Und legt mit seinen Leuten los.
Geschafft. Das, woran seit Wochen gearbeitet wurde, empfängt seinen ersten
Besucher. Der Autosalon hat seine Tore geöffnet, die Ahlgrimm´sche Truppe
reist ersteinmal ab nach Hause, um zwei Wochen später für den Abbau zurück-
zukehren. Was dann mit dem Super-Vogelnest wird? “Eingelagert, vielleicht”
sagt Ahlgrimm und weiß, dass seine Arbeit nicht noch einmal als Präsentations-
bühne auf einer Automesse eingesetzt wird. Er wird dann wieder eine neue
bauen.
Das Panzerglas
als „Geländer“
für den Gang
durchs Super-
Vogelnest wird
montiert.
Standfeste
Daimler-
Manager beim
Rutschtest des
Belages.
Mit der Digital-
kamera doku-
mentiert Fried-
rich Ahlgrimm
den Abbau für
den Aufbau.
Tina Hubbert
während der
Visite im
Steinsberger
Handwerks-
unternehmen.
Fast 60 Unternehmen zählt der Landesverband Metallhandwerk – aus ihnen
kamen mehr als 100 Teilnehmer zum diesjährigen Landesverbandstag. Als
großen Erfolg bewertet Peter Gieraths, Landesinnungsmeister, nicht nur das
Interesse der Betriebe, sondern auch die inhaltlichen Aspekte. Neben dem
fachlichen Dialog war die gesellschaftspolitische und sozialverantwortliche
Rolle der Unternehmen in Ausbildung und Beschäftigung ein wichtiges The-
ma. Christa Meves, Mitherausgeberin des „Rheinischen Merkur“ und frei
arbeitende Kinder- und Jugendpsychotherapeutin konnte für einen hochkaräti-
gen Vortrag gewonnen werden. Hintergrund des Vortrages, so Peter Gieraths,
sei die Ausbildung Jugendlicher in den Unternehmen des Metallhandwerks,
die nicht nur eine fachliche Ebene hat, sondern auch eine soziale und pädago-
gische. Auch im fachlichen Bereich habe man einen intensiven Dialog betrie-
ben: Wenn auch von einem „heißen Herbst“ mit starkem Wettbewerb auszuge-
hen sei, so ist das Zukunftspotential für das Metallbauerhandwerk klar erkenn-
Landesverbandstag der Metallbauer
bar. Mit neuen Bearbeitungstechno-
logien müssen neue Ressourcen
erschlossen werden.
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