Handwerk im Winter vom 8. Dezember 2007 - page 5

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Das 32. Weihnachtsgespräch mit Karl-Jürgen Wilbert: Ausländische Meisterschüler berichten
„Ich bin in Deutschland geboren und
aufgewachsen, hier ist mein Zuhause“,
betont Ertogan Jusuf aus Remagen.
„Meine Lehre als Kfz-Mechaniker
hat mir großen Spaß gemacht. Als
Geselle habe ich Erfahrungen in
mehreren Werkstätten gesammelt.
Meine jetzige Firma Autoteile Unger
in Bonn fördert meine Meisteraus-
bildung und unterstützt mich hervor-
ragend“, sagt er nicht ohne Stolz.
Der Grieche mit türkischer Abstam-
mung ist sicher, dass ihm nach der
Meisterausbildung auch „meister-
liche Verantwortung“ im Unterneh-
men übertragen wird. „Was ich an
Gutem erfahren habe, möchte ich
zurückgeben“, betont er.
Deutsches Gefühl trotz frem-
dem Pass
Ertogan Jusuf zählt zu den Gästen,
die Dr. h. c. mult. Karl-Jürgen
Wilbert, Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer Koblenz, zu
einem vorweihnachtlichen Gespräch
eingeladen hat. Weitere Gesprächs-
partner des Hauptgeschäftsführers
am festlich gedeckten Tisch sind
der italienische Installateur und
Heizungsbauer Raffaele Nicolai, die
türkischen Feinwerkmechaniker Ali
Kaya undGökhanHacisalihoglu, der
italienische Kfz-Techniker Michele
Stasi und Dany Kanaan, Metallbauer
aus dem Libanon.
Bereits zum 32. Mal trifft der HwK-
Hauptgeschäftsführer immer zum
Jahresende einige ausländische
Handwerker, die sich bei der Hand-
werkskammer Koblenz auf ihreMei-
sterprüfung vorbereiten. Er spricht
dann mit ihnen über ihr Leben und
Arbeiten in Deutschland. Er fragt
nach ihrenErfahrungenund ihrenZu-
kunftsplänen. Er fragt,wo seineGäste
rein gefühlsmäßig ihre Heimat sehen
undwasWeihnachten für sie und ihre
Familien ist, vor allemdann, wenn sie
nichtauseinerchristlichenKulturwelt
kommen. In diesem Jahr interessiert
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Eine nachhaltige Verbesserung der beruflichen Aus- und Weiterbildung im
Handwerk in Bosnien und Herzegowina ist das Ziel eines Partnerschaftspro-
jektes der HwK Koblenz, in dessen Rahmen drei bosnische Ausbilder bei der
Koblenzer Kammer eine zehntägige Weiterbildungsmaßnahme absolvierten.
Ada Skrepnik (31), Ausbilderin für Frisöre, Nevenko Cengic (44), Ausbilder
für Fleischer, Muhidin Idrizovic (38), Ausbilder für Bäcker und Konditoren,
lernten dabei neue Fertigkeiten undKenntnisse in der Produktion, Präsentation,
Kalkulation und Kundenberatung in ihren Handwerksberufen. Die Ausbilder
an einer berufsbildenden Schule in Sarajevo werden die vermittelten Inhalte
an mehr als 200 Schüler sowie an Ausbilder berufsverwandter Schulen und
selbstständige Handwerker in ihrem Land weitergeben. Förderer des Projektes
sind die Robert-Bosch-Stiftung und das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Allein im Vorjahr wurden 20 Fleischerlehrlinge, 62 Konditoren und Bäcker
sowie 28 Frisöre in den hochmodernen Ausbildungswerkstätten der Schule in
Sarajevo fit für ihren Beruf gemacht. In der Frisörwerkstatt wurde über die
neuesten Trends und Farben informiert und topmodisch frisiert. Das Projekt
übernimmt dabei eine Leuchtturmfunktion in dem Staat. „In Bosnien und
Herzegowina gibt es 13 Bildungsministerien. Das macht die Entwicklung von
marktgerechten bzw. modernen und einheitlichen Berufsbildungssystemen
nicht einfach. Um so mehr freut es uns, dass die bosnisch-herzegowinischen
Handwerkskammern eine Meisterprüfung nach deutschem Vorbild möchten
und auch der Gesetzgeber dies bereits schon verankert hat“, so Projektleiter
Thomas Wilbert, der 2004 zum Manager des Jahres in Bosnien und Herzego-
wina gewählt wurde.
„Wir möchten die Wirtschaft in das gesamte Vorhaben mit einbinden. Die
bosnisch-herzegowinischen Handwerksorganisationen erhalten erstmals
die Möglichkeit, sich aktiv an der Entwicklung der im Projekt erarbeiteten
Ausbildungsrahmenlehrpläne, Schulungen und bei der Entwicklung eines
verbesserten Prüfungssystems zu beteiligen“, so Wilbert weiter. Das drei-
jährige Projekt startete im Januar 2006. Neben praxisorientierten Schulungs-
maßnahmen geht es dabei um die Gründung von Prüfungsausschüssen, in die
selbstständige Handwerker und Berufsschul-Ausbilder einbezogen werden
sollen. Die imProjekt erarbeiteten Ergebnissewerden denBildungsministerien
und Bildungsinstituten zur Diskussion vorgelegt und sollen einen effektiven
Beitrag im Reformprozess der handwerklichen Berufsausbildung in Bosnien
und Herzegowina leisten.
Bereits von 1997 bis 2004 führte die Handwerkskammer Koblenz ein vom
BMZ finanziertes Partnerschaftsprojekt in Bosnien und Herzegowina durch.
Dieses hatte zumZiel, denhandwerklichenMittelstand zu stärken. Bedeutender
Erfolg war unter anderem das Zusammenbringen von Mittelstands- bzw.
Handwerksvertretern aus beiden Entitäten. Der über das Projekt angestoßene
Dialog mit politischen Entscheidungsträgern führte zur gemeinsamen Verab-
schiedung zweier Gewerbegesetze in der
FöderationundderRepublikSrpska sowie
zur Gründung von elf Handwerkskam-
mern und sieben Unternehmerverbänden.
Darüber hinaus wurden in Sarajevo drei
Lehrwerkstätten fürFleischer, Fleischerei-
fachverkäufer und Friseure eingerichtet.
Sehr gut angenommen wird auch ein
VerkaufsladenmitdemNamen„Deutsches
Eck“ im Zentrum von Sarajevo, den die
HwK zusammen mit ihren bosnischen
Partnern 2003 eröffnete.
Informationen zu den Partnerschaftspro-
jektenderHwKKoblenz bei derOst-West
GmbH, Telefon 0261/ 398-128, Telefax
0261/ 398-936,
ihn auch die Meinung seiner Gäste
zur Hauptschule. „Wir gehören zu
Deutschland“,sodasFazitderMeister
in spe mit fremdem Pass. So kennen
die Moslems unter Wilberts Gästen
die deutsche Kultur und wissen um
die Bedeutung des Weihnachtsfestes
für die Christen. „Sich mit der Kultur
vertraut zu machen, fördert die Inte-
gration“, betonen sie. Sie erzählen,
dass sie an muslimischen Feiertagen
zurArbeit gehen,während ihreEltern
Urlaub nehmen. „Mein Vater ist zum
Ramadan immer in der Türkei“, so
Ertogan Jusuf. „Er kommt relaxt
zurück“, lacht er auf Nachfrage des
Hauptgeschäftsführers nach seinem
Gewichtsverlust.
Meisterbrief sichert Zukunft
„Welche Bedeutung messen Sie dem
Meisterbrief bei?“, fragt Karl-Jürgen
Wilbert in die Runde. „Zukunftssi-
cherung, Stolz auf Geleistetes“, sind
sich alle einig. Es fällt allerdings auf,
dass nurDanyKanaandieSelbststän-
digkeit fest imBlick hat. Die anderen
halten sich diese Möglichkeit offen.
Sie hoffen zunächst auf verantwor-
tungsvolle Stellen in ihrenBetrieben,
weil sie sichdavon „mehr Sicherheit“
versprechen. Sie wollen eine Familie
gründen und ihre berufliche Existenz
„Schritt für Schritt aufbauen“. Alle
wissen, dass der Meisterbrief eine
gute Basis auf dem Arbeitsmarkt ist.
„Das in den Meister-
kursen vermittelte Wis-
sen kann einem keiner
nehmen, gleich, welche
beruflichen Ziele man
anstrebt“, sind sich die
Meister von morgen
sicher.
Chance mit Hauptschulab-
schluss
Der Hauptgeschäftsführer fragt auch
vor demHintergrund der bundesweit
geführten Diskussion um
ein Fortbestehen der Haupt-
schulen seine Gäste nach
ihren Schulabschlüssen und
danach, ob die Hauptschule
ihrer Meinung nach noch
zeitgemäßist.„Esgehtweni-
ger umdieSchulart, sondern
darum, jungen Menschen
Perspektiven zu geben. Die
Abschaffung der
Hauptschule löst
keine Probleme“,
so Kaya und Ha-
cisalihoglu.Beide
sind ein Beispiel
dafür, dass auch
mit Hauptschul-
abschluss eine attraktive
berufliche Ausbildung
möglich ist. „In Mig-
rantenfamilien wird oft
kein Deutsch gesprochen.
Die meist abgeschottete
Lebensweise der Eltern,
die nur mit Landsleuten
verkehren, bietet den Kin-
dern kaum Chancen, sich mittels der
deutschen Sprache zu integrieren.
Die Hauptschulen müssen also noch
stärker individuellen Förderbedarf
ihrer Schüler abdecken. Sie können
aber auch nicht allein alle sozialen
Probleme lösen“, betonen sie. An
dieser Stelle räumen sie ein, dass auch
sie mit ihren Eltern ausschließlich
türkisch sprechen und die Bedeutung
der Integration durch Beherrschen
der deutschen Sprache ihnen be-
wusst ist.
Die Frage des Hauptgeschäfts-
führers, ob seine
Gäste sich vorstel-
len können, wieder
in ihr Heimatland
zurückzukehren,
verneinen die Ge-
sprächspartner. Sie
sind verbunden mit
demLand,dasihnen
Heimat wurde. Sie
haben in deutschem
Boden Wurzeln ge-
schlagen. „Wir sind
einfach dankbar“,
sagen sie.
„Was möchten Sie
in fünf Jahren ma-
chen?“, interessiert Karl-Jürgen
Wilbert. Die Meister in spe sind
optimistisch und überzeugt, dass
es bei der beruflichen Zukunftspla-
nung keine Rolle spielt, woher man
kommt. Ihre Lebensläufe sind von
denen Deutschstämmiger nicht zu
unterscheiden. Schule, Ausbildung,
erste Berufserfahrung, harte Arbeit,
Erfolg und Ehrgeiz - das sind ihre
Zutaten zum Erfolg.
Zum 32. Mal traf sich HwK-Hauptgeschäftsführer Karl-Jürgen Wilbert (2.v.l.) mit
ausländischen Handwerkern, die sich aktuell bei der Handwerkskammer auf ihre
Meisterprüfung vorbereiten und sprach mit ihnen über ihr Leben in Deutschland.
Ali Kaya, türkischer Fein-
werkmechaniker.
Der italienische
Installateur und
Heizungsbauer Raf-
faele Nicolai: „Ich
habe in Deutsch-
land Wurzeln ge-
schlagen und fühle
mich wohl hier.“
Feinwerkmechaniker Gökhan Haci-
salihoglu aus der Türkei.
Dany Kanaan, Metall-
bauer aus dem Libanon,
hat klare Zukunftspläne
und will sich mit dem
Meisterbrief selbstständig
machen.
Michele Stasi, italienischer
Kfz-Techniker.
Nevenko Cengic, bosnischer Ausbilder für Fleischer, zusammen mit Ko-
blenzer Lehrlingen bei der Arbeit in der HwK-Lehrwerkstatt.
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Der nächste Meistervorbereitungs-
kurs für Metallbauer beginnt bei
der Meisterakademie der Hand-
werkskammer Koblenz am 9. Mai
2008 in Koblenz berufsbegleitend
in Teilzeit.
Infos und Anmeldung bei der
HwK Koblenz, Tel.: 0261/
398-415, Fax: -990, E-Mail:
Metallbauermeister und
Unternehmer Abuzer
Colak (linkes Bild)
bringt sich in die Initiati-
ve „Handwerk integriert
Migranten“ ein. Sein
Unternehmen beschäftigt
Mitarbeiter aus fünf Na-
tionen und ist aktuell auf
Expansionskurs.
Kfz-Technikermeister
Arnold Filipsen (rechts)
ist seit April 2007 selbst-
ständig, hat drei Mitar-
beiter und bildet aus.
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Neue Initiative der Handwerkskammer Koblenz unterstützt ausländische Handwerker
Betriebsgründungen von Migranten zu
unterstützen, jugendliche Migranten
in ein Ausbildungsverhältnis zu inte-
grieren, Fachkräfte zu qualifizieren
und vor allem die Öffentlichkeit für die
Situation Jugendlicher mit Migranten-
hintergrund zu sensibilisieren, sind die
Ziele einer neuen Initiative „Handwerk
integriert Migranten“ der Handwerks-
kammer Koblenz. Wichtiges Anliegen
der HwK sind dabei der Aufbau und
die Koordination von Netzwerken.
DieAusbildungsbeteiligungvon aus-
ländischenJugendlicheninderAlters-
gruppe zwischen 15 und 18 Jahren ist
von 2000 bis 2005 von 40% auf 25 %
gesunken. Jugendliche ohne qualifi-
ziertenBerufsabschuss sind starkvon
Arbeits- undLangzeitarbeitslosigkeit
bedroht. Damit die Jugendlichen mit
Migrationshintergrund nicht in diese
Spirale geraten, setzt die Initiative
„Handwerk integriert Migranten“
beim Übergang von Schule in Aus-
bildung ein.
Die Ausbildungsberater und Lehr-
stellenakquisiteurederHwKKoblenz
berichten übereinstimmend, dass die
Handwerksbetriebe eine positive
Einstellunggegenüber ausländischen
Jugendlichen haben. 466 auslän-
dische Jugendliche sind derzeit in
derHwK-Lehrlingsrolle eingetragen.
30 ausländische Jugendliche bereiten
sichzurzeitindenBerufsbildungszen-
trenderHwKinKoblenz, BadKreuz-
nach und Herrstein in verschiedenen
MaßnahmenaufihreIntegrationindie
Berufs- und Arbeitswelt vor.
Die Maßnahmen der Pädagogischen
Anlaufstelle (PA) der HwK werden
von den örtlichen Arbeitsagenturen
und den Argen finanziell gefördert.
Für die Mitarbeiter der PA ist die
berufliche und soziale Integration
von Jugendlichenmit Startschwierig-
keiten seit 25 Jahren Herzenssache.
ZielderdurchgeführtenLehrgängeist
stets dieÜbernahme desTeilnehmers
in einen Arbeits- oder Ausbildungs-
platz nach einem Jahr. Eine wichtige
Rolle übernehmen in dem neuen
Projekt ehrenamtliche Tutoren, die
größtenteils selbst einen Migrati-
onshintergrund haben und beruflich
integriert sind. Tutoren sind Paten,
die ihre Schützlinge vor undwährend
derAusbildungberaten,begleitenund
motivieren. Darüber hinaus infor-
mieren sie in Elterngesprächen und
Infoveranstaltungen zusammen mit
Mitarbeitern der Handwerkskammer
über dieAnforderungenundChancen
im Handwerk und weisen auf die
Notwendigkeit einer qualifizierten
Ausbildung hin.
Die neue Initiative der Handwerks-
kammer Koblenz wird unterstützt
durch das rheinland-pfälzische Mi-
nisterium, für Wirtschaft, Verkehr,
Landwirtschaft und Weinbau sowie
dasMinisterium für Arbeit, Soziales,
Gesundheit, Familie und Frauen
und den Europäischen Sozialfonds
(ESF).
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JULHUW 0LJUDQWHQ
Informationen zur Initiative bei
der Handwerkskammer Koblenz:
Telefon 0261/398-375, Telefax
0261/398-989, pa@hwk-koblenz.
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