Handwerk im Herbst vom 7. Oktober 2006 - page 7

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Handwerk hinter
Kloster
mauern:
Vom Holzkreuz bis zur
Glocke
Ein Kloster, das Jahr für Jahr Tausende von Besu-
chern in seinen Bann zieht, feiert dieser Tage ein
stolzes Jubiläum: Vor genau 850 Jahren weihte
Erzbischof Hillin aus Trier die Abteikirche ein.
Doch das direkt am Laacher See gelegene
Kloster war in all den Jahren weit mehr
als ein Ort, an dem gottesgläubige Men-
schen durch Gebet und Gesang Gott ver-
ehren.
Gemäß dem benediktinischen Grundsatz
„Ora et labora“ spielte die Arbeit, der
Broterwerb, immer eine wichtige Rolle
imklösterlichen Zusammenleben. Schon
in den 30er Jahren des vergangenen Jahr-
hunderts war Maria Laach ein bedeu-
tender Wirtschaftsstandort in der Regi-
on und noch heute verfügt dieAbtei über
eine eigene Kunstschmiedewerkstatt, ei-
nen Steinmetzbetrieb und seit wenigen
Jahren sogar über eine Glockengieße-
rei, deren tonnenschwere Erzeugnisse
selbst in Südafri-
ka die Gläubigen
zur Kirche rufen.
In den Werkstätten der Benediktinerabtei Maria Laach fertigen Handwerker hochwertige Kunst- und Gebrauchsgegenstände – Lebensunterhalt für die Mönchsgemeinschaft und Eigenversorgung für die Abtei
Die Abteikirche von Ma-
ria Laach in einem Relief
aus der Werkstatt von Maler-
meister Bruder Joseph Belling.
„Ora et labora, bete und arbeite!“ -
Der Arbeitstag von Malermeister
Bruder Joseph Belling beginnt in
aller Herrgottsfrühe gleich nach dem
Morgengebet. Seit sich Bruder Jo-
seph alias Karl Belling vor 46 Jah-
ren den Benediktinermönchen von
Maria Laach anschloss, ist er stän-
dig zwischen dem Gotteshaus und
seiner Werkstatt im nördlichen Be-
reich des Klostergeländes unter-
wegs. Morgenhore, Konventamt,
Tageshore, Vesper, Komplet - fünf
Mal am Tag werden er und die an-
deren Patres und Brüder zum ge-
meinsamen Gebet in dieAbteikirche
gerufen. Die übrige Zeit des Tages
widmen die Mönche vornehmlich
der Arbeit oder dem Studium.
Oder - wie in Bruder Josephs Fall -
den bildenden Künsten. Umgeben
von Dutzenden selbst geschaffener
Gemälde und Skulpturen sitzt der
67-Jährige in einem lichtdurchflute-
tenAtelier und verpasst seinem jüngs-
ten Werk, der Darstellung eines rö-
mischen Priesters und Heiligen, mit
feinen Pinselstrichen den letzten
Malermeister, Kunstmaler, Händler – Bruder Joseph Belling
Zu den Spezialitäten von Bruder Joseph gehören Plastiken von Heiligen.
Schliff. „Ich verkaufe meine Bilder
nicht an jeden, der eines haben möch-
te“, sagt Bruder Joseph. Sofern er bei
dem Interessenten einen persönlichen
Bezug zu Gott und den durchweg re-
ligiösen Motiven seiner Werke fest-
stellen kann, veräußert er diese aber
gerne. „Außerhalb des Klosters könn-
te ich mir diesen kleinen Luxus nicht
erlauben“, weiß der Malermeister um
die Vorzüge eines Lebens nach der
Ordensregel. Anstricharbeiten in der
Abtei lässt er übrigens schon seit ge-
raumer Zeit von einem inMaria Laach
beschäftigten Malergesellen ausfüh-
ren.
Einheitlich und schlicht sind die Grabsteine der Mönche,
die gleich neben der Nikolauskapelle bestattet wurden. Wie
viele dieser steinernen Platten er selbst behauen hat, dar-
über hat Steinmetz- und Steinbildhauergeselle Josef Wag-
ner längst den Überblick verloren. „Jedes einzelne meiner
46 Berufsjahre habe ich in der Bildhauerei von Maria Laach
verbracht“, sagt der 61-Jährige.
Dass er und sein Steinmetzkollege Otto Ley auch jeder-
zeit in der Lage sind, künstlerisch anspruchsvollere Grab-
male anzufertigen, beweisen jene Exponate, die in und
neben ihrer Werkstatt lagern. „Einige unserer Kunden ge-
ben einen Grabstein schon viele Jahre vor ihrem Tod in
Auftrag“, erklärt Wagner. Wenn diese oft kinderlos ge-
bliebenen Menschen eines Tages sterben, gravieren die bei-
den Steinmetze dann häufig nur noch das Sterbedatum in
deren Grabmäler ein.
Grabsteine für die Mönche
Josef Wagner arbeitet an einem Grabstein.
Würden rings um das Kloster auch sämtliche Lichter aus-
gehen - die Abtei Maria Laach hätte immer noch Strom,
um sich selbst zu versorgen. „Annähernd 80 Prozent un-
seres Jahresbedarfs an Strom erzeugen wir mit Hilfe eines
Blockheizkraftwerks selbst“, sagt Elektroinstallateurmeis-
ter Bruder Marianus Kreissel. Wo immer im Kloster
Elektroarbeiten anfallen: Bruder Marianus bringt die Dinge
in Ordnung.
Gleiches gilt im Übrigen auch für den Bereich Sanitär:
Dank einer eigenen Klempnerwerkstatt, dem „Reich“ von
Gas- und Wasserinstallateurmeister Joachim Möller, sei-
nem mittlerweile 76-jährigen Kollegen Bruder Amandus
sowie einem Lehrling, muss die Abtei bei Heizungs- oder
Klempnerarbeiten nur in den seltensten Fällen auf Hand-
werksbetriebe von außerhalb der Klostermauern zurück-
greifen. Und was die Versorgung von Maria Laach mit
Wasser betrifft: Da ist die Benediktinerabtei dank eigener
Quellen und eines ausgeklügelten Leitungsnetzes sogar
völlig autark.
Eigenes Wasser, eigener Strom
Hobby: Elektroinstallateurmeister Bruder Marianus sam-
melt alte Elektrogeräte und -installationsteile.
Arbeit für mehr als 200 Menschen
In ihren Betrieben erwirtschaften die Mönche einen Großteil ihrer Einkünfte selbst
Landwirtschaft, Fischfang, Handel und Handwerk: Die
Benediktinerabtei Maria Laach war immer auch ein
Ort, der imWirtschaftsleben in der Region zwischen An-
dernach und Mayen, Koblenz und Bad Breisig, eine
wichtige Rolle spielte.
Damit einhergehend ist das Kloster bis heute ein bedeut-
samer Arbeitgeber für zahlreiche Menschen aus den um-
liegenden Orten geblieben: Rund 200 Beschäftigte, dar-
unter etwa 30 Lehrlinge, gehen zurzeit in Maria Laach
ihrer Arbeit nach. „Unsere Abtei ist wie ein mittelständi-
sches Unternehmen tätig“, betont Pater Prior Petrus
Nowack, der „zweite Mann“ im Kloster.
Für den Stellvertreter von Abt Benedikt Müntnich stel-
len die Erträge der klostereigenen Betriebe nicht weni-
ger als „das wirtschaftliche Fundament“ von Maria Laach
dar. Diese wurden nach und nach aufgebaut, um den
Unterhalt sowie die vielfältigen Aufgaben wie den Got-
tesdienst, die Seelsorge, die Versorgung der Gäste oder
die Unterhaltung der Kirche und anderer Gebäude finan-
zieren zu können. Eine besondere Bedeutung misst Pa-
ter Prior Petrus dabei dem Handwerk bei. „In Maria
Laach hat die Ausübung des Handwerks eine reiche Tra-
dition, was sich in den vielen Tätigkeitsbereichen zeigt.“
Knapp 20 Handwerker beschäftigt das Kloster derzeit,
Metallbauer sind ebenso darunter wie Elektroinstallateu-
re, Tischler, Maler oder Steinmetze. Als jüngster und
gänzlich neuer Betrieb kam vor sieben Jahren eine eige-
ne Glockengießerei hinzu, deren Glocken Christen in al-
ler Welt zum Gottesdienst rufen.
Pater Prior Petrus: „Im benediktinischen Mönchsleben
hatte die Arbeit schon immer einen hohen Stellenwert.
In der Benediktsregel wurde etwa der Tagesablauf durch
ein ausgewogenes Verhältnis von Gebet, Lesung und
Arbeit gegliedert. Dabei war es auch möglich, dass vor-
handene Begabungen in handwerklichen oder künstleri-
schen Arbeiten zur Entfaltung kommen konnten.“
Seit Handwerker in Maria Laach tonnen-
schwere Kirchenglocken produzieren,
hat sich auch die Produktpalette der haus-
eigenen Kunstschmiede noch einmal ver-
größert. Metallbauermeister Edgar Rader
und seine Kollegen fertigen seither näm-
lich nicht nur kunstvoll geschwungene
Treppengeländer, gusseiserneWetterhäh-
ne, Laternen oder Grableuchten an. Auch
bis zu 1,50 Meter lange und gut 80 Kilo
schwere Glockenklöppel gehören zum
Repertoire des Sechs-Mann-Betriebes.
„Einen schönerenArbeitsplatz als hier im
Kloster kann ich mir nicht vorstellen“,
sagt Rader, der die Kloster-Kunst-
schmiede Mitte der 80er Jahre als jun-
ger Lehrling kennen lernte und ihr seit-
dem treu geblieben ist. Den Gedanken,
dass die Benediktinermönche in ihren
Werkstätten ausschließlich Handwerker
akzeptieren, die der katholischen Kirche
angehören, verweist er übrigens ins
Reich der Legenden. „Wir haben auch
einige evangelische Christen hier und
hatten auch schon einen Moslem als
Lehrling“, betont der Metallbauer-
meister. Weshalb auf dem Dach der
klösterlichen Schmiedewerkstatt ausge-
rechnet eine „heidnische“ Wetterhexe
thront, kann auch er nicht erklären.
Auch muslimische Handwerker sind im Kloster willkommen
Das Team umMetallbauermeister Edgar Rader fertigt die Glockenklöppel.
Einen Maler und einen jungen Mau-
rer hat auch Tischlermeister Bruder
Michael Reuter unter seine Fittiche
genommen. Allerdings stellen die
drei Handwerker weder Holztruhen
her, noch rühren sie Mörtel, Speis
oder Fassadenfarbe an. Bruder
Michael, bis Ende der 90er Jah-
re Leiter der klostereigenen
Schreinerei, begann vor sieben Jah-
ren damit, in Maria Laach eine eige-
ne Glockengießerei aufzubauen. In-
zwischen liegt die Jahresproduktion
bei knapp 100 Stück, rund 2,2 Ton-
nen wiegt das bislang größte in der
Abtei angefertigte Exemplar, einige
der schönsten Glocken läuten heute
in Bolivien, Taiwan oder in Südafri-
ka zur Messe. Nur in den ehrwürdi-
gen Türmen vonMaria Laach ist noch
keine „Bruder-Michael-Glocke“ un-
tergebracht.
Wie man als Tischler zum Glocken-
gießer wird? „So etwas gibt es wohl
nur im Kloster“, lacht Bruder Mi-
chael. Vor gut zehn Jahren hatte er
vertretungsweise den Läutdienst in
der Abteikirche übernommen. „Die
Glocken haben mich von Beginn an
fasziniert“, sagt der 46-Jährige. Bru-
der Michael las stapelweise Fachlite-
ratur. Irgendwann wusste er so viel
über die Herstellung und Funktions-
weise von Glocken, dass er eine An-
erkennung als Sachverständiger für
Glockenanlagen erhielt.
Der Tischler, der die Glocken gießt – Bruder Michael Reuter
Vom Tischlermeister zum Glockengießer. Bruder Michael Reuter gehört zu
den anerkannten Experten für Kirchenglocken.
In seiner neuen Aufgabe entdeckte
der erfahrene Handwerker allerdings
einen Widerspruch: „Mir war es un-
begreiflich, wie ich etwas beurteilen
sollte, was ich selbst von der Her-
stellung nicht kannte“, blickt er auf
seine frühe „Sachverständigen-Lauf-
bahn“ zurück. Die Konsequenz: „Ei-
nes Morgens steckte ich also meine
Hände in den Lehmund begann, mich
an einer Glocke zu versuchen. Das
‘Problem’ dabei war nur: Gleich die
erste ist etwas geworden“, erinnert
sich Bruder Michael. Quasi im
„Learning by Doing“-Verfahren hat-
te der Tischlermeister kurzerhand
noch einen Glockengießer aus sich
gemacht.
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