Handwerk Special Nr. 111 vom 6. Mai 2006 - page 7

In einer Werkstatt-Ga-
rage begann sein Weg
als selbstständiger
Kfz-Mechanikermeis-
ter. In Güls an der Mo-
sel reparierte der 22-
jährige Karl-Heinz
Scherhag Landmaschi-
nen, Fahrräder und
Autos. Das war 1959.
Mit Willen und Durchsetzungs-
vermögen wurde aus dem Ein-
mannbetrieb ein Erfolgsunter-
nehmen, das heute 60 Mitarbei-
ter, unter ihnen 16 Lehrlinge,
zählt und aus der Koblenzer
Wirtschaft nicht wegzudenken
ist. Eine Erfolgsstory, geschrie-
ben durch einenMann, der nicht
nur als Unternehmer seine Spu-
ren hinterlassen hat. Karl-Heinz
Scherhagwar 16 Jahre Innungs-
obermeister, 12 Jahre Kreis-
handwerksmeister. Seit 1988 ist
er Präsident der HwK Koblenz.
In zahlreiche Ehrenämter hat er
sich eingebracht, u.a. bei der
InnungskrankenkasseKoblenz,
im Zentralverband des Deut-
schen Handwerks, im Welt-
verband für das Kfz-Gewerbe,
im Zentralverband des Deut-
schen Kfz-Handwerks und der
Kreditgarantiegemeinschaft des
rheinland-pfälzischen Hand-
werks. Karl-Heinz Scherhag ist
Träger des Großen Bundesver-
dienstkreuzes und des Golde-
nen Handwerksabzeichens.
Seit 1960 CDU-Mitglied, zieht
Scherhag 1994 für zwei Legis-
laturperioden als Abgeordneter
in denDeutschenBundestag ein
- nach 16 Jahren im Koblenzer
Stadtrat die Krönung als Politi-
ker. In Berlin arbeitet er in den
Ausschüssen für Finanzen, Bil-
dung, Wissenschaft und For-
schung. Als Mitglied des re-
nommierten Wirtschaftsaus-
schusses - hier ist er Vorsitzen-
der des Arbeitskreises der CDU
- bringt er sich 1998 in die No-
vellierung der Handwerks-
ordnung ein. Am 5. Mai feierte
Scherhag seinen 70. Geburts-
tag. Im Interview lässt er sein
berufliches, politisches und pri-
vates Leben Revue passieren.
Herr Scherhag, vorweg ein
Kompliment: Wie schaffen
Sie es, dass man Ihnen die 70
Jahre nicht ansieht? Gibt es
ein Rezept?
Handwerker, Unternehmer
und Familienmensch
Das Handwerk lebt vom ehrenamtlichen Einsatz seiner Meister
6. Mai 2006
Nr. 111
HwK-Präsident Karl-HeinzScherhag feierte seinen70. Geburtstag
Scherhag
(lacht): Danke. Ein
Rezept gibt es nicht. Es hält fit,
wenn man sich geistig wie kör-
perlich in den unterschiedlichs-
ten Bereichen beschäftigt. Ak-
tiv beispielsweise beim mor-
gendlichen Schwimmen. Wenn
möglich gehe ich zu Fuß, steige
lieber Treppen als mit demAuf-
zug zu fahren. Ich legeWert auf
körperliche Arbeit. Auf der an-
deren Seite ist es eine Einstel-
lungsfrage, wie man an die all-
täglichen Herausforderungen
herangeht, sei es im Unterneh-
men, im Ehrenamt oder in der
Familie. Besonders genieße ich
die Zeit mit meinen vier Enkel-
kindern. Das hält jung. Wenn
ich überhaupt ein Motto habe,
dann: Mit Freude, auch mit Ge-
nuss, aber kontrolliert zu leben.
Um es in der Kfz-Sprache zu
sagen: Ist es an der Zeit, ein
paarGängerunterzuschalten?
Man muss immer das Tempo
wählen, das gut für einen ist.
Das ergibt sich aus der persön-
lichen Lebenssituation. Als
HwK-Präsident und Unterneh-
mer hatte ich die zusätzliche
Aufgabe als Bundestagsabge-
ordneter übernommen, bei der
ich jährlich fast 100.000 kmmit
dem Auto unterwegs war. Zeit-
lich bedeutete das einen 14- bis
16-Stunden-Job zwischen Ko-
blenz und Bonn, später Berlin.
Es war eine spannende Zeit, die
mir bis heute viel bedeutet und
Spaß gemacht hat. Doch mit
dem Berlin-Umzug stellte sich
mir die Frage: Ehrenamt und
Unternehmen in Koblenz oder
ausschließlichBundestagsman-
dat in Berlin. Ich habe mich für
Koblenz entschieden.
Sie gelten alsMensch, der die
DingeindieHandnimmtund
nicht abwartet, wie sich alles
so entwickelt ...
Ich habe immer in dem Be-
wusstsein gelebt, dass es sich
lohnt zu kämpfen. Mich stören
Situationen, die nicht optimal
sind und bei denen keiner etwas
dagegen unternimmt. Heute
höre ich oft genug: Familie
Scherhag, eigenes Unterneh-
men, alles in Ordnung. Doch
auch zu Beginn meines Berufs-
lebenswarenLehrstellenknapp.
Auch als ichmich als Kfz-Meis-
ter selbstständig machte, war
das nicht einfach, zählten harte
Auseinandersetzungen mit Ge-
nehmigungsbehörden dazu -
was mich schließlich bestärkt
hat, in die Politik zu gehen.Mein
Unternehmen gründete ich in
einer Garage, in der man heute
durch Vorschriften bedingt kei-
nen Betriebmehr eröffnen dürf-
te.MeinStartkredit waren 2.000
D-Mark. Um aus diesen Vor-
aussetzungen das Unternehmen
zu formen, für das heute aner-
kennende Worte gefunden wer-
den, muss man die Ärmel hoch-
krempeln - damals wie heute!
EineBotschaft an die heutige
Generation,optimistischerdie
eigene Zukunft anzupacken?
Auch das. Wir leben grundsätz-
lich nicht schlecht, doch haben
wir uns an Dinge gewöhnt, die
früher Luxus waren. Damit ver-
binden sich für mich geänderte
Wertevorstellungen, oft genug
leiderWerteverfall. Erlebenwir
wie heute Zeiten der wirtschaft-
lichen Korrektur, ist Jammern
eher wahrzunehmen als ein ent-
schlossenes „Jetzt erst recht!“.
Als Kammerpräsident freue ich
mich dann aber auch, wenn die
Botschaft der jungen Meister
Selbstständigkeit lautet. Das be-
stärkt in dem Gedanken, dass
sich Leistung, die richtige Ein-
stellung und Qualifikation
durchsetzen und auch lohnen
werden!
BeidenRahmenbedingungen
dafür spielen HwK und Poli-
tik eine Rolle ...
Als Unternehmer undKammer-
präsident kenne ich die Leistun-
gen der HwK ganz genau, treffe
Entscheidungen selber mit, um
das überdurchschnittliche Ni-
veau zu halten bzw. weiter zu
verbessern.Mit demBeratungs-
und Dienstleistungsangebot hat
unsere Kammer ihren Anteil an
einergutenEntwicklungdesHand-
werks im nördlichen Rheinland-
Pfalz. Als Abgeordneter habe
ich Einblick in politische Ent-
scheidungsprozesse erhalten
und sie mit geprägt. Auch heute
noch stehe ich mit der Bundes-
politik in Kontakt. Grundsätz-
lich sehe ich eine Verbesserung
im Verhältnis von Politik und
Handwerk. Im Dialog weiß je-
der um das Machbare und die
Ideale des anderen. Ein Ver-
hältnis, das nicht zuletzt durch
einzelne Personen geprägt wird.
... damit auch durch Bundes-
kanzlerin Merkel?!
Persönlich kenne ich sie seit
1994 und schätze sie als offe-
nen Menschen und umsichtige
Politikerin. Sie hat Lebenserfah-
rung aus Ost und West, ist ehr-
lich, korrekt und bemüht, die
Probleme der Menschen zu lö-
sen. Deshalb habe ich sie immer
unterstützt. Einfach ist ihreAuf-
gabe als Kanzlerin in einer gro-
ßen Koalition sicher nicht.
Welche Gründe gab und gibt
es für Sie, sich im Handwerk
ehrenamtlichzuengagieren?
Wer etwas verändernwill, muss
handeln. Das Ehrenamt bietet
dafür nach innen wie nach au-
ßen Möglichkeiten. Ehrenamt
bedeutet Verantwortung zu
übernehmen, nicht auf die Uhr
zu sehen, ein offenes Ohr zu
haben, über den Tellerrand zu
blicken. Voraussetzung ist, sel-
bermit LeibundSeeleHandwer-
ker und Unternehmer zu sein.
Was ist demMenschen Karl-
Heinz Scherhag wichtig?
Ich lege viel Wert auf ein faires
und gutes Miteinander. Jeder
sollte so mit seinen Mitmen-
schen umgehen, wie er es auch
selber erfahren möchte. Warum
wird laut über Gewalt unter Ju-
gendlichen geklagt? Die glei-
chen Jugendlichen kommen als
Lehrlinge in die Betriebe, in die
ÜLU oder in unsere Pädagogi-
sche Anlaufstelle und es funk-
tioniert plötzlich.Warum?Weil
die Meister, die Gesellen in den
Betrieben, die Mitarbeiter der
HwK mit ihnen reden, sie ernst
nehmen und gemeinsamLösun-
gen suchen. Ein Erfolg, für den
gegenseitiger Respekt Grund-
voraussetzung ist.
Wenn Sie zurückschauen:
Gibt es etwas, was Sie anders
machen würden?
Wer 1936 geboren ist und 65
Jahre „denkend“ zurückblicken
kann, erinnert sichnoch anBom-
bennächte im Keller, an den
Aufbau der Bundesrepublik, an
die eigenenAufbaujahre. Eswar
ein Auf und Ab, eine spannende
Zeit. Ich freue mich über das
Erlebte und auf das Künftige
und würde alles wieder so ma-
chen. Mein Fazit fällt insofern
sehr zufrieden aus.
Das ganze Interview unter
HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag im großen
Geburtstags-Interview für Handwerk Special ...
... und in
seiner
Kfz-Werk-
statt im
Gespräch
mit Mitar-
beitern.
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...24
Powered by FlippingBook