Handwerk im Herbst vom 12. November 2005 - page 9

Anzeigen
Was zum
Hinsehen
Bad Kreuznacher bauen am schnellsten Serienauto der Welt mit
E
s ist der schnellste und leistungsstärkste Pkw, den es je gab: Der Bugatti EB
16.4. Veyron. Mit seinen 1001 PS soll er eine Spitzengeschwindigkeit von mehr
als 400 km/h erreichen – ein Auto der Superlative, auch was den Preis von ca.
1,2 Mio. Euro angeht. Ab Herbst 2005 soll der Supersportler durch den zivilen
Straßenverkehr rollen.
„Edel, teuer, superschnell und tech-
nisch ein absoluter Leckerbissen“ –
die Fachpresse überschlägt sich seit
der Ankündigung durchVW-Tochter
Bugatti, das rollende Superlativ zu
bauen, mit Lobeshymnen. „Alles an
diesem Supersportwagen ist exklu-
siv!“ Da muss Dr. Henri-Jacques
Topf schmunzeln. Er ist Geschäfts-
führer des Bad Kreuznacher Hand-
werksunternehmens Schneider Pro-
totyping GmbH. Der 1991 gegrün-
dete Betrieb und seine 50 Mitarbei-
ter, unter ihnen drei Lehrlinge, ist auf
den Bau von Prototypen spezialisiert,
insbesondere für dieAutomobilindus-
trie. Einer der Kunden: Bugatti. Und
weil der EB 16.4. so exklusiv ist,
werden die inneren Verblendungen
der Seitenspiegel in Bad Kreuznach
als Prototyp in Kleinserie gebaut.
Alles in Handarbeit, wobei man sich
von Maschinen unterstützen lässt.
Doch gerade der „Maschinenpark“
hat es in sich. Von der Gießerei bis
zum Lasermodellierer findet sich al-
les unter einem Dach.
Ausflug in die Zukunft
Wer einen Ausflug in die Zukunft
machen will, ist bei Schneider Proto-
typing nicht nur wegen der Bearbei-
tungsmethoden richtig: Viele Bautei-
le, die hier entstehen, gibt es noch
gar nicht. „Das sind Verkleidungen,
Armaturen oder Hebel, die in künf-
tigen Serien eingesetzt werden und
so erst in einigen Monaten, manch-
mal Jahren im Auto zu finden sind.“
Nebeneffekt: „Wir wissen nicht nur,
wer gerade eine neue Serie plant, son-
dern in vielen Details auch, wie sie
aussehen wird ...“ KeinWunder also,
dass Fotografieren im Betrieb verbo-
ten ist. Ein Geheimnis bleibt es denn
so auch, was das kleine, feine Ein-
zelteil des Bugattis kostet und wie es
hergestellt wird.Weniger Zu-
rückhaltung ver-
bindet sich je-
doch mit seinemErscheinungsbild im
Auto: In einem exklusiven Innen-
raum, der streng in weißem Leder
und mattem Edelstahl gestaltet ist,
leuchtet die Spiegelverkleidung ganz
in Schwarz. Was fürs Auge also -
nicht nur beim Blick in den Rück-
spiegel, der ohnehin bei 400 km/h nur
das zu bieten hat, was man gerade vor
sich sah.
Blick ins Cockpit
des schnellsten
Straßen-Pkws der
Welt. Auch wenn
der Rückspiegel
bei Tempo 400
nicht wirklich
viel zu bieten hat
- beim Blick
dorthin fällt die
schwarze Innen-
verkleidung im
ansonsten weiß-
silbrig gestalteten
Innenraum ins
Auge. Die
kommt aus Bad
Kreuznach.
Mit Hand-
werksarbeit unter-
wegs: Bugatti EB 16.4.
Es raucht und qualmt,
wenn das glühende Eisen
auf den Pferdehuf gepresst
wird. „Keine Angst“, beruhigt Jörg
Ohl, staatlich geprüfter Hufschmie-
demeister, zaghafte Gemüter.
Die
1-PS-Werkstatt
Hufbeschlag: Jörg Ohl ist „Maßschuhmacher“ für Pferde
„Gearbeitet wird nur am abgestorbe-
nen Horn. Das Aufbrennen sorgt da-
für, dass das Eisen möglichst pass-
genau am Huf sitzt. Fachmännisch
ausgeführt, ist das Hufbeschlagen
zwar harmlos, aber trotzdem fast eine
Kunst“, betont Ohl. Er erklärt, dass
dasAnpassen „neuer Schuhe“ für die
Pferde keine Mas-
senproduktion, son-
dern Maßarbeit
ist. Da-
bei gibt es große Unterschiede, so in
der Länge der Eisen, Art des Materi-
als und der Befestigung. Das Gewicht
des Pferdes spielt eine Rolle, sein
Alter und auch ob es ein Dressur-
oder Rennpferd ist.
Rollende Hufschmiede
Alles, was er für seine
„Pferde-Kundschaft“
braucht, hat Jörg Ohl, der
seit 13 Jahren selbstständig
ist, imAuto dabei. Doch nicht nur
handwerklich ist er gefordert
- „Fingerspitzengefühl und
Erfahrung, um das Tier
nicht zu verletzen, gehö-
ren auch dazu“, betont Ohl. Die Pfer-
de schätzen ihn. „Ich bin in all den
Jahren erst einmal getreten worden
und das auch nur, weil das Tier eine
Fliege abschüttelte“, erinnert er sich.
Alle sechs bis achtWochen empfiehlt
sich die Prozedur um die Hufe. Bei
kranken und deformierten Hufen
wird Ohl zum „Pferdeorthopäden“.
„Für mich ist es ein absoluter Traum-
beruf“, sagt Jörg Ohl. Über seine heu-
tige Frau, eine Springreiterin, kam
der Pferdekontakt zustande. „Ich
schaute einem Hufschmied über die
Schulter, habe bei ihm ein Praktikum
gemacht und festgestellt: Das ist es.
Ein Pferd ist ein fairer Partner“, sagt
er. Nach einer Metallbauerlehre und
der Mitarbeit bei einemHufbeschlag-
schmied besuchte er die staatlich an-
erkannte Lehr-Hufschmiede des Neu-
wieder Hufbeschlagschmieds Robert
Hof, bevor er sich selbstständigmach-
te. Seine Auftraggeber sind private
Kunden und Reiterhöfe, die auch aus
der Schweiz und Österreich kommen.
„Ich mag Pferde und behandle alle
gleich, egal ob es sich dabei um das
Pferd der österreichischen Meisterin
im Dressurreiten oder ein anderes
handelt. Pferde haben eine Seele.
Wenn sie leiden, das hängt oft mit
den Hufen zusammen, sieht man es
in ihren Augen”, betont Ohl.
Bau von Prototypen mit verschiedenen Fertigungsverfahren
|
gegründet 1991
50 Mitarbeiter, 3 Lehrlinge
|
Internet:
Steckbrief: Schneider Prototyping, BadKreuznach
staatlich geprüfter Hufschmiedemeister
|
1 Lehrling
|
Tel.: 06432/
64 43 97
|
Internet:
Steckbrief: Jörg Ohl, Niederneisen
Die Schmiede hat Jörg
Ohl in seinem Liefer-
wagen immer dabei.
Jedes Huf wird speziell
für das zu beschlagene
Pferd maßangefertigt.
Keine Schmerzen beimAuf-
brennen: Gearbeitet wird
am abgestorbenen Horn.
STARegio heißt ein neues „Zauberwort“, das durch Ausbildung im Verbund
zusätzlicheAusbildungsplätze schafft. STARegio setzt ein, wenn Handwerks-
betriebe, die ausbilden wollen, auf Grund ihrer hohen Spezialisierung, nicht
in der Lage sind, den Ausbildungsrahmenplan zu erfüllen. Sie haben jetzt die
Möglichkeit, imVerbund mit einem Partnerbetrieb alle Ausbildungsinhalte zu
vermitteln. Der Lehrling lernt dann in zwei Betrieben. Jedes Unternehmen
vermittelt nur den Teil des Ausbildungsrahmenplanes, auf den man sich im
Ausbildungsvertrag verständigt hat.
Eine Zusammenarbeit, die sich bereits bewährt, so im Unternehmen von Jörg
Ohl (Bericht auf dieser Seite): Erstmals bildet der staatlich geprüfte
Hufschmiedemeister im Verbund mit der Metallbaufirma Marc Flocke und
Alexander Etlich ausAltendiez einen Lehrling aus. Carlo Puddu möchte Metall-
bauer, Fachrichtung Metallgestaltung, werden, um sich anschließend zumHuf-
schmied weiterzubilden. „Wir stellen über diese Zusammenarbeit sicher, dass
Carlo eine umfangreicheAusbildung in seinemHandwerk erfährt und zugleich
einen Schwerpunkt auf seinen späteren Berufswunsch legt“, lobt Jörg Ohl die
Flexibilität, die sich durch STARegio bei der Ausbildung Jugendlicher ergibt.
Das Projekt STARegio führt die Handwerkskammer Koblenz gemeinsam mit
dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesinstitut für
Berufsbildung (BIBB) und der Europäischen Union durch.
Weitere Informationen zu STARegio gibt die Ausbildungsberatung der Hand-
Verbundausbildung „STARegio“
Handwerksbetriebe arbeiten bei Ausbildung zusammen
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12,13,14,15,16
Powered by FlippingBook