Handwerk Special Nr. 91 vom 29. Januar 2003 - page 10

Messe „Jobs & Fachkräfte“
29. April bis 1. Mai
Bischof Marx über menschliche Werte, seine Freizeit, Frauen und den Klatsch beim Klerus...
Im Glauben unzerstörbares Leben finden
Eigentlich ist unsere Familie
mehr von der Landwirtschaft ge-
prägt. Meine Eltern waren beide
die jüngsten auf dem Bauernhof,
so dass sie einen anderen Beruf
lernen mussten. Aber ihr Herz
hat doch immer für die Vorgänge
in der Natur, der Landwirtschaft
geschlagen. Auch ich habe dazu
einen stärkeren Zugang als zu
technischen Fragen.
Goethe sagte sinngemäß
„vom Vater habe ich den
scharfen Verstand, von der
Mutter die Lust zum Fabu-
lieren.“ Für welche Werte
stehen Vater und Mutter
bei Ihnen?
Das Goethe-Zitat kann ich unter-
streichen. Mein Vater war ein
sehr analytischer Mensch, mit
wachem Verstand die Welt und
die Politik betrachtend. Meine
Mutter ist eher ein Gemüts-
mensch mit Humor und Freude
am Leben. Obwohl mein Vater
bereits seit 22 Jahren tot ist, hat er
mich sehr geprägt, so dass er
heute noch in meinen Träumen
auftaucht.Wiewichtig die Eltern
sind, schätzt man als 50-Jähriger
sicher mehr als als 15-Jähriger.
Berufsorientierung ist ein
Thema, das vor allem junge
Leute stark beschäftigt.
Welche Frage sollte dabei
Ihrer Meinung nach die
wichtigste Rolle spielen?
Ein junger Mensch sollte sich
zunächst fragen: Was kann ich
wirklich gut, was will ich errei-
chen,wowill ichhin?Diese idea-
listische Betrachtung ist aber zu
einseitig. Ein Beruf ist ja immer
auch eine Tätigkeit, mit der ich
meinen Lebensunterhalt verdie-
ne, eine Familie aufbaue. Ich
muss meine Tätigkeit, meine Fä-
higkeiten auf dem Arbeits-
markt anbieten und mich fragen,
werden sie gebraucht? Eine Be-
rufsentscheidung bedeutet auch
nicht, dass man das ganze Leben
auf diesem Arbeitsfeld bleibt.
Man muss immer lernen und of-
fen sein für Anforderungen und
neue Aufgaben.
Wann und warum haben
Sie beschlossen, Ihr Leben
in den Dienst der Kirche zu
stellen?
Sehr früh. Der Wunsch, Priester
zu werden war bei mir sehr aus-
geprägt, natürlich mal intensi-
ver, mal weniger intensiv, aber
dieroteLiniegabesimmer.Ernst-
haft habe ich keinen anderen Be-
ruf erwogen, weil mir alle Alter-
nativen schwächer erschienen.
Wenn man wie ich seit der Kind-
heit glaubt, dass Gott existiert
und in Jesus Christus uns nahe ist
und dass die Gemeinschaft des
Volkes Gottes erlaubt, dass wir
ihm begegnen können, ist es das
größte geistige Abenteuer der
Menschen,sichdamitzubeschäf-
tigen.
Sie sind einer von Gottes
Stellvertretern auf Erden.
Was sagen Sie, wenn Er
schweigt und zusieht, dass
unschuldige Menschen auf
der Welt durch Waffenge-
walt sterben? Oder darf
man solch eine Frage nicht
stellen?
Die Frage ist die schwierigste
Frage inder Theologie überhaupt
und man wird sie auch immer
wieder stellen.Menschlich ist sie
unvermeidlich.Wirdenkenmensch-
lich von Gott. Daraus aber zu
schließen, ich verstehe ihn nicht,
deshalb kann Gott nicht existie-
ren,wäre einzueinfachesGottes-
bild. Wenn wir das Wort Gott
aussprechen, sprechen wir eine
Wirklichkeit an, die nicht Teil
der Schöpfung ist. Gott ist keine
Verlängerung unserer Vorstel-
lungen. DieWelt ist nicht so, wie
sie idealerweise sein sollte. Ist
sie aber nicht so, weil die Men-
schen so sind? Warum sind sie
so? Hätte Gott besser daran ge-
tan, dieWelt gar nicht zu erschaf-
fen? Wir können Gott nicht für
dasBöse verantwortlichmachen,
dass der Mensch selbst anrichtet.
Gott trägt aber das menschliche
Leid mit, begibt sich in diese
Höhepunkt derLehrer-Info-Tage
bei der HwK Koblenz im No-
vember 2002 war der Meinungs-
austauschmit Prof.Dr.Marxüber
Werte und Wertorientierung in
Bildung, Arbeitswelt undGesell-
schaft. Der Geist der Veranstal-
tung wurde von den Ausführun-
gen des Bischofs über das Men-
schenbild aus philosophischer
und christlicher Sicht getragen.
„Der Mensch ist Person, ist un-
verwechselbares Ich, kann sich
aber nur vervollkommnen in der
Gemeinschaft. Er hat die Ver-
nunft zu lernen, hat ein Gewis-
sen, ist ein moralisches Wesen“,
betonte Marx. Wenige Tage spä-
ter fand Bischof Marx am Rande
der europäischen Bischofskon-
ferenz in Bonn Zeit für ein per-
sönliches Gespräch.
Handwerk special: Sie sind
der jüngste deutsche Bi-
schof im ältesten deutschen
Bistum. Empfinden Sie das
als Chance oder Bürde?
Wo liegen Ihre Ziele, wel-
che Prioritäten setzen Sie?
Bischof Marx:
Jugend geht schnell
vorüber. Es wird in wenigen Jah-
ren sicher Bischöfe geben, die
jünger sind als ich. Natürlich hat
man jetzt noch etwas mehr Kraft
und Dynamik, die man in das
Amt mit einbringen kann, dafür
fehlen Erfahrungen und Weis-
heit des Alters. Aber die Grund-
frage stellt sich allen Bischöfen
gleich. Wie können wir dieMen-
schen von der frohen Botschaft
neu begeistern, ihre Augen und
Herzen öffnen für das Glück und
die Freude, die aus demGlauben
Jesus Christus erwachsen. Im
Glauben finden wir das unzer-
störbare Leben. Christ zu sein ist
eine großartige Sache.
Ihr Vater war Schlosser-
meister. Steckt auch in
Ihnen ein Handwerker?
Nein. Im Gegensatz zu meinem
älteren Bruder, der handwerk-
lich sehr begabt ist, habe ich, wie
man so sagt, zwei linke Hände.
Er ist der jüngste Bischof im ältesten Bistum Deutschlands: Prof. Dr.
Reinhard Marx aus Trier. Geboren am 21. September 1953 im westfä-
lischen Geseke, studierte er nach dem Abitur Theologie und Philoso-
phie in Paderborn und Paris. 1979 folgte die Priesterweihe. 1996
wurde er Professor für Christliche Gesellschaftslehre. 1996 erhielt er
die Bischofsweihe. 2001 ernannte Papst Johannes Paul der II. Weih-
bischof Reinhard Marx zum neuen Bischof des Bistums Trier. Am 1.
April letzten Jahres wurde er in sein Amt eingeführt. Er gilt als Mann
bodenständiger Frömmigkeit mit einer echten Neugier auf Mitmen-
schen und ihr Leben.
Deutschlands jüngster
Diözesanbischof mit jun-
gen Handwerkslehrlingen
und dem rheinland-pfälzi-
schen DGB-Vorsitzenden
Dietmar Muscheid wäh-
rend der Lehrer-Info-
Tage im November 2002
bei der HwK Koblenz.
Donnerstag, 1.5.:
Tag der Arbeit - Ein Feiertag oder ein Tag zum Feiern?
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