Handwerk Special Nr. 91 vom 29. Januar 2003 - page 15

Schwarzen Schafen auf der Spur / Existenzgründung
29. Januar 2003
Nr. 91
ErfolgreicheKooperationvonKreisverwaltungundKreishandwerkerschaft inBadKreuznach
Gegen Schwarzarbeit an einem Strang ziehen
Schwarzarbeit...
...ist nach dem
Gesetz zur
Bekämpfung der Schwarz-
arbeit
die „Erbringung von
Dienst- und Werkleistun-
gen in erheblichem Um-
fang, wenn bestimmte Mit-
teilungspflichten gegenüber
Sozialleistungsträgern nicht
vorgenommen worden sind,
der Verpflichtung zur An-
zeige des Beginns eines
selbstständigen Betriebes
nicht nachgekommen wur-
de (...) oder ein Handwerk
als stehendes Gewerbe be-
trieben wird, ohne in die
Handwerksrolle eingetra-
gen zu sein“.
...boomt vor allem im Bau-
und Ausbaugewerbe und
im Friseur- und Kfz-Hand-
werk.
...liegt nicht vor bei unent-
geltlichen Gefälligkeitsleis-
tungen ohne vertragliche
Verpflichtung aufgrund von
persönlichem Entgegen-
kommen, etwa innerhalb
der Familie. „Nachbar-
schaftshilfe gegen geringe
finanzielle Anerkennung“
liegt in der Grauzone zur
Schwarzarbeit.
Informationen über das
HwK-Rechtsdezernat:
Tel.: 0261/ 398-202
Fax: 0261/ 398-983
E-Mail:
Während die Stimmung in den mittelständischen Betrieben
schlechter wird, setzt ein Wirtschaftszweig bundesweit zu
Höhenflügen an: die Schwarzarbeit. Ein Wachstum von
7 Prozent und Einnahmeausfälle bei Steuern und
Sozialkassen von 75 Mrd. Euro haben Wissenschaft-
ler errechnet. Der Gesamtumsatz wird auf 380 Mrd.
Euro geschätzt und macht damit 16,5 Prozent des
Bruttoinlandproduktes aus.
Im Landkreis Bad Kreuznach
hat man vor drei Jahren der
Schattenwirtschaft den Kampf
angesagt. Erfolgreich, weil
Kreisverwaltung, Arbeitsamt,
Zollfahndung und das Hand-
werk mit weiteren Partnern ak-
tiv an einemStrang ziehen. Rund
400 Fällen sind die Herren Hel-
mes und Heldmann von Buß-
geldstelle bzw. Ordnungsamt
der Kreisverwaltung (KV) im
vergangenen Jahr nachgegan-
gen: Unerlaubte Gewerbeaus-
übung, Verstöße gegen die
Handwerksordnung, illegale
Beschäftigung, Gefälligkeits-
rechnungenmit Steuer- undAb-
gabenbetrug...
Weg in die Legalität zeigen
Ob eine Ermittlung zum Erfolg
führt, lässt sich imVorfeld nicht
immer beurteilen, aber ange-
packt wird sie. „Wennwir einen
Fall zur Anzeige bringen, muss
alles hieb- und stichfest sein.“
Die KV hat sich für die Be-
kämpfung der Schwarzarbeit
personell verstärkt, ist aber auf
Hinweise und die Zuarbeit etwa
aus der Kreishandwerkerschaft
(KHS) angewiesen. „Wir ermit-
teln unabhängig von der Höhe
der zu erwartenden Bußgelder,
die ohnehin meist am unteren
Ende des Rah-
mens liegen. Au-
ßerdem versuchen
wir immer, gemein-
sam mit den Be-
troffenen eine
Lösung zu fin-
den, damit sie ihr
Gewerbe dann legal
weiter ausüben können“,
so Helmes und Heldmann.
Auch hier greift die Zusammen-
arbeit mit demHandwerk, denn
die Handwerksordnung und die
so genannten Leipziger Be-
schlüsse eröffneneineReihevon
Möglichkeiten, eine ausnahms-
weise oder eingeschränkte Be-
willigung zur Handwerksaus-
übung zu erteilen, so Kreis-
handwerksmeister Günster und
KHS-Geschäftsführer Schlau.
Eine weit verbreitete Ursache
für Schwarzarbeit, so ihre Er-
fahrung, liege auch in der Ge-
dankenlosigkeit einzelner Bau-
herren und Generalunterneh-
mer, die bei ihren Subunter-
nehmern die Ausübungsbe-
rechtigung nicht hinreichend
„unter die Lupe“ nähmen.
„Gerade bei Unternehmen, die
‘Dienstleistungen aller Art’ an-
bieten und sich damit in gewer-
berechtlichenGrauzonen bewe-
gen, kann das ein Laie selten
beurteilen“, so die KV-Mitar-
beiter. Gewerbetreibende hät-
ten allerdings eine gesteigerte
Pflicht, sich kundig zu machen.
Die KHS rät ihren Betrieben,
ihre Handwerkerkarte bereits
bei der Angebotserstellung un-
aufgefordert vorzulegen - zum
eigenen Schutz.
Risiko für beide Seiten
Über den volkswirtschaftlichen
Schaden hinaus verweisenKHS
und KV auf die fehlende Ge-
währleistung, wenn Aufträge
„schwarz“ vergeben und dann
mangelhaft ausgeführt werden.
DasNachbessern kommt für den
Kunden in der Regel teurer, als
die direkt regelgerecht verge-
bene und ausgeführte Leistung.
Und die „schwarzen Schafe“
tragen das Risiko, ihrer Arbeit
ohne Versicherungsschutz
nachzugehen.
Schwarzarbeit weniger attrak-
tiv und ehrliche Arbeit günsti-
ger zu machen, ist eine zentrale
Forderung des Handwerks. Für
sein Friseurhandwerk und an-
dere personalintensive Gewer-
ke fordert Günster den redu-
ziertenMehrwertsteuersatz,wie
es in einigen Nachbarländern
Praxis ist. „Dazu gehört natür-
lich, dass wir die Ersparnis von
9 Prozent an unsere Kunden
weitergeben und unsere Dienst-
leistung damit interessanter
machen.“
Einen Erfolg des gemeinsa-
men Engagements gegen die
Schwarzarbeit im Nahe-Raum
können Kreisverwaltung und
Sonntag, 4.5.:
Gezielte Nutzung neuer Medien
Fachprogramm zur Messe
29. April bis 5. Mai
Kreishandwerkerschaft sich auf
die Fahne schreiben: Das The-
ma ist im Gespräch, Betriebe
wie Behörden sind sensibili-
siert - im Landkreis Bad Kreuz-
nach und darüber hinaus.
„Existenzgründer statt Angestellter“
HS: Betriebsneugründungen
und -übernahmen dynamisie-
ren den Wettbewerb und regen
Innovationen an. Warum
vernachlässigen Forschung
und Lehre diese Felder?
Kaschny: Wir haben an deut-
schen Hochschulen verkrustete
Strukturen, die teilweise sehr alt
sind. Es fehlt der Wettbewerb
zwischen den Hochschulen. In
den USA ist das anders. Dort
besteht zudem eine enge Anbin-
dung an die Wirtschaft, so dass
Problemstellungen aus der Pra-
xis direkt an die Hochschulen
herangetragen werden. Auf die-
se Weise bekommen die Stu-
denten das nötige Rüstzeug, um
Im Gespräch mit Prof. Dr. Martin Kaschny
nach ihrem Abschluss schneller
in der Wirtschaft Fuß zu fassen.
Nur mit einer neuen Form der
ZusammenarbeitzwischenHoch-
schulen und Privatwirtschaft
könnendiedeutschenHochschu-
len iminternationalenVergleich
wieder aufholen.
Welche Ziele verbinden Sie mit
Ihrer Stiftungsprofessur?
Wir müssen Pionierarbeit in den
Köpfen der Studenten leisten.
Sie sollen sich frühzeitigmit den
Chancen undRisiken der Selbst-
ständigkeit beschäftigen und sie
als Alternative zumAngestellts-
einsehen.ReintheoretischesMa-
nagementwissen reicht nicht.
Wir müssen konkrete Probleme,
die sonst erst in der Geschäfts-
praxis auftreten, behandeln. Das
Lehrangebot soll Basiswissen in
denBereichenGründungsmana-
gement und Management ver-
mitteln. Nicht nur für angehen-
de Wirtschaftswissenschaftler,
sondernfürStudentenallerFach-
bereiche. Unter ihnen möchten
wir „Perlen“ entdecken und
durchCoachingNeugründungen
fördern und sichern. Ich versu-
che dabei auch Studenten in
handwerksnahenFachbereichen
wie z.B. die angehenden Bauin-
genieure oder Elektrotechniker
für das Handwerk zu begeistern.
Wie kann die Gründungspro-
blematik im Verbund von For-
schung, Lehre und Kammern
besser gelöst werden?
Nehmen wir die Zusammenar-
beit mit der HwK Koblenz: Ich
tausche mich mit den Betriebs-
beratern aus. Sie sind an der
Front. Sie kennen Betriebe, die
Fachleute oder Nachfolger su-
chen. Ich sehe mich als Vermitt-
ler zwischen Talenten aus der
Fachhochschule und denBetrie-
ben. Die gemeinsame Materie
verbindet. Hier sehe ich ein gro-
ßes Potential für das Handwerk,
auch in derNachfolgeproblematik.
Dr. Martin Kaschny: Un-
ternehmensberater und
seit September 2002 In-
haber einer Stiftungspro-
fessur im Fachbereich
Betriebswirtschaft an der
Fachhochschule Koblenz.
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20
Powered by FlippingBook