Handwerk Special Nr. 86 vom 17. April 2002 - page 7

Schnelles Handwerk auf zwei Rädern: Rennanzug und Blaumann
17. April 2002
Nr. 86
Das Leben im Rennanzug & Blaumann
Weltenbummler
mit 300 km/h
Wie man sich fühlt, wenn man gerade Zweiter in einem 24-Stunden-
Weltmeisterschaftslauf geworden ist? Zuvor mit Vollgas einen Tag
verabschiedet hat, mit 300 Sachen durch die Nacht flog, in den
Sonnenaufgang hinein. Immer am Limit. Dann kam sie irgendwann
auf einen zugerast, die schwarz-weiß-karierteZielflagge. Sektdusche,
immer wieder die Umarmung mit den Leuten aus dem Team, vor
Freude geheult. Wenn all die Arbeit der Tage undNächte zuvor einen
Sinn bekommen hat, aber auch ihren Tribut fordert. Wie man sich
dann fühlt? „Du kippst todmüde um und bist nur noch glücklich.“
Er weiß, wovon er redet: Dietmar
Franzen, Geschäftsführer und
Gründer des Motorrad-Center
Koblenz. Eine handwerkliche
Edelschmiede, die nicht nur
„schraubt“,sondernmitLeibund
Seele für die flotten Zweiräder
da ist. Hier wird eine PS-Philo-
sophie ausgelebt, durch jeden
Mitarbeiter, jeden Lehrling und
auch durch die Kunden.
Fahrstil „kreierte“ einen
Handwerker
Ihren Ursprung hat diese Unter-
nehmensphilosophie Mitte der
80er Jahre. Der heute 35-jährige
Franzen lebt seine Leidenschaft
fachlich weiter, hier erleben sie
hautnah, wie Teamwork funk-
tioniert.“ Da hat jeder seinen
Platz in der Boxen-Mannschaft,
egal ob Lehrling oder Meister.
Neben Verkauf, Reparatur, Be-
ratung und Renneinsätzen hat
Handwerker Franzen ein neues
Aufgabengebiet erschlossen: Er
macht Vergleichsfahrten für die
Motorsport-Presse. Manche Ti-
telseite hat sich ihm und seinen
flotten Untersätzen gewidmet -
ein Weltenbummler im Namen
lupenreiner Rennmaschinen,
dem Traum etlicher Biker. Und
trotzdem ist er amBoden geblie-
ben: BeimGedanken an das Ra-
Der Chef gibt Gas: Aber ohne gute Boxen-Crew kommt auch der beste Rennfahrer
nicht ins Ziel, wird nicht zweiter eines Weltmeisterschaftslaufes...
Berufliche Begleiter: Auf seine insgesamt acht Mitarbeiter, darunter vier Lehrlinge,
kann sich Franzen im Unternehmen und auch an der Rennstrecke verlassen.
Nach-
gefragt
Stefan Löffler (19 Jahre)
Lehrling im 3. Ausbildungsjahr
Wie gefällt dir dein Beruf...?
Warum willst du Zweiradmechaniker werden,
wie gefällt dir die Ausbildung in einem Unter-
nehmen, dessen Chef ein erfolgreicher Rennfah-
rer ist - wollen wir von Lehrling Stefan Löffler
wissen, der im Motorrad-Center Koblenz
Kfz-Techniker 28.9.
Info-Tel.: 0261/398-402
Im Kfz-Handwerk bietet die
HwK-Meisterakademie be-
rufsbegleitend Meistervor-
bereitungkurse ab 28. Sep-
tember in Rheinbrohl an.
Infos bei der HwK:
HwK-Meisterkurs
ausgebildet wird. „Mit diesem Chef ist das natürlich was besonderes.
Gerade wenn man Erfolge an der Rennstrecke miterleben kann.
Beim 2. Platz des WM-Laufs
in Oschersleben war ich im
Team als Betanker direkt an
der Rennstrecke dabei. Es
waren tolle, unvergessene
Augenblicke. Aber auch der
Alltag macht sehr viel Spaß,
weil er abwechslungsreiche
Arbeiten bietet. Den Beruf
habe ich gewählt, weil ich
immer schon gerne an
Zweirädern schraubte und
mich die Technik grundsätz-
lich interessiert. Über ein
Praktikum habe ich hier meine
Lehrstelle gefunden.
Zum Saisonstart
Wie lange liegt der letzte
Ölwechsel des Motorrades
zurück? Hat das Öl über
Winter geruht, wechselt es
seine Resistenz, lässt auch
die schmierende Wirkung
nach.
Bei langer Standdauer
verfliegen die brennbaren
Elemente von Kraftstoffen -
auch im Vergaser. Der
Motor startet dann nicht
oder sehr schlecht. Also:
Vergaser entleeren.
Kettenpflege ist beim Mo-
torrad das A und O. Kette
vor dem Start in die Saison
schmieren und spannen
lassen. Das Kettennach-
spannen ist im Motorrad-
Center Koblenz kostenlos.
Experten-Tipps
@
für viel Leistung und hohe Ge-
schwindigkeiten aus. Und er
fährt nicht nur im Feld mit, son-
dern oft genug vorne weg. Dem
Erfolg steht ein „materialinten-
siver Fahrstil“ gegenüber, denkt
Franzen lachend an manch de-
moliertes Motorrad zurück. Es
ist aber auch die Zeit, in der er
die Ergebnisse dieser Fahrweise
handwerklich selbst wieder in
Ordnung bringt.
Einige Tausend Rennkilometer
später hat sich ein Spezialist ent-
wickelt, der nicht nur weiß, wie
manschnellfährt.Auchdashand-
werklicheKnowhowist Spitzen-
klasse. 1995 beschließt Franzen,
den Rennanzug mit dem Blau-
mann zu tauschen - „meistens,
aber nicht immer!“ Er gründet
sein Unternehmen, stellt Mitar-
beiter ein, bildet aus. Heute zählt
der Betrieb drei Gesellen, einen
Meister und vier Lehrlinge.
Teamwork hautnah erleben
Neben der Arbeit in Koblenz
bietet Franzen seinem Nach-
wuchs immer wieder den Ein-
satz an europäischen Rennstre-
cken. „Das bringt sie nicht nur
cer-Leben kommt schon ein we-
nigWehmut auf, „abermanwird
mit den Jahren vernünftiger.“
Deshalb freut er sich heute über
ein funktionierendes Unterneh-
men, über zufriedene Kunden,
„die zum Großteil lange Wege
auf sich nehmen, umzu uns nach
Koblenz zu kommen.“ Italiener,
Franzosen oder Spanier gehören
dazu. „Die meisten bringen ein
ohnehinhochwertigesMotorrad,
das perfektioniert werden soll.“
Dann sitzt Franzen auch nach
Feierabend und am Wochenen-
de in seiner „Bastelecke“ - ein
mit Maschinen gut bestückter
Teil seiner Werkstatt - und pro-
biert aus. „Es sind jedes Mal
individuelle Lösungen.“ Kein
Teil der PS-Patientenbleibt dann
verschont,obPleuel,Kurbelwel-
le oder Verkleidung.
Und nur selten muss er seinen
Kunden sagen: Geht nicht. „Ei-
ner wollte die Einarmschwinge
eines anderen Fabrikats montie-
renlassen.DashättewenigerRad-
stand bedeutet und damit ein
kaum kontrollierbares Fahren.“
Sagt dann der Motorsportler „zu
riskant“, ist das auch schnell die
Meinung des Kunden...
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...22
Powered by FlippingBook