Handwerk Special Nr. 75 vom 17. Mai 2000 - page 16

Juli 1961: Beratungsstelle für Formgebung.
Gestaltung im Handwerk
wird zunehmend wichtig,
gleichgültig, ob es um die
Produkte oder deren Prä-
sentation bei Messen und
Ausstellungen geht. Die
rheinland-pfälzischen
Handwerkskammern
gründen deshalb am 1.
Juli 1961 die „Beratungs-
stelle für Formgebung“,
um Handwerker bei Ge-
staltungsfragen und Mes-
seauftritten zu beraten.
Alle zwei Jahre findet imHwK-
Berufsbildungszentrum im
Rahmen der überbetrieblichen
Lehrlingsunterweisung der
Gemmologie-Kurs für die
Lehrlinge im Goldschmiede-
handwerk statt. Den Lehrlin-
gen aus dem zweiten oder drit-
ten Lehrjahr, die am Ende ih-
rer Ausbildung stehen, werden
hier eine Woche lang grundle-
gende Kenntnisse über Edel-
steine vermittelt.
Ihr Lehrer Dr. Jürgen Mallay
leitet diesen Kurs bereits seit
zehn Jahren. Der Diplom-Mi-
neraloge promovierte in Mainz
über Edelsteine aus Sri Lanka
und ist heute überwiegend im
Ressourcenmanagement tätig.
„Edelsteine sind häufig Be-
standteil von Schmuckstücken,
deshalb ist es wichtig, dass sich
die Lehrlinge in diesemBereich
auskennen“, so Mallay.
Die zukünftigen Goldschmiede
lernen hier Edelsteinimitate von
Originalen zu unterscheiden.
Mit Hilfe des Mikroskops wer-
den Lichtbrechung und Dichte
des Steins und im Stein enthal-
tenen Einschlüsse ermittelt.
Auch ein Besuch im deutschen
Edelsteinmuseum in Idar-Ober-
stein gehört zumLehrgang. Hier
kann der Mineraloge Vorkom-
men und Erscheinungsbild un-
terschiedlichster Edelsteine an
besonders großen und schönen
Fundstücken erklären.
Insgesamt bietet der Kurs den
Lehrlingen eine interessante und
sinnvolle Ergänzung zur fach-
spezifischen Ausbildung.
Informationen zur Lehre
im Handwerk bei den
HwK-Ausbildungsberatern,
Tel.: 0261/398-323,
Fax: -989, Email:
Internet:
Mit Lupe und Mikroskop erforschen die Goldschmiede-
lehrlinge Edelsteine im Gemmologiekurs während der
Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung.
Das Verfahren erinnert an die
gute alte Strickliesel. Gestrickt
wird auch hier mit der Häkel-
nadel, immer fein säuberlich
im Kreis herum, eine Masche
nach der anderen.
Allerdings:wennThomasHeinz
in seinerWerkstatt „strickt“, hat
das mit Wolle und Strickliesel
trotzdemnur nochwenig zu tun.
Seine Werkstoff ist glänzender,
fein ausgewalzter und gezoge-
ner, 22-karätiger Golddraht, aus
dem er mit Hilfe einer speziel-
lenHäkelnadel frei aus derHand
edle Ketten strickt und damit
eine alte, bereits von den Etrus-
kern meisterhaft beherrschte
Technik der Goldschmiede-
kunst wiederbelebt.
„Die wesentlichen Techniken
unseres Handwerks haben eine
alte Tradition, weshalb sollte
man etwas neu erfinden, was
bereits existiert?“ kommentiert
der 1961 geborene Gold- und
Silberschmied die von ihm mit
angekurbelte Renaissance des
Goldstrickens, die nach einem
Artikel in der FAZ schon für
Medienaufmerksamkeit sorgte.
„ReduzierenSiemich bitte nicht
auchnochalleinauf dieseStrick-
ketten“, warnt er deshalb in
leicht komischer Verzweiflung,
als wir ihn in seinem Atelier in
Steimel/WW besuchen.
Schokolinsen als Modell
Tatsächlich hat er als moderner
Schmuckdesigner entschieden
mehr zu bieten als diese alte
Technik: Er tüftelte ein Verfah-
ren aus, den Durchmesser des
Strickschlauchs durch längere
oder unterschiedlich gedehn-
teMaschen zu verändern,
ihn beispielsweise ko-
nisch auszuziehen
wie bei einer
Kette, in der allein das Gestrick
eine leuchtende Lapislazuli-
kugel in der Schwebe zu halten
scheint. Witzig: „Schoki“, eine
Kette mit abwechselnd engen
und weiten Strickgliedern. „Da
habenwir uns vonSchokolinsen
inspirieren lassen, die sogar als
Modell genommen, tiefgekühlt,
damit sie nicht so schnell weg-
schmelzen sollten“, erklärt Tho-
mas Heinz lachend.
Aufbauend auf der Tradition in-
novativ und kreativ arbeiten,
„hart an der
klassischen Linie dranbleiben
und sie doch auf eigenständige
Art überschreiten“ - das könnte
als Motto über seinem Schaffen
stehen. Die solide Basis dafür
legte ermit einer Lehre alsGold-
und Silberschmied in derWerk-
statt der Schönstätter Marien-
brüder. Technisch, meint er,
habe er da unheimlich viel ge-
lernt, dokumentierte das als
Bundessieger im Praktischen
Leistungswettbewerb und krön-
te das Ganze nach Studienjah-
ren an der Fachhochschule für
Gestaltung in Schwäbisch-
Gmündmit demdoppeltenMei-
stertitel als Gold- und Silber-
schmied und dazu noch als staat-
lich geprüfter Gestalter.
1990 kehrte er ins Rhein-
land zurück, richtete
sich inWeroth in
einem
Fachwerkhaus
die Werkstatt ein, be-
gann, eine eigene Schmuck-
kollektion zu entwickeln.
„Laufkundschaft kommt
hier oben nicht mal eben
vorbei, aber wer mich
kennt, nimmt den Weg
gerne auf sich.“ Kunden,
die er auf Messen und
Kunsthandwerkermärkten
gewinnt. Letztere seien für
ihn fast noch wichtiger als
Messen, „da hat man den di-
rekten Kontakt zu den Interes-
senten, kommt mit ihnen ins
Gespräch, sammelt immer wie-
der neue Anregungen“.
Galilei zum Umhängen
Die setzt er in seiner täglichen
Arbeit um, zusammen mit
Goldschmiedemeister Michael
Meimann (imSommer soll auch
ein Lehrling dazu kommen).
Experimentierfreudig ist er,
kombiniert gerne völlig unter-
schiedliche Materialien. Das
hängemit seiner Ausbildung als
Silberschmied zusammen, der
sich ja überwiegend mit sakra-
len Arbeiten beschäftige, dabei
verschiedene, symbolisch be-
dingte Materialien verwende.
Das merkt man auch dem „Ga-
lilei“ getauften Collier an: eine
dünne runde Scheibe aus pati-
niertem Eisen, mit einem Dia-
manten kombiniert, die auf ei-
nem doppelten Goldseil ihre
Bahn beschreibt, Interpretation
des „und sie bewegt sich doch“.
Die ausgeklügelte Verdoppe-
lung erübrigt den Verschluss,
erlaubt, die Länge der Kette be-
liebig zu verändern, je nach-
dem, zu welchem Kleidungs-
stück frau sie tragen möchte.
Kunst der Kombination
Zartgrüner Beryll und lebhaft
gemasertes Bruyère-Holz, wie
man es normalerweise von Pfei-
fen kennt, Metall, Stein und
Ebenholz. Thomas Heinz lässt
sich oft vom Material, von der
Form eines Steins inspirieren,
spielt mit ihr, ohne je verspielt
zu werden, neigt eher zur for-
malen Zurückhaltung. Appetit
auf seine edlen Stücke macht
jetzt auch die Homepage unter
Thomas
Heinz greift
bei der Her-
stellung sei-
ner feinen
Schmuck-
stücke (o.:
Galilei)
schon mal zu
„schwerem
Gerät“.
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