Handwerk Special Nr. 75 vom 17. Mai 2000 - page 19

1999: Neue Impulse bei der Weiterbildung.
Der Berufsbildungsaus-
schuss der HwK beschäf-
tigt sich mit zwei neuen
Konzepten, dem „Erfin-
derclub Junges Hand-
werk“ und der „Meister-
prüfung Plus“. Die Initia-
tiven sollen durch zusätzli-
che Angebote Lehre und
Berufstätigkeit im Hand-
werk noch attraktiver ma-
chen und angehende
Handwerksmeister in be-
stimmten Bereichen ge-
zielter auf eine Unterneh-
mertätigkeit vorbereiten.
Englisch und Französisch
spricht er fließend, Spanisch
und Schwedisch „ein biss-
chen“. In jungen Jahren hat
er die Welt bereist, ist rum-
gekommen, streckenweise mit
einem selbst zusammengebau-
ten Motorrad. Zeit zum Rei-
sen, sagt Achim Marx, habe er
heute nur noch selten - die Ar-
beit ist Schuld. Den Kontakt in
alle Ecken der Erde hält der
Maschinenbaumeister aus
Nistertal mit seinen Bauteilen:
Die rasen fast mit Überschall-
geschwindigkeit über alleKon-
tinente, kommen dabei nicht
einen Millimeter vom Fleck.
Der 58jährige Achim Marx hat
eine lukrative Marktlücke be-
setzt: Er baut ausHochleistungs-
stählen „Ventilatoren“. Das sind
nicht die nettenDeckenpropeller
fürs Wohnzimmer, sondern Rä-
der, die, wenn sie auf Hochtou-
ren laufen, mit ihrem Luftstrom
einen Erwachsenen umwerfen
würden. 50.000 qmLuft werden
pro Stunde bewegt, Einsatzort
sind industrielle Ent- und
Belüftungssysteme.
„Mit fast 6000 Umdrehungen“,
soderWesterwälderHandwerks-
meister, „drehen sich die bis zu
2,50MeterDurchmesser dimen-
sionierten Räder und erreichen
Umfangsgeschwindigkeitenvon
1000 km/h.“ Ohne viel Phanta-
sie kann auch der Laie verste-
hen, dass die Belastungen auf
Ventilator und Gehäuse samt
Verankerung enorm sind. „Hier
mußallesstimmen–vonderMes-
sung über die Materialbear-
beitung bis zum Auswuchten“.
Seltene Legierung
Bei einem Gang durch das Un-
ternehmen mit seinen 16 Mitar-
beitern erklärt AchimMarx, wie
die Westerwälder diese hohen
Ansprüche erfüllen. Da gibt es
Hochleistungsstähle in seltenen
Legierungen, über 20Sorten, die
nicht einfach nur geformt und
zusammengeschweißt werden:
„Die Bauteile werden vorge-
wärmt und auch beim Schwei-
ßen wird permanent die Tempe-
ratur imSchweißgut gemessen.“
Spannungen oder gar Risse –
totale Fehlanzeige, bei den spä-
teren Drehzahlen und der Masse
von bis zu 250 kg hätte ein Ma-
terialfehler verheerende Folgen.
Bei der weiteren Bearbeitung
greifen die Marx´schen Präzi-
sionsarbeiter auf ein ganzes Ar-
senal von High-Tech zurück.
Bearbeitungswerkzeugemüssen
hier nicht nur gute Arbeit lei-
sten, siewerden vor demEinsatz
mit Vermessungsmaschinen auf
ihren Zustand überprüft, „wenn
fehlerhafte Fräser oder Bohrer
ersteinmal loslegen, ist es ja viel
zu spät.“ Beeindruckend: Die
Synergie aus Handarbeit und
modernemMaschinenpark.Was
die Mitarbeiter, darunter zwei
Meister und vier Lehrlinge,
schweißen, fräsen, bohren,
schleifen, ist am Ende so präzi-
se,dassdieneueWuchtmaschine
– ähnlich der für Autoräder, nur
wesentlich genauer – große
Mühehat, selbst kleinsteSchwä-
chen zu entdecken. “Das spielt
sich im Grammbereich ab” lobt
Achim Marx die Gründlichkeit
und handwerkliche Spitzenlei-
stung seiner Leute.
Ausnahme-Familie
Der Tick für das Besondere ist
demWesterwälder in die Wiege
gelegt worden: Opa AdamMarx
gründete 1901dasUnternehmen
gegenübervomNistertalerBahn-
hof und reparierte Dampfma-
schinen, die besonders in den
traditionellen Holzsägewerken
undderLandwirtschaft zumEin-
satz kamen. Vater Albert Marx
führte das Unternehmen fort, er
spezialisierte sich u.a. auf Obst-
pflücker und Schaufenster so-
wie Toranlagen. Bereits er über-
nahm als Subunternehmer Auf-
träge der Industrie. Der Maschi-
nenpark für die Metallbearbei-
tung schließlich war Ausgangs-
voraussetzung für den Ventila-
torenbau.1983übernahmAchim
Marx, der 1971 die Meisterprü-
fung absolvierte und zuvor be-
reits bei renommierten Unter-
nehmen wie dem Landmaschi-
nenproduzenten „John Deer“
seine „Sporen“ verdiente, den
Familienbetrieb.
Haupteinsatzorte sind heute der
Lufttransport in chemischen
Unternehmen und Hüttenwer-
ken. „Zuletzt sind drei Räder in
eine Platinschmelze nach Süd-
afrika gegangen.“ Mit seinen
Produkten ist das Unternehmen
einer von ca. fünf Spezialisten
bundesweit. Vom „Rohmateri-
al“, Stahlplatten und Rundstahl,
bis zur fertigen Anlage entsteht
alles unter einemDach. „Neben-
bei“ hat sich der Betrieb auf den
Komponentenbau von Verlege-
anlagen für Rohrleitungen spe-
zialisiert – und ist damit in ganz
Deutschland Marktführer.
Weichen gestellt
Bei all der Technik und den Spe-
zialisten im Unternehmen steht
der Mitarbeiter als Mensch im
Vordergrund; einige sind seit
über 25 Jahren mit dabei. Um
die Zukunft seines Betriebes, in
dem Ehefrau Erika als „wichti-
ger Berater im betriebswirt-
schaftlichemBereich“mitarbei-
tet, muss sich Achim Marx kei-
ne Sorgen machen. Tochter Do-
rothee, 25 Jahre, soll das fort-
führen, was vor fast 100 Jahren
begonnen wurde. „Wann, darf
sie selber wählen“, sagt der Va-
ter. Dann will er seinem Hobby
nachgehen, Sprachen lernen, die
Welt bereisen.
Achim Marx
mit Tochter
Dorothee, die
das 100jährige
Familienunter-
nehmen wei-
terführen soll.
Ein Ventilator entsteht:
Auf die Nabe (Bild un-
ten) wird der Körper mit
seinen Schaufelrädern
geschweißt (darunter).
Mit der Auswuchtmaschine wird das Schaufelrad
100prozentig und grammgenau gerundet.
Mario Zolak aus Sinzig, 28 Jahre,
Friseurhandwerk:
„Für mich zählt der persönliche Erfolg.
Wenn ich den Meistertitel habe, werde
ich beruflich noch ein ganzes Stück
weiterkommen.“
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