Handwerk Special Nr. 69 vom 18. August 1999 - page 24

Tradition &Zukunft:
Der Pferdebestand steigt, Hufschmiede sind gefragt / Neues im Metallbauerhandwerk
Daß sie einen Pferdeschwanz trägt, paßt vollkommen ins Bild, denn
Nikki ist – eine Pferde-, genauer: eine Haflingerstute. An diesem
Nachmittag braucht sie mal wieder ein paar neue “Schuhe”. Keine
Massenproduktion, selbstverständlich, sondern maßgefertigt, ange-
paßt von ihrem “Leibschuhmacher”, bei dem sie auch schon die
ersten Hufeisen ihres Lebens erhielt. Der ist Karl Mallmann, ein
Bopparder Schmiedemeister und einer der wenigen Hufschmiede,
die es noch gibt.
Nikki ist ausgespro-
chen brav; sie kennt
die gesamte Proze-
dur schon, denn Hufpflege und
Erneuerung der Hufeisen stehen
alle sechs bis acht Wochen auf
dem Plan. Auf einem Eisentisch
hat sich Karl Mallmann, der bei
seinemVater Johann in die Leh-
re ging und dessen eigener Sohn
mittlerweile als fünfte Generati-
on den Betrieb in Boppard führt,
die notwendigenWerkzeuge be-
reitgelegt. Mit einer Nietklinge
biegt er die versenkten Nagel-
enden am Huf hoch und zieht
mit der Abnehmzange das Eisen
vomHuf ab. Dannwird ausführ-
lich „pedikürt“, der Huf „ausge-
schnitten“, mit dem leicht gebo-
genenHufmesser,mitHaueisen,
Schlegel und evtl. Hufzange al-
les überflüssige Horn vorsichtig
entfernt. Hat er nicht Angst, das
Tier zu verletzen? Mallmann
lacht: „Man muß halt die Anato-
mie des Pferdefußes kennen, ein
bißchenFingerspitzengefühlund
vor allem viel Erfahrung besit-
zen, dann kann eigentlich kaum
etwaspassieren.“UndErfahrung
besitzter,dennbe-
reits in
den
50er Jahren, als er bei seinem
Vater in die Lehre ging, gehörte
das Beschlagen von Pferden
noch zumTagesgeschäft. „Beim
Großvater, der die Schmiede
1894 in Boppard aufgebaut hat,
standen die Bauern, die Holz-
rück- oder Fuhrleute mit ihren
Pferden oft Schlange,“ erinnert
sich Mallmann, während er mit
dem großen Raspel den Trag-
rand desHufs bearbeitet, daß die
Hornspäne nur so fliegen („Die
kriegt meine Frau zum Dün-
gen...“). Einen Augen-
blick lang dür-
fen sich
jetzt Nikki und ihr Besitzer, Al-
fons Breitbach, dessen Familie
jahrzehntelang ein Fuhrunter-
nehmen betrieb und zu den tra-
ditionellen Kunden der Schmie-
de gehört, verschnaufen. „Auf-
halten“, wie das fachgerechte
Aufheben des Pferdefußes ge-
nannt wird, ist selbst bei einem
vergleichsweise braven Pferd
nicht ganz unanstrengend.
„Wenn Sie einweniger gutmüti-
ges Tier oder einen Kaltblüter
haben, hinter dem allein schon
ein ganz anderes Gewicht steht,
braucht’s eine ganze Menge
Kraft.“ Karl Mallmann erhitzt
währenddessen in seiner Werk-
statt im Schmiedeofen das Huf-
eisen; da er das Pferd kennt, hat
er die passenden bereits vorher
zurechtgelegt,dennPferdehufist
noch lange nicht gleich Pferde-
huf, „das hier,“ zeigt er auf ein
EisenvonbeeindruckendenAus-
maßen, „gehört Max, einem
Kaltblut
von stolzen zwanzig Zentnern,
den ich vorige Woche wieder
beschlagen habe“. Rotglühend
wird das Eisen auf den Huf ge-
preßt. Das raucht und qualmt
zu bringen. Mein Vater hat so-
gar Fuhrleute, die ihre Pferde
geschlagen haben, rausgewor-
fen.“Wahrscheinlich spüren die
Pferde auch, daß Mallmann sie
mag, „früher haben wir fast alle,
die nicht direkt aus der Schmie-
de abgeholt wurden, eine Runde
geritten“. Die Sonne ist mittler-
weile wieder durchgekommen,
und da wird auch der Umgang
Wie werde ich
Hufschmied?
Wer Hufschmied werden
möchte (im Jahr 2000 dürfte
der Pferdebestand im Bundes-
gebiet wieder auf 700 000
Tiere angewachsen sein, so
daß entsprechende Handwer-
ker gefragt sind), muß eine
Metallbauerlehre abgeschlos-
sen haben und bereit sein, sich
in Kursen auf die staatliche
Prüfung zum Hufschmied vor-
zubereiten. Angeboten werden
diese Kurse von Hufbeschlag-
schulen; in Deutschland gibt es
sechs staatliche und zwei pri-
vate Lehrschmieden. HwK-
Info-Telefon zu Ausbildungs-
fragen: 0261/398-331.
Es dampft und qualmt, wenn das rotglühende
Eisen dem Pferdehuf paßgenau „angezogen“
wird. Schmerzen spürt das Pferd dabei nicht.
mächtig, ist nichts für empfind-
liche Nasen und zaghafte Ge-
müter und ist doch, fachmän-
nisch ausgeführt, recht harmlos,
gearbeitet wird stets nur am ab-
gestorbenenHorn.DasAufbren-
nen sorgt dafür, daß das Eisen
möglichstpaßgenauamHufsitzt.
EinbißchenpaßtKarlMallmann
auf demAmboß das Eisen noch
an, dann kann er es aufnageln,
mit beachtlich langen Nägeln
und leichten, aber wohl berech-
neten Schlägen.
„Wichtig ist,
daß man im
Horn bleibt, keine ande-
renTeileverletzt undden
Huf nicht in seiner Be-
wegung einschränkt.
Sonst würde das Pferd
lahmen.“ Nikki schaut
sich trotz all demGehäm-
mer nur ganz ruhig um
und schnuppert an dem
Schmied. Hat ihn auch
schon mal ein Pferd un-
sanfter behandelt? Mall-
mann lacht: „Gebissen hat
mich glücklicherweise bisher
noch kein Tier. Schläge sind je-
denfalls die schlechtesteMetho-
de, um ein Pferd zum Stillhalten
mit Feuer, Pferd, Hammer und
Amboß zur schweißtreibenden
Angelegenheit. Aber jetzt ist nur
noch Feinarbeit zu verrichten.
Die überstehenden Nagelenden
werden mit der Beschlagszange
abgekniffen und dasNiet imHuf
versenkt, damit sich das Pferd
nicht verletzen kann. Noch ein-
mal alle überstehenden Horn-
ränderabraspeln,undNikkikann
sich gutbeschuht wieder auf den
Weg machen – nicht ohne An-
probe. Ein paar Schritte auf der
Straße, und der geübte Schmied
würde sofort erkennen, ob etwas
nicht richtig sitzt oder wo das
Eisen drückt. Bei besonders
schwierigen Fällen, bei kranken
oder deformierten Hufen würde
er sogar gleich zum „Pferde-Or-
thopäden“, der mit dem richti-
gen Hufeisen fürs problemlose
Traben und Galoppieren sorgt.
Übrigens: Wenn Sie einmal ein
Hufeisen finden sollten – hän-
gen Sie’s immer mit den Enden
nach oben auf. Nur so kann ga-
rantiert das Glück hineinfallen!
Geduldig
schaut Stute N
ikki
beim Gehämmer an ihren Hufe
n
zu. Hufschmied Mallmann
schätzt seine „Pferde-
Kundschaft“, die schätzt
ihn. „In 50 Jahren Arbeit bin
noch nie gebissen worden!“
Weiterbildung
für Metallbauer
Ein spezielles Weiterbildungs-
angebot für Metallbauer bietet
die Handwerkskammer
Koblenz in den HwK-Zentren
in Koblenz und Bad Kreuz-
nach. Kurse z. B. zur Metall-
bearbeitung, zur Pneumatik
und Hydraulik beginnen im
Herbst dieses Jahres.
Informationen und Anmeldun-
gen bei der HwK Koblenz,
Tel. 0261/398-113, Fax: 0261/
398-990, e-mail:
Meisterkurse
für Metallbauer
DieneuenMeistervorbereitungs-
kurse fürMetallbauer starten bei
der HwK Koblenz am 3. Sep-
tember.
Info-Tel.: 0261/398-400.
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