Handwerk Special Nr. 69 vom 18. August 1999 - page 30

Michael Müller über den Autobauer August Horch, der nie einen Führerschein besaß...
In diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden, der Ur-Opa. Pünktlich zum
Jubiläum des berühmten Autobauers August Horch ist Ur-Enkel Michael
Müller auf der beruflichen Überholspur und will den Meisterbrief zum
Kfz-Techniker in die Winninger Werkstatt „heimholen“ - in den
Mosel-Ort, der Automobilgeschichte geschrieben hat.
Der Ur-Opa muß schon ein „besonderer“ Mensch gewesen
sein. Hühner hat er gezüchtet in seinem Heimatort Win-
ningen. Und wollte die frisch gelegten Eier mit einer
„Eierseilbahn“ in luftiger Höhe über den Fluß auf
die andere Seite in den Hunsrück „verschicken“.
Damit hätte man immerhin den Umweg auf der
Straße über Koblenz vermieden und die Auto-
fahrt gespart. Die Reise mit eben jenem
Fortbewegungsmittel, daß August Horch
später zu weltweiter Berühmtheit ver-
half, daß heute noch beruflicher In-
halt seiner Nachfahren ist, denn die
betreiben in Winningen eine Kfz-
Werkstatt.
Horchs letzter Ur-Enkel
MichaelMüller - der einzige
Ur-Enkel des großen Auto-
bauers - gibt wie sein be-
rühmter Ur-Opa „beruf-
lich“Gas. In siebenJah-
ren hat er zwei Hand-
werkslehrenabsolviert,
war bei der Bundes-
wehr und steht unmit-
telbar vor derMeister-
prüfung bei der HwK
Koblenz.
Dann soll der junge
Handwerker im Fa-
milienunternehmen
den Platz am Steuer
einnehmen.Ein Stück
Verantwortung, daß
er in ähnlicher Form
alsHorch-Nachfahre
ungewollt in die Wie-
ge gelegt bekommen
hat. „Früher habe ich
mir um die Familien-
geschichte keineGedan-
ken gemacht. Doch wer
an einem Treffen des
Horch-Clubs teilgenom-
men hat, werMenschen aus
allen Ecken dieser Erde mit
den Wagen vom Ur-Opa ken-
nenlernt, die sich mit Leib und
Seele für die Bewahrung des An-
denkens des Vaters ihrer Wagen
einsetzen, der entwickelt ein neues
Bewußtsein.“ Und dann ist er plötz-
lich der Ur-Enkel für Menschen, de-
nen er in seinem Leben zum ersten mal
gegenübersteht.
Späte Heimreise
Erst seit wenigen Jahren hat einHorchwieder seine
Heimat in Winningen. Die Familie Müller kaufte das
Ausstellungsstück einem Stockholmer Museum ab. Die
Heimreise begann nach über 50 Jahren, davon 30 Jahre im
schwedischen Museum. Probleme für das rüstige Gefährt gab
es nicht. „Die Motorentechnik war sehr gut. So wurde die Kurbel-
welle nach dem Guß bei Wind und Wetter unter freiem Himmel
gelagert, umdie Spannungen abzubauen. Nach demEntfernen des Rostes
wurde die Welle nachbearbeitet und eingebaut - so sind sie quasi unverwüst-
lich.” Weltweit rollen noch etwa 300 Fahrzeuge der Marke.
Neben den „normalen“ Autos finden sich in der Winninger Werkstatt immer wieder
Oldtimer ein - Tradition verpflichtet. Zur Leidenschaft von Michael Müller zählt auch die
Restauration und das Sammeln alter Automobile „neben der normalen Arbeit“. Die Reise durch das
Innenleben der Automobilgeschichte im Minutentakt - ein Reiz, dem er sich nicht entziehen kann...
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