Handwerk Special Nr. 69 vom 18. August 1999 - page 25

Ideen rund ums Bauen:
Traditionsgemäß und bereits zum fünf-
ten Mal lud die Architektenkammer
Rheinland-Pfalz Architekten, Bauherrn
und interessierte Besucher zum Tag der
Architektur ein. 40 Objekte in Rhein-
land-Pfalz, die sonst nicht oder nur ein-
geschränkt zugänglich sind, öffneten
am letzten Juniwochenende ihre Türen.
Wohnhäuser, zahlreiche Sanierungs-
projekte, aber auch gewerbliche Projek-
te stellten sich vor und luden zur Ent-
deckungsreise ein. Angeboten wurden
Besichtigungen, Führungen und Ge-
spräche über zeitgenössisches Planen
und Bauen.
Unter den aus 120 Vorschlägen ausge-
suchten Objekten waren auch das HwK-
Zentrum für Restaurierung und Denk-
malpflege in Herrstein (Hunsrück), das
Koblenzer Autohaus Pretz und ein
Wohnungsneubau in Neuwied-Engers.
Der Kfz-Betrieb wurde 1928 von Josef
Pretz gegründet und besteht in der dritten
Generation. Mittlerweile arbeiten im
Familienunternehmen 60Mitarbeiter, dar-
unter acht Meister und 17 Lehrlinge.
Im Rahmen von Sanierungsarbeiten im
Koblenzer Stadtteil Horchheimwurde der
Betrieb 1998 aus demWohngebiet ausge-
siedelt. In nur sechs Monaten Bauzeit ent-
stand das neue Autohaus. Die Koblenzer
Architekten Ralf Schubert und Michael
Thillmann gewannen den ersten Preis des
anonymen Wettbewerbs um den Neubau
in Koblenz, Im Plonzert. Das Konzept
verbindetWirtschaftlichkeit und Funktio-
nalität mit anspruchsvoller Gestaltung.
„Für Kunden macht man sich fein. Dieser
Grundsatz gilt im hohemMaß für Dienst-
ster erhielten eine wärmedämmende
Doppelisolierverglasung. Bauherr Horst
Pretz erinnert die Gestaltung immer wie-
der an seinen Lieblingsplatz, den Markt-
platz von Siena in der Toscana.
Seitlich an den Showroom sind die
Verkaufsboxen angeordnet. Mit Blick-
kontakt zum Auto werden hier die Bera-
tungsgespräche geführt. Im ersten Ober-
geschoß befinden sich die Büroräume. Sie
sind transparent gestaltet und ermögli-
chen den Blick in den Showroom. „Die
Werkstatthalle ist als Aluminium-Sand-
wich-Konstruktion erstellt“, so Dipl.-In-
genieurWerner Schultheis, Geschäftsfüh-
rer der Schultheis Stahlbau, Koblenz.
„Außen ist eine Aluminiumblechschale,
innen ebenfalls, und der Zwischenraum
leistungsunternehmen“,erklärtHorstPretz
das ansprechende Outfit, eine Symbiose
aus Stahl und Glas. Das Gebäude wirkt
sympathisch und einladend zugleich.
Erinnerungen an Siena
Herzstück des Autohauses ist der große
Showroom mit großflächigen Glas-
Aluminiumelementen. „Er wurde als fili-
grane frei liegende Stahlkonstruktion er-
richtet und ist Marktplatz, Erlebniswelt
und Austauschplatz von Informationen
und Waren“, so Architekt Michael
Thillmann. Das wohl temperierte Innen-
raumklima wird zumeinen durch dieAus-
richtung nach Norden und zum anderen
durch den nach Westen montierten fest-
stehendenSonnenschutz erreicht.DieFen-
ist mit einer Wärmedämmung gefüllt. Die
Sandwichkonstruktion ist sehr preiswert,
gliedert zugleich die Außenwand und läßt
sie leicht erscheinen“, erklärt er. Kosten-
sparend erwies sich darüber hinaus die
ÜbernahmederGesamtkonstruktiondurch
den Stahlbauer, von der konstruktiven
Planung von Traggerüst, Dach und Wand
bis zur Montage.
Kunstgriff der Architektur
Die „Außenhaut“ des prägnant geformten
Showrooms montierte der Koblenzer
Metallbauermeister Paul Hümann als Pfo-
sten-Riegel-Glas-Aluminiumfassade.Die
Kürze der Zeit und die außergewöhnliche
Optik waren für ihn und seine acht Mitar-
beiter „eine besondere Herausforderung“.
Die Aluminiumprofile decken alle waa-
gerechten Fugen der Bekleidung ab. Den
Kunstgriff wählte der Architekt zur Beto-
nung der Fassade. Den Metallic-Effekt
ruft das leicht gewellte, mit Silber be-
schichtete Aluminiumblechdach hervor.
Glas und Metall bestimmen
das Erscheinungsbild des
Autohauses. Der lichtdurch-
flutete „Showroom“ ist
Markt- und Kommunikations-
platz, Kunden- und Büroräu-
me gruppieren sich herum.
Ein attraktiver
Neubau ent-
stand auf dem
Grundriß des
Vorgängerbaus
im Neuwieder
Stadtteil Engers.
In diesem Fall
hätten die
Sanierungs-
kosten die der
Neuerrichtung
weit überstie-
gen.
Bauhandwerker, Architekten und Bauträger veranstalten Tage der offenen Tür.
Ein 100 Jahre altes Wohngebäude im
baufälligen Zustand ohne bedeutungs-
vollen historischen Wert. Die Bewohner,
das Neuwieder Ehepaar Franz-Josef
und Margit Herz, standen vor der Fra-
ge: Sanierung oder Neubau.
Ein Ortswechsel stand nicht zur Diskussi-
on, denndasEhepaar führt auf demGrund-
stück einen Bedachungsgroßhandel. Le-
ben und Arbeiten sollten verbunden blei-
ben. Der Koblenzer Architekt Dirk Kor-
bach-Wirz überzeugte Familie Herz von
der Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung:
„Das Haus war zu morsch, um es zu re-
staurieren. Der Keller feucht, die Stahlträ-
ger durchgerostet, und das Mauerwerk wies Risse auf.“
Also Abriß. „Wir konnten 1
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Jahre mit ansehen, wie unser Haus
wächst”, erinnern sich die Bauherren. Bei der Planung wurde gemäß
Auflage des Bauamts die Mansarddachform beibehalten. Sonst
erinnert der Neubau nicht mehr an seinen Vorgänger. „Heute ist
heute, jetzt baut und wohnt man anders als vor 100 Jahren“, so
Korbach-Wirz. „Jede Zeit hinterläßt ihre Spuren, und am alten Platz
die Spuren der heutigen Zeit zu hinterlassen, ist eine reizvolle
Aufgabe für jeden Architekten. Zumal die Baustoffe heute eine
individuelle Gestaltung erlauben“, fügt er hinzu. Schmale Fenster-
öffnungen zur Straßenseite reduzierenEn-
ergieverluste und Verkehrslärm. Auf der
Rückseite zeigt dasHaus, wenn das Innere
erleuchtet ist, sein „offenesGesicht“:Gro-
ße Glasflächen ermöglichen die passive
Solarnutzung.
Metallbauermeister Thomas Pfeil aus
Siershahn montierte die Holz-Stahlkon-
struktion des Daches: „Ein bewegliches
Gelenk verbindet die Baustoffe, entste-
hende Spannungen können sich abbauen.
Der Materialmix stellt besondere Anfor-
derungen an die Gestaltung.“ „Die Be-
wohner müssen ihr Haus erleben, Woh-
nen belebt die Sinne, wenn das Spiel mit
denMöglichkeiten ineinemharmonischen
Ganzen endet“, betont der Architekt.
Schlossermeister Peter Dernbach aus
Mendig, der dieArbeiten bis insDetail auf
der 3D-CAD-Anlage vorbereitete, baute
den „verschachtelten“ Wintergarten in
Pfostenriegelkonstruktion mit hochwerti-
gemWärme-, Schall- undEinbruchschutz-
gläsern. Ein Treppenerker vermittelt den
Bewohnern das Gefühl der Schwerelosig-
keit.
Bundespreis für
Denkmalpflege
Um den mit 30.000 Mark dotierten
„Bundespreis fürHandwerk inderDenk-
malpflege“ bewerben sich 90 restaurier-
te Projekte der letzten fünf bis sechs
Jahre. Die große Resonanz führt das
HwK-Zentrum für Restaurierung und
Denkmalpflege in Herrstein auf das ge-
wachsene Verantwortungsbewußtsein
privater Bauherrn und Investoren zu-
rück. In einer von Vertretern der HwK
Koblenz, der Deutschen Stiftung für
DenkmalschutzunddemZentralverband
des Deutschen Handwerks vorgenom-
menen Vorjurierung wurden zehn
Gesamtsanierungen und fünf herausra-
gende, handwerkliche Einzelleistungen
nominiert. Die Jury wird am 24./25.
August die Preisträger bestimmen.
1...,15,16,17,18,19,20,21,22,23,24 26,27,28,29,30,31,32
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